Meine Verletzung ist nun einige Monate her. Die Ente hat wieder schwimmen gelernt und der Mensch unter dem Gefieder ist um eine sehr besondere Erfahrung reicher geworden. Nicht, dass ich diese Verletzungserfahrung mit monatelanger Reha jetzt unbedingt gebraucht hätte, aber ich habe einiges gelernt. Zuletzt – und damit beende ich meine kleine Serie zum Umgang mit Verletzungen -, was es heißt, mit dem Risiko einer neuerlichen Verletzung und der damit verbundenen Angst richtig umzugehen. Denn eine Verletzung hinterlässt nicht nur körperlich Spuren, auch mental gilt es einiges zu managen. In diesem Punkt können Sportler häufig Hilfe gebrauchen.
Zum Thema: Umgang mit Verletzungen
In meiner Reha hörte ich die Geschichte eines Patienten, der einen schweren Motorradunfall hatte und nun trotzdessen wieder fuhr. Unverständnis überall – wie kann er nur?
Ich erklärte es in der Runde wie folgt: Das Motorradfahren ist ein bewusst eingegangenes Risiko – genau wie bei eurer ausgeübten Sportart, liebe Sportler da draußen. Ihr wisst, dass ihr ein bestimmtes Verletzungsrisiko eingeht – mal mehr, mal weniger. Wichtig: Für unsere Psyche ist es leichter, eine Verletzung zu verarbeiten, die aus einem solch bewusst eingegangenes Risiko resultiert.
Eine Frage des Risikos?
Und spielt ihr anschließend weiter – oder im Fall des Motorradfahrens, fahrt ihr danach weiter – so geht ihr dieses Risiko eben bewusst wieder ein. Anders sieht es aus, wenn man, wie ich zum Beispiel, einen unerwarteten Unfall hatte. Genauer gesagt: Bei einer Tätigkeit, die dieses Risiko nicht mit sich bringt (in einer Schießerei kann man schließlich andauernd und völlig unerwartet geraten, alle Hintergründe erfahrt ihr im ersten Beitrag der kleinen Serie). Dann fällt es uns schwerer, das Erlebte für uns einzuordnen und mit der Angst zu leben, dass es wieder passieren kann. Auch die individuelle Einschätzung der Schwere unserer Verletzung wird maßgeblich unsere Rehabilitationsdauer beeinflussen (Vgl. Smith et al.,1990).
Zusätzlich ist der Zeitpunkt der Verletzung ein wichtiger Faktor. Wesentlich höher ist der Frustrationsgrad vor Saisonhöhepunkten. Laut Kerr und Minden (1988) treten knapp 30% aller Verletzungen nämlich genau dann auf.
Effektive Hilfe
Eine Möglichkeit, sich der Angst nach Verletzungen zu stellen, ist die Desensibilisierung nach Wolpe. Diese wird der Verhaltenstherapie zugeordnet und geht davon aus, dass Anspannung (Angst) niemals gleichzeitig mit körperlicher Entspannung existieren kann. Dementsprechend würde der Athlet damit beginnen, eine Hierarchie seiner Angst anzufertigen. Also eine Liste, beginnend mit den Situationen, in denen er am meisten Angst verspürt. Bis hin zu den Punkten, wo er am wenigsten Angst hat.
Wann ist die Angst leicht, wann ist die maximale Angst erreicht!? Auf Basis dieser Antwort würde man gemeinsam eine Entspannungstechnik einüben – zum Beispiel eine progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Anschließend erarbeitet der Athlet eine optimale Vorstellung für sein Handeln in der betreffenden Situation.
Geübte Entspannung
Und zu guter Letzt wird dieses Handeln mit Hilfe von mentalem Training in der Situation vorgestellt und eingeübt. Hierbei versucht der Sportler, die von ihm aufgestellte Angsthierarchie mental durchzugehen und wann immer ihm die Angst begegnet, mit eingeübter Entspannung dagegen zu arbeiten, bis er wieder vollkommen entspannt ist.
Dies ist eine Möglichkeit, die ihr gemeinsam mit einem Sportpsychologen einüben könnt. Aber auch im zuvor beschriebenen Prozess ist es eine große Stütze und Ressource, in einer solch schweren Zeit einen Fachmann bzw. eine Fachfrau an Eurer Seite zu haben. Meine Kollegen von die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Miriam Kohlhaas) stehen gern für euch bereit.
Liebe Verantwortliche und Mitarbeiter in Vereinen und Verbänden, liebe Trainer, in einer solchen Zeit ist eines das allerwichtigste: Treat the Person! And not only the injury!
All ihr fantastischen Athleten, ihr verletzten Sportler, wie schnell wollt ihr wieder zurückkommen?
Alle Teile der Serie:
- https://www.die-sportpsychologen.de/2019/05/14/miriam-kohlhaas-officer-down-das-selbstexperiment/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2019/05/23/miriam-kohlhaas-ich-selbst-bin-die-bewegende-kraft-das-selbstexperiment/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2019/06/13/miriam-kohlhaas-wenn-die-ente-wieder-schwimmen-lernt-das-selbstexperiment/
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