Todesfälle im Sport gehören nicht zum Alltag. Wenn solche Extremsituationen auftreten, – sei es in einem Wettkampf oder im Training, aufgrund eines Unfalls in der Freizeit oder in Folge einer Krankheit – stößt das System Sport an seine Grenzen. Menschliche Grenzen. Dieser Text soll im Umgang mit Todesfällen helfen.
Zum Thema: Trauerarbeit im Sport
In der Regel sind unmittelbar negative Reaktionen auf den Tod, also das Empfinden von Trauer, diskutabel und erfahren öffentlichen Ausdruck, auch durchaus ungefilterte Emotionalität. Aber für den Sport gilt ähnlich wie für die Welt außerhalb des Sports: Trauer werden scheinbar Grenzen gesetzt, Betroffenheit wird durch unerklärbare Maßstäben durch Maßeinheiten wie Zeit, Rationalität und Optimismus portioniert. Irgendwann ist genug, wir wollen nicht mehr darüber reden, es uns anhören oder daran erinnert werden, der gesunde Schutzmechanismus schaltet sich ein. Dieses hilft uns, weiter zu gehen, den Sinn und Freude am Leben wiederzuentdecken. Es erinnert uns, dass Gedanken nur Gedanken sind, veränderbar und unter Eigenregie, d.h. es besteht fortwährend die Möglichkeit, einfach nicht mehr daran zu denken. Doch so einfach ist das alles nicht.
Aus der neuen Trauerforschung wissen wir, die einheitliche Limitierung trügt: Wir erleben Trauer verschieden intensiv, verschieden lang und verarbeiten negative Verlusterfahrungen entsprechend individuell – vor allem absolut losgelöst von der Außenperspektive und somit von den oben genannten Schutzmechanismen anderer aber auch eigener. Das Trauermodell der 1970er Jahre postuliert Trauerphasen: diese können variieren, folgen keiner Reihenfolge, keiner zeitlichen Abfolge oder Zeitangaben. Somit gibt es für Trauer eigentlich keine Gebrauchsanweisung. Einige brauchen etwas länger, bis sie den Verlust realisieren, manche länger, bis ihre heftigen Gefühle, Wut, Zorn Angst einer Akzeptanz weichen und wiederum andere können schnell den Blick in die Zukunft richten. Doch Phasenmodelle suggerieren zwangsläufig eine Notwendigkeit von Abläufen. Interventionen, Therapien und wohlgemeinter Rat lassen nicht lange auf sich warten. Auch der Trauernde denkt irgendwann, jetzt müsste die nächste Phase eintreten oder es stimmt mit einem etwas nicht.
Dr. Rita Regös
Sportpsychologin, Mental Trainerin
Sportarten: Eisschnelllauf, Short Track, Ski Alpin, Snowboard, Eiskunstlauf, Kanuslalom, Judo, Schwimmen, Gras Ski, Pistole, Bogenschießen, u.a.
Kontakt:
+43 (0)650 7399721
r.regoes@die-sportpsychologen.at
Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/ritaregoes/
Neue Forschungsansätze
Auch wenn neue Forschungsansätze die Resilienz, als eine Art natürliche Selbstheilung in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken und Trauerbegleitung als Ausnahme titulieren, verunsichert uns nicht nur Trauer oder der Umgang mit trauernden Personen, sondern auch das Thema an sich. Ein üblicher Teufelskreis, der aus einer unbehaglichen Unsicherheit entsteht: Weil wir es nicht thematisieren, wissen wir nicht, wie wir uns verhalten sollen und wenn wir in die Situation geraten, wollen wir es deswegen schnell hinter uns bringen.
Dabei bieten einige wenige Gedanken im Vorfeld, Sicherheit für Trainer und der Mannschaft bei und nach Unfällen im Miteinander und auch die Möglichkeit Ereignisse gemeinsam zu verarbeiten. Diese Gedanken sind durchaus pragmatisch, weil dies in der unsicheren Situation eine adäquate Stütze ist aber auch empathisch und verständnisvoll wirkt, weil – weil wir eben unterschiedlich sind. Hier eine Übersicht.
Akutphase
- Nach der Erstversorgung bei Unfällen holt man die Mannschaft zusammen, der Trainer gibt klare Informationen über die Geschehnisse – Jeder darf reden!
- Wird der Wettkampf fortgesetzt, sorgt er für die Normalisierung des Ablaufs.
- Im Todesfall wird die Gruppe abgeschirmt, zum Beispiel in der Kabine, und es wird für den sicheren Heimweg oder Fahrt in die Unterkunft gesorgt, bei Minderjährigen Athleten werden die Eltern verständigt.
- Die Möglichkeit für Fragen und Reden soll zu jedem Zeitpunkt bestehen.
Vorbereitung nächster Schritte
- Nach der Akutphase bzw. bevor die Gruppe auseinander geht, sollte ein erstes Treffen vereinbart werden, um die Möglichkeit zu bieten, die Ereignisse gemeinsam zu besprechen und so ein Stück weit zu verarbeiten.
- Bei diesem heißt es erneut: Jeder darf reden und erzählen, muss aber nicht.
- Hier bietet sich an, über die Besuchsmöglichkeiten im Krankenhaus oder das Begräbnis zu informieren, oder zu evaluieren, ob die Mannschaft für eine Verabschiedung gemeinsame Pläne hat.
Die ersten Trainingseinheiten danach…
- Bei den ersten Trainingseinheiten soll Zeit und Möglichkeit geboten werden, über die Ereignisse und das Befinden der Athleten zu reflektieren, vielleicht über das eigene ebenso. Denn Authentizität ist in unsicheren Situationen eine große Hilfe. Ein kurzes Gespräch vor dem Training reicht aus, um niemanden zu überrollen, in dem zu schnell in den Alltag gewechselt wird. Aber das Training signalisiert auch die Notwendigkeit, Strukturen beizubehalten, den Trainingsbetrieb aufrechtzuerhalten.
Hilfe für Trainer
- In solchen Ausnahmesituationen ist der Trainer stark gefordert und beansprucht: „Ihr müsst es nicht alleine schaffen“. Holt Euch Unterstützung im Verein oder Verband oder externe professionelle Hilfe, ein Kriseninterventionsteam.
- Aber vor allem vergisst nicht: Die Verantwortung für eine Gruppe ist kein Schutzschild gegen Verlusterfahrung und gegen Gefühle – auch Euch steht es zu, mit einer Vertrauensperson zu reflektieren, wie es Euch geht!
Tragische Ereignisse verschwinden nicht über Nacht, nicht aus dem Gedächtnis und nicht aus Gesprächen. Und, wir alle gehen damit absolut verschieden um!
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