Das Ziel in der physiotherapeutischen Rehabilitation besteht darin, die Funktion und die Belastbarkeit der verletzten Strukturen wiederherzustellen. Dies ist je nach Schwere der Verletzung ein sehr zäher Prozess, der häufig durch immer wiederkehrende Rückschläge gekennzeichnet ist. Aber nicht nur physiologisch stellt die Rehabilitation nach Sportverletzungen eine Herausforderung dar, sondern auch psychisch. Dies habe ich im Leitartikel (Sportpsychologie und Sportverletzungen) bereits aufgegriffen und werde in diesem Beitrag aufzeigen, welche Ziele die Sportpsychologie in dieser Phase verfolgt und welche Interventionsmöglichkeiten eingesetzt werden können.
Zum Thema: Die sportpsychologische Arbeit in der Rehabilitation
Die sportpsychologische Arbeit in der Rehabilitation soll dem Sportler dabei helfen, in dieser langwierigen und schwierigen Phase „am Ball“ zu bleiben, selbst aktiv zu werden, Rückschläge besser wegzustecken und mit Unsicherheiten und Ängsten umzugehen. Neben der Planung des Rehaprozesses und der Förderung von Selbstwirksamkeit, nehmen die sportpsychologischen Methoden auch Einfluss auf die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Funktion, der Belastbarkeit der Strukturen und der Leistung des Sportlers. Somit arbeitet sie auch eng im physiotherapeutischen Sinne.
Am Anfang der Rehabilitation kann es sehr hilfreich sein, einen Commitment-Vertrag mit dem Sportler zu schließen. Er bestätigt mit seiner Unterschrift, dass er seinen aktiven Part beiträgt und Eigenverantwortung übernimmt.
Vom kurzfristigen Ziel bis zum Traum
Anschließend können mit dem Athleten Ziele erarbeitet werden. Diese sollten unterteilt werden in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele. Alle diese Ziele sollten so festgelegt und formuliert werden, dass sie der SMART Regel entsprechen (Wo führen deine Ziele hin). Das Setzen und Überprüfen von Zielen hilft dabei, den Fortschritt im Auge zu behalten und somit die Motivation des Sportlers hoch zu halten. Kurzfristige Ziele können eng mit Handlungen in Verbindung stehen, wie z.B. die korrekte und konzentrierte Durchführung der heutigen Trainingsübungen. Mittelfristige Ziele sind dann schon etwas „größere“ Ziele wie zum Beispiel das Erreichen der Bewegungsfunktion oder wieder ohne Krücken laufen zu können. Die langfristigen Ziele wären dann beispielsweise der Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining. Ergänzt werden könnten Traumziele. Traumziele sollen den Athleten vor allem emotional packen und sind häufig mit bildhaften Vorstellungen verknüpft.
Wie auch schon präventiv und in der Akutphase eingesetzt, kann die Methode der Visualisierung einen positiven Beitrag leisten. Studien zeigen, dass durch das gedankliche Verbildlichen von Heilungsverläufen, diese beschleunigt stattfinden. Auch das Vorstellen von zu erreichenden Zwischenzielen hilft dem Sportler in dieser Phase. Hierbei ist zu berücksichtigen: Je realistischer die Vorstellung, desto effektiver sind auch die Emotionen, die daraus entstehen. Das bedeutet, dass neben dieser bildhaften Vorstellung auch andere Reize einbezogen werden sollten, wie das Hören, Riechen, Schmecken oder die kinästhetische Wahrnehmung.
Kraftverlust durch Vorstellungstraining minimieren
Die Visualisierung von Bewegungen sorgt laut Studien dafür, dass die entsprechende Muskelregion, welche für den tatsächlichen Bewegungsablauf verantwortlich ist, angesteuert wird. Das ist für den Sportler, der auf Grund seiner Verletzung immobil ist, ein riesiger Vorteil. Denn das bedeutet, dass der Sportler nur mittels Gedanken neuromuskuläre Ansteuerungsprozesse trainieren kann. Er minimiert damit den Kraftverlust, der mit der Immobilisation einhergeht. Zudem können Bewegungsabläufe, die noch nicht praktisch durchführbar sind, mental „geprobt“ und somit vorbereitet werden. Nicht nur neuromuskulär, sondern auch motivational ist diese Methode sehr effektiv.
Durch eine positive Selbstgesprächsführung kann sich der Athlet in schwierigen Phasen vor Augen führen, was er schon alles erreicht hat. Mittels gezielter, festgelegter Worte aktiviert er positive Emotionen und ist somit in der Lage sich selbst anzuspornen.
Konzentration auf die Reha
Wie auch schon in der Akutphase, kann soziale Unterstützung zum Heilungsverlauf beitragen. Die Übernahme von Alltagsaufgaben oder Entscheidungen durch Angehörige, Familie oder Freunde nimmt zusätzlichen Stress vom Sportler, der sich nun vermehrt auf die Reha konzentrieren kann. Einen äußerst wirkungsvollen Anteil an der Genesung bildet, laut Studien, auch der Besuch bzw. Kontakt von Trainer oder Mitspieler. Sie sollten dem Spieler vermitteln, dass es eine Perspektive für ihn gibt und er immer noch zum Team gehört. Idealerweise kann er sogar kleine Aufgaben und Verantwortungen übernehmen und somit einen Beitrag fürs Team leisten.
Das Anlegen eines Rehabilitationsprofils ist ein tolles Werkzeug. Einerseits zeigt es den Fortschritt des Sportlers und es kann andererseits überprüft werden, welche Methoden zu einer Verbesserung beigetragen haben. Verletzte Sportler tendieren häufig dazu, emotional zu reagieren und bereits erzielte Erfolge verblassen zu lassen. Zieht man dann das Rehabilitationsprofil heran, so sieht der Athlet darauf schwarz auf weiß, wo er gerade steht und was er bereits erreicht hat.
Das Rehabilitationsprofil
Hierzu werden wichtige Punkte der Rehabilitation auf einer Skala von 1-10 beurteilt. Wo lag der Athlet in diesen Bereichen vor der Verletzung (Orientierung). Wo sieht sich der Spieler jetzt (Ist Zustand) und wo will er hin (Soll Zustand: Minimalziel, zufriedenstellendes Ziel, Wunschziel)?
Abbildung 1: Beispielhaftes Rehabilitationsprofil mit psychologischen Faktoren.
Rot: Minimalziele
Orange: zufriedenstellende Ziele
Grün: Wunschziele
Vertrauen wieder aufbauen
Der Übergang von der Rehabilitationsphase in das sportartspezifische Training und dem anschließendem Mannschaftstraining sollte vorsichtig begleitet werden. Die steigenden Herausforderungen an den Athleten (beispielsweise das Führen von Zweikämpfen) sind aus sportpsychologischer Sicht sehr interessant und sollten gut geplant werden. Auch hier können einfache Absprachen mit dem Trainer (wie zum Beispiel: der ehemals verletzte Spieler wird mit einem Trikot gekennzeichnet und darf nicht getackelt werden) den Einstieg in den Trainingsalltag erleichtern und sorgen dafür, dass der Athlet genug Zeit hat, sein Vertrauen in die ehemals verletzte Struktur im sportbezogenen Kontext wiederzuerlangen.
Häufig wird die lange Rehabilitationsphase nach Verletzungen als größte Hürde für den Wiedereinstieg in den Sport gesehen. Ändert man allerdings den Blickwinkel ein wenig, so bietet diese Phase dem Sportler aber auch die Möglichkeit, sein Repertoire im mentalen Bereich enorm zu erweitern und in diesem Bereich sogar mit einem stärkeren Leistungspotential als zuvor in den Sport zurückzukommen.
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