Ein kürzlich in der NZZ am Sonntag publiziertes Interview mit Roger Federer lässt seine Fans aufhorchen. Der Tennis-Maestro spricht darin von seinem aktuellen Engagement als Neu-Investor in der Laufschuh-Branche, nennt Fashion auch seine (neue?) Passion und äussert dabei Gedanken zu seinem Karriereende. Advantage Federer?! Verschafft sich der Schweizer-Tennisstar auch im Übergang in seine nachsportliche Berufskarriere einen psychologischen Vorteil? Wäre dieser auch auf andere Karriereübergänge nutzbar?
Zum Thema: Der Umgang mit dem Karriereende
Schon häufig wurde medial die Frage nach Roger Federers Rücktritt gestellt. Mit seinem jüngsten „Deal“ als Investor bei einem Zürcher Laufschuh-Start-up nährt er die Gerüchte um einen baldigen Übertritt in seine nachsportliche Karriere. Mit dem in den vergangenen Jahren erschaffenen Geschäftsimperium und seiner Marker «RF» im Rücken scheint dieser Schritt ein leichter zu werden. Insider vermuten zudem, dass Federer nach seiner Tennis-Karriere wirtschaftlich noch erfolgreicher sein wird.
„Es reizt mich, mit einem jungen Schweizer Unternehmen zusammenarbeiten zu können, das auf dem Sprung ist“, wird Federer in der Schweizer Illustrierten zitiert. Ein besseres Sinnbild für eine leichtfüssige Transition lässt sich kaum finden. Der letzte sportliche Applaus wird irgendwann verhallen, das Scheinwerferlicht indes dürfte weiterhin auf Roger Federer gerichtet bleiben.
Ungleiche Startbedingungen
Gänzlich anders präsentiert sich diese Lebensphase bei der Mehrzahl Schweizer SpitzensportlerInnen, die beim Abgang von der Spitzensportbühne von einer markanten Zäsur sprechen. Gemäss der Studie SPLISS (2011) verdient ein Schweizer Spitzensportler jährlich durchschnittlich 25’000.- Schweizer Franken – angesichts Federers Jahreseinkommens von rund 90 Mio. SFR ein Hohn. Häufig höre ich von Ex-Sportlern den Satz. „Das Ersparte reichte gerade mal, um ein paar Monate ohne Einkünfte zu überbrücken, mehr war da nicht!“
Der Rücktritt verlangt eine grundsätzliche Neuausrichtung der eigenen Existenz. Mitunter psychisch und physisch erschöpft von einer langen Sportkarriere empfinden viele im ersten Moment auch Erleichterung. Doch die ungewisse Zukunft angesichts mangelnder Perspektiven dämpft diese erste Euphorie. Das strukturierte Tagesprogramm, das soziale Netzwerk der Trainingsgruppe und die vielfältigen Emotionen fallen schlagartig weg. Was folgt ist eine „Durststrecke“, die nicht selten mit psychischen Problemen (Schlafstörungen, Depression, Angstzustände) einhergeht.
Ein gelingender Übertritt in die nachsportliche Karriere?
In einem Interview mit „10vor10“ des Schweizer Fernsehens wurde ich nach Beispielen von „guten“ und „schlechten“ Karriereübergängen angesprochen. Ich versuchte dem Journalisten klar zu machen, dass es einem Sportpsychologen nicht zustehe, von aussen betrachtet und in der Öffentlichkeit wertend sich mit einer persönlichen Einschätzungen in diese Diskussion einzubringen. Zudem dürften sich die angesetzten Kriterien zu einem gelingenden Karriereende deutlich unterscheiden, ob ich betroffene SportlerInnen oder einfach nur Zaungäste dazu befrage. Auf die Frage, ob und wie Roger Federer einen gelingenden Karriereübertritt schaffen könne, antwortete ich mit folgendem Statement: Aus den Medien entnehme ich, dass Roger Federer kompetenten Beratern das Vertrauen schenkt und in einem stabilen, auch familiär gebundenen sozialen Netzwerk grossen Rückhalt findet, das auch nach Beendigung seiner Karrieren weiter Bestand haben wird. Bemerkenswert finde ich sein Bestreben, eigene Leidenschaften auszuloten, Reizvolles kennenzulernen und Neues zu testen – wohl auch mit dem Ziel, ein hohes Level an Emotionalität und Herausforderung im zukünftigen Lebensalltag zu finden.
Dr. Hanspeter Gubelmann
Sportarten: Ski nordisch, Ski alpin, Leichtathletik, Bob, Skeleton, Judo, Eiskunstlauf, Tennis, Short Track, Kanu, Eishockey, Mountainbike, Schwimmen, Triathlon, Rhythmische Sportgymnastik u.a.
Kontakt:
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Was lehrt uns das Beispiel Federer?
Jenseits der Diskussion um „transferable skills“ – also um jene im Spitzensport erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zum Gelingen in der nachsportlichen Karriere (siehe: Dr. Hanspeter Gubelmann: «Mein Körper und Geist sind müde») zweckdienlich sein können – lassen sich aus dem Beispiel «Federer» einige Ideen und Ansätze für das sportpsychologische Coaching ableiten.
- Charakterzüge, Identität und Marke: Roger Federer charakterisiert sich auf seiner „Roger Federer Foundation“-Homepage mit folgenden drei Attributen: authentisch, bescheiden, loyal; und nennt als ein zu ihm passendes Zitat: „It’s nice to be important, but it’s more important to be nice!“ Seine Grundfesten zu kennen und diese zu pflegen, erachte ich als ausserordentlich wichtig!
- Be more than option in your life! Jeder Spitzensportler und jede Spitzensportlerin weiss, dass Spitzensport eine „Karriere auf Zeit“ bedeutet. In der Schweiz ist eine duale Karriere, die Verbindung von Spitzensport und einer weiteren beruflichen (Ausbildungs-)Tätigkeit, bei rund zwei Dritteln aller AthletInnen eine notwendige Tatsache. Swiss Olympic setzt auf eine frühzeitige berufliche Planung auch mit dem Ziel, sich bestmögliche Perspektiven für danach zu schaffen. Im Jahresverlauf stelle ich jedem Athleten einmal die Frage: Was würdest du machen, wenn heute Abend deine sportliche Karriere zu Ende wäre?
- Vertrauen, Stabilität und menschliche Nähe: Die Qualität eines gelingenden Karriereübertritts wird massgeblich von der Güte und Tragfähigkeit des sozialen Netzwerks bestimmt. Der menschliche Rückhalt stärkt den Ex-Sportler vor allem in Zeiten von Unsicherheit und Selbstzweifeln. Aus meiner Erfahrung ist das häufig der Moment, in welchem aus einer beruflichen Zusammenarbeit eine Freundschaft zwischen Sportler und Sportpsychologe entsteht.
- Emotionalität: Sport vermittelt Emotionen, er bietet eine faszinierende Bühne für Gefühlswelten. Sportliche Höchstleistungen werden aus einer unglaublich starken Emotionalität ihrer Akteure gespiesen. Der langfristige sportliche Erfolg eines Champions basiert letztlich auch auf seiner emotionalen Robustheit. Aus meiner Sicht ist es ein besonders reizvolles Unterfangen, diesen emotionalen Facetten einer neuen Passion zu Beginn einer nachsportlichen Karriere nachzugehen.
Interessante Studienergebnisse
Um es noch einmal zu betonen: Gemäss einer aktuellen Studie zu den gestellten Herausforderungen im Verlauf des Karriereübergangs (vgl. Küttel et al. 2018) scheinen die emotionalen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten und deren Überwindung von vorrangiger Bedeutung zu sein.
Für unsere Experten im Netzwerk (zur Übersicht) und mich (zum Profil von Dr. Hanspeter Gubelmann) ist der Karriereübergang ein wichtiges Arbeitsfeld. Gern helfen wir zwischen Hamburg, Wien und Zürich weiter.
Link zum 10vor10-Interview: https://www.srf.ch/play/tv/sendung/10vor10?id=c38cc259-b5cd-4ac1-b901-e3fddd901a3d
Online-Beitrag SRF: https://www.srf.ch/news/wirtschaft/roger-federer-co-wie-sportler-ihre-zukunft-planen?wt_mc_o=srf.share.app.srf-app.email
Link zum SRF-Online-Beitrag: https://www.srf.ch/sport/tennis/karriereplaene-nach-dem-tennis-federer-schlaegt-die-fashion-route-ein
Quellen:
Küttel, A., Boyle, E., Christensen, M. K., & Schmid, J. (2018). A cross-national comparison of the transition out of elite sport of Swiss, Danish and Polish athletes. Sport and Exercise Psychology Review, 14(1), 3-22.
https://www.baspo.admin.ch/de/dokumentation/publikationen/leistungssport-schweiz.html
https://www.swissolympic.ch/athleten-trainer/beruf-karriere/arbeit.html
https://www.rogerfedererfoundation.org/de/wer-wir-sind/organisation
Link zum 10vor10-Interview: https://www.srf.ch/play/tv/sendung/10vor10?id=c38cc259-b5cd-4ac1-b901-e3fddd901a3d
Link zum SRF-Online-Beitrag: https://www.srf.ch/sport/tennis/karriereplaene-nach-dem-tennis-federer-schlaegt-die-fashion-route-ein
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