Zuletzt habe ich in einem Blog-Beitrag herausgearbeitet (Link), dass ich der Sportpsychologie viel mehr Potential in der Dopingprävention zuschreibe als ihr in der Praxis eingeräumt wird. Denn meine Kollegen und ich sind durchaus in der Lage, einem Sportler in vertrauensvoller Arbeit dazu zu befähigen, in letzter Konsequenz zu einer Doping-Option Nein zu sagen. Aber auf dem Weg dahin stecken wir schon in einem Dilemma.
Zum Thema: Schweigepflicht auf der Probe
Wie hat der Sportpsychologe zu reagieren, dem ein Sportler von seinem Kontakt mit unerlaubten Substanzen berichtet? Bisher ist die Lage nicht ganz so eindeutig, wobei meine Position in den nächsten Absätzen hoffentlich deutlich wird. Bei der Recherche habe ich mich mit dem Gesetz sowie ethischen Richtlinien verschiedenster Verbände befasst. Der Bund Deutscher Psychologen (BDP) schreibt in seinen berufsethischen Richtlinien ganz richtig, dass „bei der Arbeit mit mehreren Klienten […] sehr unterschiedliche Interessen und Rechte bestehen, die berücksichtigt werden müssen“. Weiter heißt es jedoch auch über die professionelle Beziehungsqualität, dass „Psychologinnen und Psychologen […] bei der Arbeit mit direkten Klienntinnen bzw. Klienten innerhalb eines Dienstleistungsverhältnisses mit Dritten […] vorrangig im Interesse der direkten Klientinnen bzw. Klienten unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen aller Beteiligten[…]“ handeln.
Zentral und von großer Bedeutung für die Zusammenarbeit ist §203 StGB, der die Schweigepflicht betrifft. Auch unabhängig vom Strafgesetzbuch ist diese Schweigepflicht für die Zusammenarbeit mit Klienten äußerst bedeutungsvoll, da es bei der psychologischen Betreuung häufig um private und intime Details geht, die auch im engen Freundes- und Familienkreis nicht immer bekannt sind. Um also auf einer vertrauensvollen Basis mit Sportlerinnen und Sportlern zusammenzuarbeiten, ist ein gegenseitiges Vertrauen sehr wichtig. Wie soll dieses Vertrauen entstehen, wenn Athlet*innen nicht mit jeder Thematik auf mich zukommen können?
Ausnahmefälle
Natürlich gibt es auch vor dem Gesetz Straftaten, die angezeigt werden müssen. Diese sind in §138 StGB geregelt und umfassen bevorstehende Straftaten, wie z.B. die Vorbereitung eines Angriffskrieges, Mord und schweren Menschenhandel, Raub, räuberische Erpressung oder Brandstiftung. Zusammenfassend lässt sich also sowohl nach berufsethischen Richtlinien als auch nach §203 StGB sagen, dass der Sportpsychologe unter Schweigepflicht steht, außer das Gesetz sieht Ausnahmen vor.
Nicht zuletzt trage ich als Psychologe auch eine Fürsorgepflicht für die Gesundheit der Sportler*innen. Jedoch ist nicht geregelt, ob diese als höherrangiges Rechtsgut als das Schutzgut der Schweigepflicht anzusehen ist. Hinzu kommt, dass ein*e Athlet*in, die sich anvertraut, mit einem Anliegen und vielleicht auch mit einem Auftrag an mich heran tritt. Dieses Anliegen sollte für die auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit zentral sein und das gemeinsame Vorgehen bestimmen.
Nachfragen
Ich hoffe, dass meine Position deutlich geworden ist. Falls Nachfragen bestehen, beantworte ich diese gerne. Da ich mir sicher bin, dass dieses Thema von jeder Person etwas anders gesehen wird, freue ich mich auch über einen regen Austausch!
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Literatur:
Ehrnborg C., Rosén T. The psychology behind doping in sport. Growth Horm. IGF Res. 2009;19:285–87. doi: 10.1016/j.ghir.2009.04.003.
Elbe, A.-M. & Barkoukis, V. (2017). The Psychology of Doping. Current Opinion in Psychology, 16, 67-71. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2017.04.017
Kavussanu, M., Yukhymenko, M., Elbe, A. M., & Hatzigeorgiadis, A. (2019). ‘Integrating Moral and Achievement Variables to Predict Doping Likelihood in Football: A Cross-Cultural Investigation.’ Psychology of Sport and Exercise.
Lazuras, L. (2015). Social cognitive predictors of doping use: an integrative approach. Psychology of Doping in Sport, edited by Bakoukis, Lazuras & Tsorbatzoudis. Abingdon: Routledge.
https://www.bdp-verband.de/binaries/content/assets/beruf/ber-foederation-2016.pdf
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