Jürgen Walter: Umgang mit Restrisiko

In führenden Unternehmen der deutschen Wirtschaft gilt in Sachen Sicherheit oft folgender Grundsatz: „Keine Arbeit kann so eilig und so wichtig sein, dass man sie nicht auch sicher ausüben kann. Das heißt: Wir arbeiten sicher oder wir arbeiten nicht- im Zweifelsfall hat Sicherheit Vorrang“. Sollte dieser Grundsatz nicht auch im Sport gelten? Kann der sportliche Erfolg so wichtig sein, dass Athleten*innen dafür ihre Gesundheit eventuell sogar ihr Leben opfert? In jüngerer Vergangenheit trugen gleich mehrere Sportarten Trauer.

Zum Thema: Wie Sportler lernen können, das Restrisiko zu kalkulieren, um mit dem Ergebnis arbeiten

Zuletzt hat es Todesfälle im Radsport (Bjorg Lambrecht) und im Boxen gegeben (Maxim Dadaschew, Hugo Alfredo). Lambert stürzte auf der 3. Etappe der 76. Polen- Rundfahrt, eingeleitete Reanimationsversuche blieben erfolglos. Aufgrund widriger Wetterbedingungen kam es zu einigen Stürzen, der des 22- jährigen Radprofis endete tödlich. 

Der Profiboxer Maxim Dadaschew erlitt während des Kampfes in Oxon Hill/USA schwere Verletzungen, sodass nach der 11. Runde der Kampf abgebrochen wurde. Trotz einer Notoperation und künstlichem Koma erlag der 28-jährige Boxer den Verletzungen. Aber ist es das wirklich wert? 

Hilfe zur Gefährdungsbeurteilung

Auch für Sportler gilt: Jeder kann sein Risiko im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung einschätzen, unter Zuhilfenahme von zwei Kriterien: 

  • 1. Wie wahrscheinlich ist der Unfall/der Gesundheitsschaden? 
  • 2. Wie schwer könnte der Unfall/die Gesundheitsschädigung sein? 

Jeder Sportler sollte hier sein Risiko abwägen. 

Im Risiko-Homöostase-Modell nach G.J.S. Wilde hängt das Eingehen des Risikos vor allem von zwei Faktoren ab. Dazu zählen der Faktor wahrgenommenes Risiko, welches aus der Informationsaufnahme über die Sportart resultiert (kognitiv) und der motivationale Faktor des angestrebten und akzeptierten Risikos. Daraus resultiert eine Entscheidung, die beide Faktoren in Einklang bringen soll. Dabei wird angenommen, dass es eine relativ konstante Risikoakzeptanz gibt. So geht man davon aus, dass erhöhte Sicherheitsmaßnahmen die Zielgröße des Risikos nicht unbedingt ändern. Schließlich können Verhaltensanpassungen (z.B. mehr Leichtsinn) als Reaktion auf sicherheitstechnische Verbesserung das Risiko gleich halten.

Mehr Infos zu Jürgen Walter: https://www.die-sportpsychologen.de/juergen-walter/

Der Einfluss von Dritten

Außerdem kommt es nicht ausschließlich auf eigenes risikoreiches Verhalten an, auch fremde Personen können einen entscheidenden Einfluss haben. Zweimalige Bahn- Olympiasiegerin Kristina Vogel prallte beim Training in Cottbus mit einem niederländischen Nachwuchsfahrer zusammen. Trotz mehrerer Operationen waren die Verletzungen so stark, dass sie nun querschnittsgelähmt ist. 

Die Formel 1 ist zuletzt von schweren Zwischenfällen verschont worden. Die Strecken sind sicherheitstechnisch optimiert worden, aber auch die Fahrer scheinen in Sachen der Beurteilung von sicherheits- und risikobewusstem und relevanten Fahrverhalten dazugelernt zu haben.

Vom Wingsuit-Fliegen bis zum Reitsport

Trotzdem zählt der Motorsport zu den gefährlichsten Sportarten der Welt, genauer gesagt: auf Rang 3. Die Liste wird angeführt vom Wingsuit-Fliegen. Die mit Abstand gefährlichste Sportart wurde bis 2013 von weltweit ungefähr nur 1000 Extremsportlern ausgeübt. Davon kamen knapp 50 ums Leben. 

Ebenso zählen Big-Wave-Surfing, Drachenfliegen, Reitsport, Tauchen, Radrennen, Klettern und viele Wintersportarten wie Ski Alpin zu sehr gefährlichen Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko und eben auch Sterberaten.

Unterstützung

Meine Kolleg*innen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Jürgen Walter) helfen gern, wenn es um die Einschätzung der Gefährdungsbeurteilung geht. Sollten in dem Zusammenhang Probleme entstehen können wir im Zusammenspiel zwischen Sportlern, Trainern und Eltern effektiv helfen.

Mehr zum Thema:

Literatur:

Wilde, G. J. S. (1988). Risk homeostasis theory and traffic accidents: Propositions, deductions and discussion of dissension in recent reactions. Ergonomics, 31, 441–468. 

https://wettbonus.net/top10-die-gefaehrlichsten-sportarten-und-sportevents-der-welt/

Views: 694

Jürgen Walter
Jürgen Walterhttp://www.die-sportpsychologen.de/juergen-walter/

Sportarten: Badminton, Basketball, Billard, Boxen, Dressurreiten, Eishockey, Eiskunstlauf, Fechten, Fußball, Golf, Handball, Klettern, Kunstturnen, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Radfahren uvm.

Düsseldorf, Deutschland

+49 (0)211 698 96 99

E-Mail-Anfrage an j.walter@die-sportpsychologen.de