Thorsten Loch: Sportpsychologie im eSport – Nur etwas für die Elite?

Vor gut drei Jahren stellte ich eine gewagte Gleichung auf. Haben die angewandte Sportpsychologie und der eSport einen kleinsten gemeinsamen Nenner und lässt sich hieraus ein neues Arbeitsfeld finden? Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, machte ich mich damals auf den Weg nach Berlin, um der Eröffnung des ersten eSports Leistungszentrum (ELZ) der Organisation Penta Sports beizuwohnen. Was ist aber seither passiert? Gehört die Sportpsychologie für alle eSportler so selbstständig dazu wie die bestmögliche Sitzposition oder die optimierte Ernährung?

Zum Thema: Die Etablierung der eSportpsychologie 

Der eSport ist mittlerweile zu einem regelrechten Volkssport gewachsen. Nach Schätzungen verfolgen weltweit rund 380 Mio. Menschen gelegentlich eSport-Spiele. Alleine in Deutschland wird diese Basis der Zielgruppe eSportler auf knapp 6,4 Mio. geschätzt. Davon spielen rund 3 Mio. selber aktiv am PC, der Konsole oder am Handy und schauen mindestens einmal im Monat eSport-Spiele an (vgl. Newzoo, 2018: Global eSport Market Report 2018). 

Zieht man den Vergleich zu den klassischen Sportarten wie Leichtathletik oder Fussball so hat sich der eSport äußerst schnell entwickelt und professionalisiert. Wie so häufig findet die Professionalisierung bislang leider nur an der Leistungsspitze statt. Außerhalb dieser Spitze besteht weiterhin Nachholbedarf. Viele ambitionierte Hobby-eSportler trainieren nur innerhalb des Spiels. Hier sind mehrere Stunden spielen am Tag keine Seltenheit. Getreu nach dem Motto: „Viel hilft viel!“. Das dies keine positiven Auswirkungen auf die Gesundheit hat, ist einleuchtend. Die Problematik besteht darin, dass im Vergleich zum Fussballer, der in seinem Verein eine klassische Laufbahn über unterschiedliche Kader bis hin zum Profi durchlaufen kann, im eSport bislang noch Strukturen fehlen, die eine solche Unterstützung bieten. Dies hat die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Froböse von der Sporthochschule Köln erkannt und das Projekt esportwissenschaft.de ins Leben gerufen. Das übergeordnete Ziel ist es, dass Trainings- und Gesundheitsverhalten von eSportlern zu analysieren, um es anschließend zu optimieren. In diesem Zusammenhang wurde im vergangenen Jahr eine Onlinebefragung mit über 1.200 Teilnehmer durchgeführt. Die Ergebnisse können unter dem folgenden Link eingesehen werden:

Link: https://www.esportwissen.de/wp-content/uploads/2019/01/eSportwissen.de-eSport-Studie-2019.pdf 

Wettkampfalltag eines eSportlers

Wie wir gesehen haben, schreitet die Entwicklung des eSports immer weiter voran. Dies hat zur Folge, dass die Leistungsdichte an der Spitze ebenso immer enger wird und es auf Nuancen ankommt, welche am Ende des Tages über Sieg oder Niederlage entscheiden. An dieser Stelle bietet ein sportpsychologisches Training dem eSportler die Möglichkeit, u.a. sein Potential auszuschöpfen, wenn es drauf ankommt. Im Wettkampf, wenn es wichtig ist und nicht im Training. 

Doch was sind die psychischen Anforderungen an einen eSportler? Was sind für das jeweilige Spiel typische Situationen, in denen man aus seiner Zone kippt? Mit den Erfahrungen aus der Praxis sollen im Folgenden exemplarisch ein paar Konstellationen genannt werden, mit welchen Emotionen eSportler zu tun und zum Teil zu kämpfen haben. Jeder Leser und Spieler ist dazu eingeladen, sich sein eigenes Verhalten einmal genau anzuschauen, wenn er spielt. Und ganz ehrlich: Auch ich finde mich durchaus in der einen oder anderen Situation selbst wieder 😉

Beispiel FIFA Bundesliga Home Challenge

Gerade zuletzt gewinnt der eSport noch einmal zusätzlich an Aufmerksamkeit. Denn als eine Reaktion auf die Corona-Krise wird die sogenannten „Bundesliga Home Challenge“ ausgetragen. Dieser Wettbewerb geht in keine offizielle Wertung ein. Jener Wettkampf wird derzeit anstelle der Virtual Bundesliga (VBL) ausgetragen, welche aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus pausiert. An dem vergangenen Spieltag konnte man durchaus erahnen, dass der ein oder andere Teilnehmer mit den folgenden Situationen zu kämpfen hatte. Hier einige Beispiele, die viele von uns sicher bestens aus dem eigenen Verhaltensrepertoire kennen: 

  • Umgang mit Fehlern (z.B. Fehlpässen oder Gegentor): Frustration; Leistung fällt weiter ab, Controller fliegt
  • Frucht vor dem Unbekannten: Was ist, wenn ich jetzt verliere? Was denken die Zuschauer von mir?
  • Umgang mit Misserfolg (z.B. eine hohe Niederlage): Wie geht man in das nächste Spiel? Selbstbewusst ja/nein?
  • Rückstand am Spielende: Bleibe ich bei meinem Spielstil treu (welchen ich drauf habe) oder verliere ich die Kontrolle und spiele drauf los?
  • Wie meldet sich der kleine Mann im Ohr zu Wort, wenn das Spiel nicht nach der gewünschten Vorstellung verläuft? Selbstgespräch
  • Ist der 11er wirklich immer eine Belohnung für mich oder habe ich Angst nicht zu treffen? Konsequenzdenken

Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass natürlich nicht jeder so reagiert bzw. reagieren wird. Jeder eSportler erlebt die spezifischen Anforderungssituationen in einem Wettkampf völlig unterschiedlich und reagiert individuell. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich jeder in der einen oder anderen Situationen wiederfinden kann. An diesem Punkt setzt die angewandte Sportpsychologie an.

Thorsten Loch

Sportarten: Fußball, Badminton, Leichtathletik, Sportschießen, Karate, Skateboarding, eSport

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Fazit

Der eSport und insbesondere der wettbewerbsorientierte eSport verfolgt weiter seinen Erfolgsweg und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Die Anforderungen an den eSport (bspw. Vereine, Verbände, usw.) als auch an den eSportler selbst werden weiter wachsen. Dies hat zur Folge, dass dem eSportler – genauso wie dem vermeintlich „normalen Sportler“ – Strategien mit an die Hand gegeben werden bzw. Kompetenzen vermittelt werden müssen, um mit der resultierenden Belastung eines Wettkampfsportlers adäquat umgehen zu können (Stichwort: psychische Gesundheit als Grundvoraussetzung für Leistung). 

An diesem Punkt müssen noch viele Hindernisse überwunden und Wegstrecken zurückgelegt werden, damit die verschiedenen Fachrichtungen (bspw. Sportwissenschaft, Ernährungslehre, Physiotherapie usw.) ein geeignetes Bild eines eSportlers mit all seinen Facetten erstellen können. Ich persönlich freue mich sehr darauf und stelle wiederum wie wir alle in der Sportpsychologie fest, dass das Interesse an uns vorhanden ist und weiter wächst. Also, liebe eSportler, Coaches oder auch Eltern: Meine Kollegen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Thorsten Loch) stehen euch für alle psychologischen Fragen gern zur Seite, nehmt Kontakt auf! 

Übrigens, unten ist mein Beitrag vom Besuch im Penta Sports ELZ aus dem Jahr 2017 verlinkt. Schaut gern noch mal rein:

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