Welche Bedeutung ein Trainer für eine Mannschaft hat, wird besonders deutlich, wenn bekannt wird, dass ein Trainer oder eine Trainerin die Mannschaft verlassen wird. Auch wenn Veränderungen zu einem lebendigen Team dazu gehören, der Weggang eines wichtigen Teammitglieds hat immer einen Einfluss auf das gesamte System eines Teams. Grundsätzlich gibt es keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt der Veröffentlichung. Steht die Trennung lange fest und erfahren es die Spieler erst zu einem späteren Zeitpunkt, könnte das Vertrauen beeinträchtigt sein. Die Mannschaft könnte sich fragen, warum sie es nicht wert war, frühzeitig diese Information bekommen zu haben. Andererseits könnte ein frühes Bekanntgeben des Trainerwechsels die Akteure der Mannschaft enttäuschen und den Zusammenhalt negativ beeinflussen.
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Am 15. Februar wurde bekannt, dass Mönchengladbachs Trainer Marco Rose seine Karriere ab der nächsten Saison bei Borussia Dortmund fortsetzt. Nach der Bekanntmachung verzeichnete Borussia Mönchengladbach sieben Niederlagen in Folge, darunter zwei in der Champions League gegen Manchester City und gegen deutsche Topteams wie RB Leipzig, Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen. Ein Grund dafür: Ihre Chancenverwertung war seit Bekanntgabe des Wechsels von 60 Prozent auf 13 Prozent gesunken. Erst zuletzt scheint sich das Team wieder zu fangen.
Demgegenüber sehen Spieler wie Christoph Kramer (“Die Trainerdiskussion ist brutaler Quatsch”, ZDF Sportreportage vom 20.03.21) und der Trainer Rose selbst allerdings keinen Zusammenhang zwischen der deutlichen Misserfolgsserie der Mannschaft und dem Bekanntwerden seines Wechsels nach Dortmund. Seines Erachtens gäbe es „keinen emotionalen Bruch“ (Süddeutsche Zeitung vom 18.03.21). Dabei sollte sich jedes Teammitglied bewusst machen, dass es einen Teil eines Systems darstellt. Verändert sich das System, hat dies Folgen für das Team: Denn gerade der Trainer hat eine wichtige Schlüsselposition und wenn diese sich verändert, ist mit Auswirkungen auf die Mannschaft zu rechnen.
Die Mannschaft als System
Zu einer Mannschaft gehören nicht nur die Spieler, sondern auch der Trainer und die Personen, die im Hintergrund agieren, wie Sportpsychologen, die medizinische Abteilung, weitere Funktionäre und Betreuer. Damit eine Mannschaft gut funktioniert und agiert, ist das Zusammenspiel der einzelnen Personen sehr wichtig und es braucht seine Zeit, bis jeder „seine Position“ gefunden hat.
Es gilt die Faustregel: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile.“ (Meier, 2020) Die einzelnen Spieler und der Trainer bringen jeder seine eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten mit, die in das komplexe System eines Teams mit einfließen. So entsteht auch eine Abhängigkeit zwischen den einzelnen Spielern und dem Trainer, die sich gegenseitig aufeinander verlassen können müssen. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt innerhalb einer Mannschaft.
Zudem besitzt der Trainer in der Mannschaft die Funktion des Lehrenden, indem er seine Spieler unterstützt, sie korrigiert, ihnen verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufzeigt und sich intensiv mit ihnen austauscht (Meyer, 2011). Das gesamte Team ist leistungsorientiert und besitzt mit dem Trainer eine gute Führungsperson (Stoll et al., 2010). Verlässt der Trainer nun die Mannschaft, kann dies bedeuten, dass das Konstrukt gefährlich ins Wanken gerät, da eine wichtige Führungsperson wegbricht. Ein Kartenhaus würde sogar in sich zusammenfallen und muss neu angeordnet und errichtet werden, wenn eine Karte gezogen wird.
Die Folgen der emotionalen Bindung
Der Verlust des Trainers, mit dem die Spieler erfolgreich zusammengearbeitet haben, bedeutet nicht nur, dass der innere Aufbau des Teams instabil ist, sondern hat auch Auswirkungen auf die emotionale Bindung zwischen Trainer und Spieler. Schließlich zeigen zahlreiche Beispiele, wie der Trainer den Spielern sein Vertrauen schenkt und sie in ihren Fähigkeiten unterstützt, sodass sie sich sprichwörtlich für ihren Trainer „den Arsch aufreißen“, oder für ihn „durch’s Feuer gehen“ würden.
In einem Team ist das Gefühl der Zugehörigkeit und der Bindung des Einzelnen zur Gruppe sehr wichtig (Stoll et al., 2010). Zudem baut sich über die Zeit hinweg ein Vertrauen zwischen den Spielern untereinander auf. Der Trainer wird von den Spielern respektiert und ist eine der Anlaufstellen für Probleme und Sorgen der Spieler. Verlässt nun der Trainer die Mannschaft, wird ein Bestandteil des Teams entfernt, was Gefühle der Verwirrung und der Leere hervorrufen kann. Schließlich fungiert der Trainer auch als Bezugsperson. Aber nicht nur die Bindung zwischen den Spielern und Trainer wird beeinträchtigt. Es kommen außerdem psychische Auswirkungen auf die Spieler hinzu: Durch das Verlassen des Trainers fehlt die Verbundenheit der Gruppe, sodass die mögliche Leistung ggf. nicht mehr abgerufen werden kann. Zudem kann die Situation auftreten, dass sich die Spieler unbewusst mehr in ihre Komfortzone zurückziehen und ihre optimale Körperspannung verlieren, was ihre Bereitschaft und Fähigkeit beeinflussen kann, “alles zu geben“. Dies kann sich letztendlich auch auf ihre Treffsicherheit auswirken, was das Beispiel von Mönchengladbach in den Wochen nach der Bekanntgabe des Trainerabgangs zeigt. Dieser Prozess wird dem einzelnen Spieler tatsächlich nicht unbedingt bewusst sein. Fest steht: Wechselt der Trainer, besteht die Gefahr, dass die emotionale Bindung und die Möglichkeit die Leistung abzurufen beeinträchtigt wird. Ebenso kann es im Einzelfall aber auch passieren, dass Kräfte freigesetzt werden und eher „die Sektkorken knallen“, wenn ein in der Mannschaft eher unbeliebter Trainer seinen Weggang verkündet.
Fazit
Zusammenfassend wird offensichtlich, dass ein Trainer für viele Bereiche elementar wichtig ist und dass ein Verlust des Trainers schwerwiegende Folgen für die Mannschaft haben kann.
Dieser Prozess der Abnabelung von einem Trainer sollte deshalb idealerweise sportpsychologisch begleitet werden. Eine frühzeitige Bekanntgabe sollte aus sportpsychologischer Sicht gut überlegt und vorbereitet sein.
Literaturverzeichnis
Meier, N. (2020). Kompendium Coaching & Teamcoaching. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-89644-624-4
Meyer, T. (2011). Sportpsychologie – Die 100 Prinzipien: Nachschlagewerk für Trainer, Betreuer und Athleten. Copress Sport.
Stoll, O., Alfermann, D. & Pfeffer, I. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Psychologie-Lehrbuch. H. Huber.
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