Dr. René Paasch: Warum sich Trainer gerade jetzt um ihre Gesundheit kümmern sollten

Der Bund Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) fordert in einer Pressemeldung auf seiner Internetseite, dass sich die Bundesliga-Vereine um die Gesundheit ihrer Trainer kümmern sollen. BDFL-Präsident Lutz Hangartner: „Es ist die Fürsorgepflicht der Clubs, nicht nur bei den Spielern auf diese Dinge zu achten, sondern auch bei den Trainern. Man müsste eigentlich jeden einzelnen Verein fragen, ob er die Untersuchungen, die bei Profis permanent durchgeführt werden, auch bei den Trainern macht.“ (www.bdfl.de, Zugriff am 11.02.2020). Die Realität sieht häufig anders aus, sei es im Profi- oder im Amateurfussball. Doch woher kommt dieser Erschöpfungszustand und wie kann dieser vermieden werden?

Zum Thema: Die Regenerationsfähigkeit von Trainern fördern

Der dauerhafte öffentliche Druck durch Medien, Funktionäre, Sponsoren sowie durch die Fans, genauso wie der (eigene/fremde) Erfolgsdruck innerhalb des Vereins wiegen schwerer, je höher die Liga angesiedelt ist. Umso wichtiger sind daher individuell angepasste Regenerationsmaßnahmen. In der (Sport-) Psychologie unterscheidet man zwischen Belastung, Beanspruchung und Erholung. Belastungen sind objektive, von außen auf den Trainer einwirkende Größen. Beanspruchungen sind die subjektiven Folgen davon. Als Erholung bezeichnet man generell den Vorgang, wenn sich ein biologischer Organismus nicht nur nach einer anstrengenden Tätigkeit, sondern auch nach Verletzungen oder Krankheiten durch eine Ruhephase wieder regeneriert und zu Kräften kommen kann. Die Beanspruchung und die Erholung sind zwar unabhängig voneinander und doch interagieren sie stetig miteinander. Wenn man also eine bestimmte Erholungsanforderung hat und diese erfüllt, reduziert sich der Beanspruchungszustand. Gelingt dies über eine längere Zeit hinweg nicht, kann dies zu einer Erschöpfung führen. Nachhaltige Erholung verhindert somit teilweise die Summierung von Beanspruchung. Trotz allem kommt es darauf an, wie ein Trainer mit diesen Belastungen umgeht und welche Ressourcen ihm als Ausgleich zur Verfügung stehen (vgl. Kellmann & Beckmann, 2018). 

Eine Studie von Kellmann, Altfeld und Mallett (2016) mit Trainern des Australian Rules Football zeigte, dass die Beanspruchung im Verlauf einer Saison im tolerierbaren Bereich lag, jedoch zu Beginn der Saison die soziale und körperliche Erholung abnahm und anschließend unter einem empfohlenen Wert lag. Altfeld und Kellmann (2015) fanden zudem heraus, dass bei hoch beanspruchten und wenig erholten Trainern deutlich höhere Burnout-Werte auftraten; demgegenüber schienen niedrig beanspruchte und hoch erholte Trainer am wenigsten Burnout gefährdet zu sein. Schauen wir uns die Erholung ein wenig näher an. 

Dr. René Paasch

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Hockey, Eishockey, Tennis

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Aktive, passive oder pro-aktive Erholungsmaßnahmen 

Erholung kann aktiv, passiv oder pro-aktiv stattfinden: Die aktive Erholung setzt dabei auf Verfahren wie beispielsweise der Gang zum Sportstudio, Essen und Trinken, Entspannungsmethoden wie bspw. PMR/AT oder lockeres Ausradeln. Passive Erholung umfasst dabei zum Beispiel den Besuch im Wellnesstempel und die damit verbundenen Saunagänge, Kneippsche Güsse und Massagen. Pro-aktive Erholung beschreibt einen selbst initiierten Prozess (bspw. ein langersehntes Treffen mit der Familie und Freunden, ein besonderes Buch lesen, das Lösen von Streitigkeiten u.v.m.). So kann der selbst durchgeführte Ausgleich, den Schwierigkeiten des Alltags entgegenwirken. Wichtiger als einen ungünstigen Erholungs-Beanspruchungszustand festzustellen und Gegenmaßnahmen einzuleiten ist es jedoch, einen solchen Prozess frühzeitig zu erkennen. Aus diesem Grund wurde der Burnout-Präventions-Fragebogen für Trainer entwickelt. Dieser kann dem Trainer helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen und entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen. Fünfzehn Skalen zu je vier Items erfassen die Höhe der Beanspruchung im Trainerberuf des jeweiligen Probanden innerhalb der letzten 14 Tage. Näheres dazu kann Ihnen eine Kollegin oder ein Kollege aus unserem Netzwerk (zur Übersicht) oder ich (zum Profil von Dr. René Paasch) erklären. 

Ein weiterer wichtiger Faktor in der Regeneration ist die Ernährung. Eine abwechslungsreiche, vollwertige Ernährung, ballaststoffreich sowie vitamin- und mineralstoffreich ist zu diesem Zweck zu empfehlen. Dies nur am Rande. Vielmehr möchte ich Ihnen eine weitere sehr interessante Methode vorstellen, die meines Erachtens, die Trainergesundheit unterstützen kann.  

Musik 

Musik prägt uns von Geburt an, berührt uns im tiefsten Inneren und kann uns zu Höchstleistungen treiben. Nicht nur das! Musik beeinflusst das menschliche Gehirn. Sie verändert nicht nur unsere Gehirnströme, sondern harmonisiert auch unsere beiden Gehirnhälften. Sie senkt die Herzfrequenz und den Blutdruck, beruhigt die Atmung und reduziert Stresshormone. Dass Töne zu Musik werden, ist das Verdienst einer enormen Analyseleistung des Gehirns: Es ordnet mühelos ein kompliziertes Gemisch aus Schallwellen einzelner Instrumente und Stimmen zu und erkennt darin musikalische Phrasen und Motive. Diese Leistung wird nicht von einem spezialisierten “Musikzentrum” vollbracht, vielmehr arbeiten hier verschiedene Areale des gesamten Gehirns zusammen. 

Doch so breit und so vielfältig die Wirkung von Musik auch ist, so schwer fällt es mitunter, mit solchen Möglichkeiten reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen und daraus feste Angebote abzuleiten. Dennoch möchte ich Ihnen ein interessantes Konzept „Schallpause“ empfehlen, was sich in der Praxis bewährt hat. Näheres dazu finden Sie hier:

Link: https://www.schallpause.de/#!/funktionsweise

Fazit

Eine hohe zeitliche Beanspruchung ist grundsätzlich nicht schlimm, solange ein Trainer weiß, wie er sich wieder erholen kann. Er kann seine psychische Gesundheit erhalten, indem er die individuellen Erholungsmaßnahmen einsetzt, von denen er weiß, dass sie für ihn entlastend wirken. Dabei können Ihnen das Konzept von „Musik/Schallpause“ und erholungsrelevante Phasen (Sommer- und Winterpause) behilflich sein. Es ist sehr wichtig, langfristig wirksame Ressourcen aufzubauen, von denen die Trainer zehren können. 

Mehr zum Thema:

Literatur 

Altfeld, S. & Kellmann, M. (2015): Are German Coaches Highly Exhausted? A Study of Differences in Personal and Environmental Factors. International Journal of Sports Science & Coaching, 10, 637-654.

Altfeld, S., Schaffran, P., Sulprizio, M., Kleinert, J. & Kellmann, M. (2016): Dem Ausbrennen vorbeugen: Welche Faktoren Trainer bedrohen und wie sie sich schützen können. Leistungssport, 46(5), 35-40. 

Kallus, K. W. (2016): RESTQ-Basic: The General Version of the RESTQ. In K. W. Kallus & M. Kellmann (Eds.), The Recovery-Stress Questionnaires: User Manual (pp. 49-85). Frankfurt am Main: Pearson Assessment & Information GmbH.

Kellmann, M., Altfeld, S. & Mallett, C. (2016): Recovery-Stress Imbalance in Australian Football League Coaches: A Pilot Longitudinal Study. International Journal of Sport and Exercise Psychology, 14, 240-249.

Kellmann, M. & Beckmann, J. (Hrsg.). (2018): Sport, Recovery and Performance: Interdisciplinary Insights. Abingdon: Routledge.

Meyer, T.; Ferrauti, A., Kellmann, M. & Pfeiffer, M. (2016): Regenerationsmanagement im Spitzensport. REGman – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen. Köln: Sportverlag Strauß

Meyer, T. (2010): Regeneration im Leistungssport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 61, 127-128

Internet: BDFL- Gesundheit hat oberste Priorität: https://www.bdfl.de/bdfl-aktuelles/nachrichten/396-gesundheit-hat-oberste-prioritaet.html. (Zugriff am 11.02.2020)

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