Eine körperliche Verletzung im Leistungssportbereich hat oftmals auch einen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden eines Athleten. Es sind sehr viele unterschiedliche Situationen und Gedanken, die einen Sportler hierbei umtreiben können. Angefangen von der Sorge, nicht mehr zurück zur alten Form zu finden, Sorge vor erneuter Verletzung, immer wieder auftretender Schmerz, Trainingsrückstand, veränderter Alltagsrhythmus, verändertes Sozialumfeld, weil man nicht am Mannschaftstraining teilnehmen kann, Rückschläge… Die Liste ist lang. Unser Eindruck ist aber, dass nicht nur im Fußball das unterstützende Potential der Sportpsychologie bei Sportverletzungen nur unzureichend genutzt wird. Mit diesem Blickwinkel schließen wir an unseren kürzlich veröffentlichten Text an: Kathrin Seufert und Klaus-Dieter Lübke Naberhaus: Alarmsignal Verletzungshäufigkeit – Wie die Sportpsychologie hilft (Link)
Zum Thema: Die Einflussmöglichkeiten der Sportpsychologie bei Sportverletzungen
Ganz klar: Es ist ratsam auch die psychologischen Faktoren einer Verletzung und deren Folgen mit einem Sportler zu thematisieren. Es muss dabei selbstverständlich nicht nur um das Trauma der Verletzungsentstehung gehen oder mit einem negativen Verläufen im Reha-Prozess einhergehen. Vielmehr geht es darum, eine gute Zielsetzung für den Weg zurück zum Wettkampfmodus zu erlangen, aus welchen die notwendige Energie, Anstrengungsbereitschaft und Motivation geschöpft werden kann. Es geht um eine Stimmung oder Verfassung, die dazu beiträgt, Hindernisse auf dem Weg zu überwinden und Rückschläge aushalten zu können.
Es gibt sehr individuelle Verläufe und Umgangsweisen der verschiedenen Sportler mit ihren Verletzungen. In der sportpsychologischen Arbeit muss diese Individualität unbedingt auch ihre Berücksichtigung finden. Dennoch kann man sich in solchen Situationen auch an Beispielen anderer Sportler bedienen, die nach einer Verletzung zurückgekommen sind. Das Wissen darüber, nicht alleine damit zu sein und zu sehen, dass es möglich ist, auch wieder in der Startelf zu stehen, ist für manche Athleten schon eine Hilfe in ihrem eigenen Prozess. Häufig spielen motivationale Prozesse bei Verletzten eine große Rolle.
Wichtige Fragen
Die Fragen „Warum Ich?“, „Warum jetzt?“, „Was, wenn ich es nicht schaffe?“, „Wie soll ich das schaffen?“, „Wofür das Ganze“?, sind häufig Teil der Gedanken der betroffenen Sportler. Dem entgegen können verschiedene Gedanken gestellt werden, die beispielsweise auf eine Umdeutung abzielen. Die Basis würde hierbei eine gute Zielsetzung, ggf. unter Nutzung der SMART Regel, darstellen. Zudem können weitere Aspekte hinzugefügt werden, die dabei helfen können, den erstellten Fahrplan einzuhalten und bei Abweichungen den Weg zurück zu finden. Dies wäre beispielsweise das Aufzeigen des Unterstützerumfeldes des Athleten. Sich bewusst zu machen, wer einem alles dabei hilft, den Weg zu beschreiten, lässt ihn für den ein oder anderen nicht mehr zu schwierig aussehen.
Für manche ist es hilfreich, auf das bisher Erreichte zu blicken und noch mal in die Momente des Erfolges abzutauchen, um diese Gefühle noch mal erleben zu wollen (Moments of excellence, Link: Video). Für andere ist es vielleicht hilfreicher, auf vorherige Krisen und Tiefs zu schauen und sich zu entsinnen, was dort Faktoren waren, die dabei geholfen haben, aus diesem Tief wieder herauszukommen. Dessen ist man sich oftmals gar nicht bewusst, was für Ressourcen dort möglicherweise geholfen haben, die Wende einzuleiten, dies gilt es dann zu aufzudecken.
Positive Aspekte wahrnehmen
Eine weitere Möglichkeit ist es, das Positive an der Verletzung zu sehen. Klingt zunächst total paradox, weil Schmerzen, Einschränkungen und Co. doch nichts Gutes an sich haben können. Und doch ist es in dieser Zeit möglich, eine andere „schwache“ Körperpartie zu trainieren, sich als Spieler im Ausland mit der Sprache im Land zu beschäftigen, um noch mehr Teil der Gesellschaft sein zu können oder einfach auch nur die Zeit mit der Familie, die bisher nicht so intensiv war, als Energielieferant mitzunehmen.
Eine sportpsychologische Intervention, die in Verletzungspausen wunderbar zum Einsatz kommen kann, ist das „Mentale Training“. Durch das Vorstellen einer Bewegung, ohne sie gleichzeitig praktisch auszuführen, werden, auch wissenschaftlich belegt, dieselben Hirnareale angesteuert, die auch bei der reellen Bewegungsausführung aktiv sind. Somit schaffen wir es also, diese auch „unter Strom“ zu halten und der Verlangsamung der Bahnung durch Trainingsstopp entgegenzuwirken. Wie dieses Training im konkreten Setting aussieht, muss individuell mit den Athleten erarbeitet und trainiert werden.
Fazit
Es wird also schnell deutlich, dass jeder Sportler seinen eigenen Weg finden muss, was ihm dabei hilft, mit der Verletzung umzugehen und den vielleicht auch steinigen Weg zu meistern.
Abschließend ist es gerade in der Arbeit mit verletzten Sportlern erstrebenswert, wenn alle an dem Prozess beteiligten ein gemeinsames Konzept für den Sportler erstellen können. Die Kommunikation, mit Physiotherapie, Athletik, Reha und Ärzten soll ein stetiger Austausch im Sinne des Sportlers und ein klares Miteinander zum großen Ziel, die Sportler zurück in den Wettkampf zu bringen, darstellen. Dies geschieht selbstverständlich unter Einhaltung der Schweigepflichten und Verschwiegenheit über vertrauensvollen Gesprächsinhalte zwischen dem Sportler und dem Betreuungsteam. An dieser Stelle sind wir also wieder bei unserem ersten Text zum Thema, der sich hier finden lässt – Kathrin Seufert und Klaus-Dieter Lübke Naberhaus: Alarmsignal Verletzungshäufigkeit – Wie die Sportpsychologie hilft (Link)
Hinweis: In diesem Beitrag wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.
Views: 398