Jeder Tennisspieler kennt es: Geht der Schlag daneben, lässt sich natürlich eine Ursache finden. Diese ist aber in den meisten Fällen bei sich zu suchen. Im Teamsport sieht das schon etwas anders aus. Je höher die Anzahl der Sportler ist, die zum Teamerfolg beitragen, desto schwieriger wird es, die Auswirkung des Einzelnen messbar zu machen. Mit großen Frustrationspotential. Viele Trainerkollegen versuchen es in solchen Situationen mit Argumenten, wie „jeder trägt seinen Teil bei“ oder „auch die Ersatzspieler sind wichtig“. Natürlich bringen diese Aussagen auch ein Stück Wahrheit mit sich. Die Frage, die ich mir aber häufig stelle, ist, ob der Adressat mit diesen Sätzen etwas anfangen kann? Ich kenne Nachwuchsspieler, die nach dem Spiel den Trainer fragen, warum dies oder jenes so entschieden wurde, mit der Antwort und eben solchen aufmunternden Worten aber dann kaum umgehen können.
Zum Thema: Fremd- und Selbsteinschätzung
Die Kernfrage für mich war also, wie es möglich ist, solche Aussagen ersetzen zu können, sodass der Sportler ein für sich valides Instrument zur Überprüfung seines Selbstbildes bekommt? In Workshops und Bildungsseminaren wird das Thema immer wieder angeschnitten. Mittel zum Zweck ist hierbei meist ein Fragebogen zur Selbst- und Fremdeinschätzung. Manchmal findet auch die Überprüfung des Metabildes statt, also dem Eindruck, den man von anderen hat, wie sie einen selbst bewerten würden.
In der Arbeit mit meinen Sportlern in Einzel- und Gruppencoachings habe ich einen Fragebogen konzipiert, der sich speziellen Thematiken aus dem Basketball widmet. Er ist so aufgebaut, dass er die in meinen Augen wichtigsten Hauptaspekte beeinflussender Faktoren aus Technik und Taktik abdeckt. Zusätzlich gibt es noch einen spezifischen Frageblock für die drei Hauptpositionen im Basketball (Aufbau, Flügel, Center). Der Fragebogen ist in Englisch konzipiert und hat eine Negativfrage, die bei der Auswertung entsprechend zu berücksichtigen ist.
Ich habe diesen Fragebogen sowohl mit den Sportlern des BBC Coburg, als auch in Einzelcoachings mit Athleten, die ich betreue, angewandt. Nachfolgend möchte ich kurz auf die Ergebnisse eingehen.
Methodik Gruppencoaching
Jeder Teilnehmer hat zu Beginn seine eigene Einschätzung von seiner Leistung vorgenommen. Die ausgefüllten Fragebögen wurden von mir nicht eingesammelt. Im Anschluss bekam jeder Sportler einen Fragebogen, der spezifisch für seinen Teamkollegen auszufüllen war. In unserem Fall waren das zehn Fragebögen, die jeder Sportler auszufüllen hatte. Im Anschluss wurden die Daten aufbereitet und analysiert. Jeder Sportler bekam abschließend einen Durchschnitt davon, wie ihn seine Teamkollegen einschätzen. Danach gab es den Auftrag, den Durchschnittsbogen mit seinen eigenen Einschätzungen zu vergleichen und Abweichungen über 2,0 Punkte zu markieren.
Methodik Einzelcoaching
Im Bereich Einzelcoaching nutze ich den Fragebogen zur individuellen Selbsteinschätzung des Sportlers. Im Anschluss können daraus kurz-, mittel- und langfristige Zielstellungen abgeleitet werden: „Ich möchte mich bei Punkt acht um zwei Punkte verbessern.“ Die individuelle Einschätzung behalte ich im Anschluss bei mir, sodass bei einer neuen Bewertung mit etwas Abstand eine möglichst objektive Bewertung stattfindet.
Methodischer Ausblick
Der erste Schritt, nämlich der Vergleich beider Fragebögen, hat bereits bei einigen Sportler etwas positiv bewirken können. Die Menge der Daten bringt allerdings weitaus mehr Nutzen mit sich, als nur der bloße Vergleich beider Bewertungen. In einem nachfolgenden Artikel werde ich auf weitere Möglichkeiten der Auswertung und entsprechenden Nutzung der gewonnenen Daten eingehen.
Eine Schlussbemerkung möchte ich aber gerne noch abgeben: Ich war überrascht, wie ehrlich Athleten zu sich und auch zu ihren Teammitgliedern sind. Wenn ihr mit solchen Methoden und Techniken arbeiten wollt, nehmt gern Kontakt zu meinen Kollegen (zur Übersicht) oder zu mir (zur Profilseite von Johannes Wunder) auf!
Literatur:
Schweizer (2014). Neuroleadership: Fremd- und Selbsteinschätzung des Führungskräfteverhaltens in einem mittelständischen Unternehmen
Hoorn, Rindt & Stampfl (2010). Leitfaden zur Kompetenzbilanz im Freiwilligendienst.
Fuchslocher J., Romann M.: Ein Talentselektions-Instrument für den Nachwuchsleistungssport: «PISTE». In: Neumann G, ed. Talentdiagnose und Talentprognose im Nachwuchsleistungssport 2 BISp-Symposium: Theorie trifft Praxis. Bonn: Sportverlag Strauss, 2009:151–152.
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