In seinem ersten Jahr als Streakrunner hat Prof. Dr. Oliver Stoll mit uns jeweils monatlich seine Selbsterfahrung des Täglichlaufens geteilt. Die Serie war ein echter Erfolg. Mit etwas Abstand ist unser laufverrückter Professor auf die Idee gekommen, seine Erfahrungen aus dem Jahr 2018 mit etwas Abstand noch einmal angewandt sportpsychologisch zu analysieren. Daraus entsteht ein Buch, welches Ende des Jahres 2020 veröffentlicht werden wird, und aus dem wir hier exklusiv einen Auszug veröffentlichen dürfen.
Zum Thema: Streakrunning aus sportpsychologischer Perspektive
Hinweis: Der folgende Auszug bezieht sich auf den folgenden Blogbeitrag vom 7. Februar 2018. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, genau diesen noch einmal zu überfliegen:
Warum macht man so etwas? Und welches Menschenbild könnte hinter so einer Entscheidung stecken, jeden Tag mindestens eine Meile zu laufen? Schnell führen diese Gedanken zum Thema Motivation und der gar nicht so einfach zu beantwortenden Frage, „Wie Motivation eigentlich entsteht?“
Immer ausgehend vom „kognitivistischen Ansatz“ entsteht Motivation immer dann, wenn ein Motiv auf den richtigen Anreiz trifft. Motive sind sogenannte „überdauernde Wertungsdispositionen“. Dahinter versteckt sich eigentlich nichts anderes als „Sachen in unserem Leben, die uns wichtig sind und die unser Handeln veranlassen”. Das ist eine Grundvoraussetzung, aber da fehlt immer noch der richtige Anreiz. Wenn ich nun so in meine sportliche und berufliche Vergangenheit zurückschaue, dann stelle ich fest, dass „Leistung“ für mich immer eine wichtige Komponente in meinem Leben war. Ich wäre ansonsten nie im Leben 1988 auf Hawaii beim Ironman oder 2014 in Biel beim 100 Kilometer Laufen gelandet. Ganz sicher wäre ich ansonsten auch nicht Professor geworden, denn auch dieser Weg ist lang, steinig und hart.
Smarte Ziele in praktischer Anwendung
Trifft also der richtige Anreiz auf ein dominierendes Motiv, dann hätten wir eine gute Ausgangslage für leistungsmotivierendes Handeln. Jeden Tag laufen! Ist das eine „Leistung“? Darüber lässt sich trefflich streiten. Das hängt immer vom Standpunkt des Betrachters ab. Für jemanden wie mich, der in seinem Leben schon die eine oder andere wirklich anspruchsvolle, sportliche Leistung gezeigt hat, könnte das eventuell eine spannende Erfahrung werden, aber handelt es sich dabei (für mich) wirklich um eine Leistung? Für einen Couch-Potato, der in meinem Alter, außer in der Schule nie wieder Sport getrieben hat, für den wäre diese eine Meile pro Tag sicher eine Leistung (zumindest in den ersten beiden Monaten). Aber ist Streak-Running für mich, der tief im Herzen leistungsmotiviert handelt, tatsächlich das Richtige?
Wenn dem so wäre, dann habe ich im Februar 2018, also im zweiten Streak-Monat genau das richtige gemacht. Ich habe versucht, mir realistische und objektivierbare Ziele gesetzt. Ich habe versucht, einen zeitlichen Verlauf zur Erreichung von Zwischenzielen einzubauen. Und ich habe interindividuelle und intraindividuelle Vergleiche durchgeführt, dass heißt ich habe meine aktuelle Laufleistung mit der Leistung anderer verglichen und ich habe meine aktuelle Laufleistung mit Leistungen aus meiner Vergangenheit verglichen, um eben dieses “Streak-Running“ objektiv einzuordnen. Das nennt man eine SMARTe Zielsetzung, die vor allen Dingen dazu dient, leistungsmotiviertes Handeln aufrecht zu erhalten. Dazu gehört im Übrigen auch das, was wir in der Psychologie „Selbstmanagement-Fähigkeiten“ nennen. Dahinter verbirgt sich die Fähigkeit, Situationen, die einem im Alltag besonders wichtig sind, schon am Abend vorher zu antizipieren, bewusst zu planen und diese Handlungsplanung auch ständig wieder zu aktualisieren. Auch das habe ich im Februar in meinen „Tagesablauf“ eingebaut.
Auf dem Weg zu einer neuen Motivstruktur
So wie es also im Februar 2018 ausgesehen hat, war ich in dieser Zeit, bezogen auf das Täglichlaufen noch immer eher leistungsmotiviert unterwegs, jedoch scheint sich schon im zweiten Monat eine Veränderung in meiner Motivstruktur anzudeuten. Man findet in der Beschreibung solche Begriffe wie „entspanntes Laufen“ und “intensive Sinneswahrnehmung“. Man liest es sogar schon in der Überschrift zum Monat: „Grenzenlose Gelassenheit“. Es ist zwar nicht so, dass eine entspannte Laufeinheit oder eine besondere Sinneswahrnehmung gleich mit leistungsmotiviertem Handeln komplett kollidiert, aber sollte sich solche Wahrnehmungen im weiteren Verlauf manifestieren, könnte man das als einen „Sinneswandel“ interpretieren, was – außer in unserer Pubertät – nicht wirklich oft vorkommt. Seien wir also gespannt, wie es weiter geht.
Auf seiner Facebookseite freut sich Prof. Dr. Oliver Stoll über Feedback und Anregungen. Kontakt könnt ihr auch über seine Profilseite aufnehmen: https://www.die-sportpsychologen.de/oliver-stoll/
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