Vor wenigen Monaten hat es mich erwischt. Von einem Moment auf dem anderen war ich einer Situation, die ich sonst nur von meinen Sportlern kannte. Die Legende um das tragische Zustandekommen meiner Verletzung war schnell gestrickt und amüsiert mich noch heute – lest hier vielleicht noch einmal nach (zum Beitrag: Officer Down – Das Selbstexperiment). Aber ganz ehrlich: Zwischen Krankenbett und Reha war eine ganz schöne Leere und reichlich Dunkelheit. Ich habe mich entschieden, diesen Prozess ganz bewusst wahrzunehmen. Diesen Kampf wollte ich annehmen, um am Ende meine Sportler in Zukunft noch besser verstehen zu können. Also dann, die Reise geht weiter…
Zum Thema: Umgang mit Verletzungen
Mein Gott. Der Tag, an dem ich nach Wochen bei dir, Noel, war, damit du entscheidest, ob ich die Krücken ablegen darf – wie sehr habe ich auf diesen Tag hin gefiebert … endlich wieder laufen!
Oder auch nicht… Die Erlaubnis bekam ich zwar, aber nach all den Wochen mit wenig oder sogar in einer Phase völlig ohne Belastung waren meine Beine überhaupt nicht in der Lage, zu laufen …
Vertrauen dahin
Der Körper, dem man Tag für Tag vertraut hat, dem man gequält hat, der einen Tag für Tag durch alles durchgetragen hatte, dem man versucht hat stärker und stärker zu machen… alles weg!
Wie mag das wohl sein, wenn man wie ihr Leistungssportler seit Jahren täglich alles für den eigenen Körper tut, damit dieser stärker wird. Regelmäßig ins Gym geht, zum Training, gesund isst… und dann ist alles nach einer Verletzung einfach weg. Wie frustrierend und demütigend muss es doch sein, wenn man das Gefühl hat, man beginnt plötzlich ganz von vorne!
Kritik aus dem Umfeld
Und wenn man sich diese Verletzung dann auch noch bei einem semiprofessionellen Sport zugezogen hat, dann erntet man nicht nur Unterstützung. Dann entsteht auch Unverständnis und Druck. „Jetzt fällst du Wochen oder Monate aus, kannst nicht mal arbeiten gehen und das alles nur wegen Football!“ Kennt ihr das nicht alle zu gut? ?
Aber: Eine andere Sache bekommt man dafür umso mehr in seiner Einzigartigkeit zu spüren. Den Rückhalt und die Liebe der Footballfamilie – und plötzlich spürt man neu, wie sehr man wieder zurück möchte!
Reha als Lichtblick
So kam auch mein Lichtblick – meine ambulante Reha begann und täglich durfte ich mich wieder bewegen. Zu Beginn der Reha fühlte sich mein Körper völlig fremd an – wie fremdgesteuert, als wäre ich selbst nicht die bewegende Kraft.
Ich finde, das größte Geschenk in dieser Zeit ist, dass man zurück in seinen Körper findet – mit der Zeit wurde es immer mehr wieder meiner. Ich hatte alles in der Hand, ich wurde stärker und traute mir mehr und mehr zu. Und ist der Ehrgeiz einmal zurück, will man immer schneller immer weiter. Kennt ihr das?
Dieses Feuer
Worauf warten, was die Ärzte sagen, wenn man doch zurück will in sein altes Leben? Ich hab mich ertappt, dass ich war wie du, Niels, und ich konnte dieses Feuer in mir spüren, welches mich immer weiter voran trieb.
Das Problem dabei ist, dass man gedanklich schon fast oben auf dem Berg der Genesung angelangt ist. Kommen dann allerdings Rückschläge, Stillstand, Schmerz, ist man schnell frustriert und deprimiert. Hier ist es für mich wichtig gewesen, auf meinen Körper zu hören, Geduld und Verständnis für ihn zu entwickeln.
Das kleine Glück
Aber dennoch: Der Tag, ein paar Wochen nach der täglichen Reha, als ich zum ersten Mal für fünf Minuten vier Treppenstufen hinauf und wieder hinunter gegangen bin – ohne mein Bein nachzuziehen – er hat mich getragen auch über Zeiten, in denen Dinge nicht so geklappt haben, wie sie sollten.
Was hat euch getragen? Was waren eure Highlight-Momente?
Transfer für harte Zeiten
Wenn es uns gelingt, dieses Gefühl auch für schwere, andere Zeiten unseres Lebens abrufbar zu machen, haben wir einen Transfer geschaffen, der eine große, neue Ressource in uns stark werden lässt. Ja, da war es wieder – mein Geschenk!
Hatte ich doch durch diese anstrengende Zeit so vieles in mir gefunden, was mich in meinen zukünftigen Leben tragen wird! Liebe und Unterstützung durch so viele tolle Menschen an meiner Seite – ganz besonders meiner so wundervollen Familie. Menschen, die mich gezogen haben, weg vom Selbstmitleid und hin zum Ehrgeiz – das Überwinden von Zweifeln und schweren Zeiten, Stärke, Körpergefühl und eben das Verständnis für die Athleten, mit denen ich in Zukunft an solchen Themen arbeite.
All ihr wundervollen und dennoch gerade verletzten Athleten, was ist euer Geschenk?
Views: 594