Christian Hoverath: Wut und Ärger im Ausdauersport

Welcher Ausdauersportler kennt diese Erlebnisse und die damit verbundenen Emotionen nicht? Beim Schwimmen der kurze aber schmerzhafte Schlag in die Rippen: „Pass doch besser auf!“ Auf dem Rad dann jemand, dem das Windschattenfahrverbot erklärt werden muss: „Das sind doch nur sechs Meter, was soll das!“ Und beim Laufen hängt er dann auch direkt hinter mir und schnauft wie eine alte Dampflok: „Wenn du nicht mehr kannst, dann geh halt lockerer, das nervt!“ In allen Ausdauersportarten gehören solche besonderen Situationen zum Alltag. Dennoch müssen Sportler damit richtig umgehen, um nicht an eigener Leistung einzubüßen. 

Zum Thema: Die Kunst, mit Wut und Ärger richtig umzugehen

Doch wie kann ich als Sportler nun mit diesem Ärger umgehen, ohne dass er mir zu viel Energie raubt? Denn auch wenn Ärger und Wut energetisierende Funktionen haben, behindern sie eine effiziente Aufgabenbewältigung. Kognitive Prozesse werden desorganisiert und Reaktionen erfolgen impulsiv. Handlungen erfolgen quasi bevor der Athlet nachdenkt. Wut bindet zudem Aufmerksamkeit, welche dann für entscheidende Aspekte der Wettkampfgestaltung fehlen kann. So mag sich unser Athlet, der im Schwimmen zwei Mal von einem Kontrahenten „geschlagen“ wurde, so stark auf diesen zu seiner Linken fokussieren, dass er verpasst, wie sich rechts eine Gruppe auf und davon macht.

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Ärger hat auch die Funktion, dass wir dem Bild von uns besser entsprechen. Jemand, der wütend ist, möchte vielmehr als aufgeregt und handelnd wahrgenommen werden als ängstlich oder apathisch. Für Sportler gilt dies umso mehr, denn erstgenannte Attribute werden mit Stärke und Macht in Verbindung gebracht. Somit wird er eher zu Handlungen neigen, die Kraft kosten und in seinen Augen dem Kontrahenten schaden könnten. Dass diese Energie später fehlen kann, ist dem Sportler zu diesem Zeitpunkt aufgrund der kognitiven Reaktion nicht wichtig bis herzlich egal. Dabei ist der bekannte Ausspruch „Besinne dich auf deine Stärken“ oder auch „Der Klügere gibt nach“ mehr als nur eine Binsenweisheit. Ist es doch viel wichtiger in einen unaufgeregten Zustand zu kommen und dementsprechend handeln zu können.

Vorher Antworten zurechtlegen

Was hat dies nun für Konsequenzen? Zum einen geht es um die Steuerung der Gedanken.  Ursache für den Ärger und die damit aufkochende Stimmung ist häufig nicht unbedingt der Schlag selbst, sondern der Gedanke, dass der Kontakt mit Absicht erfolgte. Hier kann sich der Athlet klar machen, dass dem mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so war. Wie oft haben wir selbst im Gedränge nach dem Start schon einen anderen Schwimmer körperlich erwischt, ohne dass es Absicht war? Und haben nicht alle das Ziel, schnell nach vorn zu kommen und sich eine gute Position zu erschwimmen? Kann es im Startbereich nicht auch einfach passieren? Finden Sie am besten im Vorfeld ihre Antworten, die Sie dabei unterstützen, sich wieder auf ihren Rhythmus und ihr Ziel zu fokussieren. Denn, egal ob Sie ein unfaires Verhalten beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen wahrnehmen: Sie können an sich etwas verändern, den Gegner jedoch nicht. Also warum Gedanken und Kraft an ihn verschwenden? 

Zudem möchte ich wieder einmal nahelegen, wie wichtig funktionierende Selbstgespräche in schwierigen Situationen sind. Auch die oben beschriebenen Gedankengänge sind Selbstgespräche. Leider sind es nur nicht die positiven, die Sie dabei unterstützen, sich auf den Wettkampf zu konzentrieren. Im Fokus steht stattdessen dann der Zweikampf. Überlegen Sie sich am besten im Vorfeld schon, was Sie in diesen Situationen von Ihrem Trainer oder engsten Trainingskollegen hören möchten? Worauf sollen Sie sich konzentrieren? Wie sollen Sie mit der Situation umgehen? Was ist für ihr Wettkampfziel hilfreich? 

#Selbstgespräche

Schau dir die Texte an, die verschiedene Profilinhaber von Die Sportpsychologen zum Thema Selbstgespräche geschrieben haben.

Link: https://www.die-sportpsychologen.de/?s=selbstgespräch

Die optimale Leistungsfähigkeit

Natürlich ist es für Momente, die einen aufbringen und über die Zone der optimalen Leistungsfähigkeit hinausschießen lassen, gut, funktionierende Entspannungsmethoden zu besitzen, um sich wieder herunter regulieren zu können. Diese helfen zudem, Abstand zu nehmen und sich nicht im Ärger zu verfangen. Nur mit einem klaren Kopf hat man seine eigentlichen Ziele und die dafür nötigen Handlungen wieder fest im Blick! 

Hierzu empfehle ich: https://www.die-sportpsychologen.de/2016/08/22/thorsten-loch-was-alle-von-usain-bolt-lernen-koennen/

Ein bisschen aufwändiger, dennoch sehr erfolgversprechend, ist es, nach Trainingseinheiten und Wettkämpfen Situationen zu notieren, in denen man sich geärgert hat und wütend wurde. Daraufhin überlegt man sich, wie man reagiert hat und wie hilfreich diese Reaktion war. Anschließend findet man noch alternative Handlungsstrategien, um sein Verhaltensrepertoire und damit seine Antwort beim nächsten Mal besser steuern zu können. So lässt sich auch die Wahrnehmung von Wut trainieren. In der Folge können vorher eingeübte Strategien und Selbstgespräche perfekt eingesetzt werden. Vor dem Spaßvogel im Ziel zu sein, ist doch im Endeffekt viel wichtiger.

Tipp

Achten Sie auf Ihre Emotionen! Für Schwimmer ist zum Beispiel bekannt, dass die Stimmung einen direkten Einfluss auf ihre Wettkampfergebnisse hat und negative Stimmung mit schlechten Ergebnissen zusammenhängt (Samelko et al., 2018). Seien Sie erfolgreich, nicht verärgert! Denn am Ende möchten Sie sich doch über Ihr Ergebnis freuen, nicht ärgern.

Mehr zum Thema:

Literatur:

Novacho, R. (1976). The function and regulation of the arousal of anger. American Journal of Psychiatry, 133(10), 1124-1128.

Samełko, A., Guszkowska, M., & Gala-Kwiatkowska, A. (2018). Affective States Influence Sport Performance in Swimming. Polish Journal of Sport and Tourism, 25(4), 21-26. 

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Christian Hoverath
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