Ole Fischer: Spielsucht im eSport

Der eSport Markt boomt – keine andere Sportart ist so schnell aus dem Boden geschossen und zu einem Multi Milliarden Dollar System geworden. Seit einiger Zeit werden allerdings Stimmen laut, die gegen die Vermarktung des eSports als solchen protestieren. Sie warnen vor den Gefahren der Spielsucht. In diesem Artikel beschäftige ich mich mit der Frage, ob es eine Spielsucht im eSport gibt, wer gefährdet ist und was Betroffene, Eltern und Freunde dagegen unternehmen können?

Zum Thema: Woran Spielsucht erkannt werden kann und wie Beobachter agieren sollten 

Vorab: Ist eSport wirklich ein Sport? Ja! Die Koalitionspapiere der aktuellen Regierung legen fest: eSport gilt in Deutschland als Sport und wird somit in Zukunft von Seiten des Staates gefördert. Prof. Dr. Froböse von der DSHS Köln bestätigt gegenüber dem SWR3, dass vor allem taktisches Denken, schnelle Reaktionsfähigkeit und Teamfähigkeit eSport zum Sport machen. Seit 2017 existiert der Dachverband ESBD (eSport-Bund Deutschland), welcher Regelwerke vereinheitlicht und professionelle Strukturen stärkt. 

Mehr Infos zu Ole Fischer: https://www.die-sportpsychologen.de/ole-fischer/

Man sollte als kritischer Sportbetrachter nicht vergessen, welche weiteren Interessen die Bundesregierung dazu bewegt haben könnten, den eSport so schnell wie möglich zu professionalisieren. Alleine im Jahr 2017 gaben die Deutschen 3,3 Milliarden Euro für Spiele auf Computern, Konsolen und Smartdevices aus. Die Umsatzbeteiligung der deutschen Videospielfirmen dabei betrug jedoch nur 5,4 %. 

Machen Computerspiele süchtig?

Ja! Laut einer Forsa-Umfrage (Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen) aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass 8,4% aller Jungen und Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren süchtig nach Computerspielen sind. Bei Frauen ist das Problem in derselben Altersgruppe mit 2,9 % etwas geringer ausgeprägt. Diese Spieler entwickelten eine Abhängigkeit, welche die Kontrolle über das Spielen verloren gehen lässt und in der Folge zu schwerwiegender Beeinträchtigung führt. Seit 2014 beschäftigt sich eine Expertengruppe der WHO mit dem Thema und bewirkte, dass die Computerspielabhängigkeit (Gaming Disorder) in die neueste Version der Internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD-11) aufgenommen wurde.

Wie erkenne ich die Anzeichen einer Sucht?

Hinweis! Eine Diagnose darf grundsätzlich nur von einem Psychotherapeuten gestellt werden. 

Die drei wesentlichen Kriterien laut ICD-11 sind: 

  1. Die Betroffenen erleben einen Kontrollverlust in Bezug auf das Ausmaß des Computerspielens.
  2. Das Spielen wird zur Priorität im Leben und verdrängt andere Interessen.
  3. Das Computerspielen erfährt eine Fortsetzung trotz Erlebens negativer Konsequenzen. Weiterhin ist für die Diagnose wesentlich, dass das Computerspielen zu Beeinträchtigungen in Funktionen des Alltags führt. 

Weitere Warnsignale für die Gruppe von suchtgefährdeten Spielern und ihr Umfeld sind: 

  • Zwanghaftigkeit: Positive Emotionen haben mit dem Erleben des Sports nur noch wenig zu tun, vielmehr ergibt sich das Gefühl etwas erledigen zu müssen (Zwang).
  • Toleranzentwicklung: Um Zufriedenheit zu erlangen verlangt es den eSportlern nach immer größerem Trainingsumfang (Dauer, Häufigkeit, Intensität).
  • Kontrollverlust: Die eSport Aktivität beginnt den Alltag zu bestimmen und der Spieler entscheidet nicht mehr selbst, wann er zum Spielgerät greift.
  • Körperignoranz-/missbrauch: Überlastungssignale (z.B. Augenflimmern, Augenliedzucken) werden ignoriert. Ruhezeiten für die Regeneration werden nicht mehr eingehalten.
  • Vernachlässigung sozialer Kontakte: Ein Punkt der häufig mit Suchterkrankungen einhergehen kann ist, dass es zu Konflikten innerhalb der Familie/der Partnerschaft kommt.
  • Entzugssymptome: Kann kein Sport ausgeführt werden, treten entzugsartige Symptome auf, welche sich emotional und körperlich äußern können. Festzustellen können sein: Depressionen, Gereiztheit, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden, um nur einige zu nennen.

#Darüberreden

Haben Sie das Gefühl es gibt jemanden in Ihrem Umfeld, der mit einer solchen Thematik Probleme hat? Sie würden ihn gerne darauf ansprechen, aber wissen nicht wie? Hier ein paar Tipps:

  • Wägen Sie ab, ob Sie für die Person eine Vertrauensperson sind. Wenn Sie nicht zu ihrem engeren Kreis gehören, verschließt sie sich womöglich Ihnen gegenüber noch mehr.
  • Sollten Sie sich eingestehen nicht zum Vertrauenskreis dieser Person zu zählen, suchen Sie eine Person, die dazu gehört und besprechen Sie das Thema vertraulich mit ihr.
  • Gehen Sie behutsam vor und geben Sie der Person den Freiraum dem Thema auszuweichen, niemand fühlt sich gerne in die Ecke gedrängt.
  • Zeigen Sie ihrem gegenüber im Gespräch Wertschätzung, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.

Was kann die Sportpsychologie für Sie tun?

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie oder ein Bekannter sich bereits in einer Suchtsituation befinden, wenden Sie sich gerne an Ihren sportpsychologischen Berater. Dieser wird mit Ihnen die Umstände besprechen und Sie gegebenenfalls an einen entsprechenden Psychotherapeuten seines Vertrauens verweisen. Als ersten Anlaufpunkt machen Sie damit alles richtig! 

Es gibt Sportpsychologen, die über eine therapeutische Ausbildung verfügen und damit auch berechtigt sind, eine Suchterkrankung zu diagnostizieren und zu therapieren. Bitte vergewissern Sie sich, dass Sie im Falle einer notwendigen Therapie bei einem entsprechend dafür ausgebildeten Therapeuten/Therapeutin sind. Bei weiteren Fragen zum Thema kontaktieren Sie gern meine Kollegen (zur Übersicht) oder mich persönlich (zum Profil von Ole Fischer).

Auch die Suchtberatungsstellen Ihres Bundeslandes können weiterhelfen. Sie finden diese hier: https://www.bzga.de/service/beratungsstellen/suchtprobleme/ 

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de