Thorsten Loch: Emotionale Intelligenz in drei Schritten lernen

Jeder Sportler weiß, wie schwierig es sein kann, die Leistung dann abzurufen, wenn es darauf ankommt. Nicht selten stehen uns dabei auch unsere Emotionen im Weg. Denken wir nur eine Elfmetersituation, kurz vor Schluss, während der Gegner mit einem Tor führt. Um in einer solchen Situation wirklich emotional intelligent zu agieren, braucht es Übung. Aber es ist machbar. Wie es gehen kann, zeige ich in dem Beitrag auf.

Zum Thema: Die drei Stufen zur Ausbildung der emotionalen Intelligenz (EI)

In zahlreichen Situationen unseres alltäglichen Lebens haben Emotionen einen enormen Einfluss. In diesem Zusammenhang ist bei der Ausbildung einer solchen Kompetenz zu beachten, dass dies nicht von jetzt auf gleich möglich ist. Vielmehr ist die Ausbildung von emotionaler Intelligenz mit viel Arbeit und Mühe verbunden. Dies soll nicht als Vorwarnung verstanden werden, sondern lediglich als ein Appell. Denn es sich lohnt, auch wenn der Weg nicht immer einwandfrei läuft, diesen weiter zu bestreiten, denn am Ende wird es sich auszahlen.

Der Weg zur emotionalen Intelligenz kann nach Mikoljczak (2009) in drei Hauptstationen untergliedert werden: Wissen, Fähigkeit und Eigenschaften. Auf Basis dieser folgenden kleinen Theorieeinheit stürzen wir uns dann thematisch in die Praxis. Also, haltet durch!

Wissen

Der erste EI-Bestandteil „Wissen“ beschreibt den Informationsstand, wie Emotionen reguliert werden können. Hierbei geht es nicht explizit um die Umsetzung, sondern lediglich um das Wissen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Personen mit einer hohen EI, auch nicht zwangsläufig in der Lage sind, dies auch zu nutzen. Nach Larborde et al. (2017) bezieht sich die Wissensebene „… auf die Komplexität und Breite des Emotionswissens. Diese beschreibt das emotionale Wissen eines Menschen und wie dieses Wissen eingesetzt werden sollte, um mit emotionalgeladenen Situationen umzugehen.“

Aus der Praxiserfahrung heraus kann ich berichten, dass der Gleichklang aus dem Erkennen, was eine bestimmte Situation mit einem selbst macht und ein leistungsförderlicher Umgang damit, ein schwieriger aber wichtiger erster Schritt ist. Ist dieser Schritt getan, gilt es im nächsten, dieses Wissen in die Tat umzusetzen; dieser zweite Schritt wird als Fähigkeitsstufe bezeichnet.

Fähigkeit

Die Fähigkeitsstufe beschreibt die praktische Umsetzung des Wissens aus Büchern, Selbsterkenntnis oder von anderen Menschen. Mit Bezug zum Sport beschreibt diese Fähigkeitsstufe, dass beispielsweise ein Sportler dazu in der Lage ist, eine Emotionsregulationsstrategie durchzuführen, wenn dieser explizit dazu aufgefordert wird.

Allerdings, wenn Sportler aufgefordert werden, eine Emotionsregulationstrategie anzuwenden, bedeutet das nicht, dass sie es auch tatsächlich in jeder Situation in ihrem Alltag tun würden und könnten. Denn um in den meisten Situationen ohne große Anstrengung emotional intelligent handeln zu können, muss diese Fähigkeit ein Teil der Persönlichkeit werden. An dieser Stelle wird die Fähigkeit zu einer Eigenschaft. Das Schließen der Lücke zwischen Fähigkeits- und Eigenschaftsebene ist vermutlich der schwierigste Schritt, aber wahrscheinlich auch derjenige mit dem größten Einfluss. Das Gelingen dieses Übergangs wird sich positiv auf unterschiedlichsten Aspekte des Lebens und des Sporttreibens auswirken.

Eigenschaft

Die Eigenschaftsebene bezieht sich auf das, was Menschen normalerweise tun, wenn sie sich in emotionalen Situationen befinden. Es ist die Antwort auf die Frage: „Was ist typisch für mich?“ Es ist typisch für mich, während des Spiels gelassen und konzentriert zu bleiben, gleichgültig, was passiert. Im Vergleich zu: Es ist typisch für mich, nach jeder Entscheidung gegen mich erregt mit dem Schiedsrichter zu diskutieren und mich über meine eigene Fehler und die Fehler meiner Mitspieler aufzuregen.

Währenddessen Verhaltensweisen auf der Fähigkeitsstufe Selbstdisziplin und Willenskraft erfordern, können Verhaltenseigenschaften auf der Eigenschaftsebene ohne große Anstrengung abgerufen werden. Sie können als Teil des Charakters, der Identität oder – mit Abstrichen – als automatische Gewohnheit bezeichnet werden (Larborde et al., 2017). Ein Schlüssel zum Übergang von der Fähigkeitsstufe auf die Eigenschaftsebene ist Wiederholung, wodurch gewisse Techniken und Verhaltensweisen in Fleisch und Blut übergehen und dadurch langfristig zu einem Teil der Persönlichkeit werden können.

Zusatzinfo

Die Eigenschaftsebene bezieht sich auf emotionsbezogene Disposition, nämlich die Neigung, sich in emotionalen Situation in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Der Fokus liegt hier nicht auf dem, was Menschen wissen oder tun können, sondern auf dem, was sie gewohnheitsmäßig tun.

Mehr Infos zu Thorsten Loch: https://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

Emotionale Intelligenz erarbeiten

Stellen sie sich folgendes Szenario vor: Unmittelbar vor Ende eines Pokalspiels erhält die zurückliegende Fussballmannschaft einen Elfmeter zugesprochen. Mit dem Wissen um den Spielstand von 0:1 tritt der Schütze an den Punkt. Wohlwissend, dass dies die letzte Aktion der Partie sein wird. Entweder rettet er seine Mannschaft in die Verlängerung oder das Team verliert.   

Wissensebene – Eins – 2 – 3

Bezogen auf das zuvor beschriebene Szenario bedeutet dies auf der ersten Ebene, dass der Schütze beispielsweise von seinem Trainer oder seinen Teamkollegen von Techniken gehört hat, die ihm helfen, sich auf sein Elfmeterschießen zu konzentrieren und seine Emotionen zu regulieren, bevor er antritt. Jedoch, hat er es nie wirklich im Training geübt. Dementsprechend wird er im entscheidenden Moment (Strafstoß in der Nachspielzeit) eher nicht in der Lage sein, dieses Wissen zu nutzen, um erfolgreich aus jener Situation zu gehen. Aus diesem Grund hat er eher Schwierigkeiten, mit dem Druck umzugehen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit eines verschossenen Elfmeters erhöht.

Fähigkeitsebene – 1 – zwei – 3

Stellen wir uns nun denselben Spieler vor, der während des Trainings eine Strategie von seinem Trainer und/oder Sportpsychologen vermittelt bekommen hat, wie er seine Aufmerksamkeit während der Elfmeterausführung regulieren kann. Diese Strategie beinhaltet eine Routine, die seine Aufmerksamkeit bspw. auf das optimale Treffen des Balls fokussiert, welche der Spieler hin und wieder im Training geübt hat. Allerdings hat der Schütze nur unregelmäßig jene Bewältigungsstrategie trainiert, so dass diese Herangehensweise dem Spieler noch nicht zuverlässig während des Wettkampfes helfen wird.

Bedenke: das Training der emotionalen Intelligenz ist, wie jede Art von Training, durch Wiederholung geprägt (vgl. Larborde et al., 2017).

Hieraus leitet sich ab, dass das Training der EI auch in Wettkampfsituationen Früchte trägt, ein regelmäßiges Training voraussetzt. Hiermit wird die Grundlage geschaffen, dass die entsprechenden Techniken von der Fähigkeits- zur Fertigkeitsstufe gelangen können und somit dem Sportler am Tag des Wettkampfes zur Verfügung stehen.

Eigenschaftsebene – 1 – 2 – drei

Um sich dieser letzten Ebene zu nähern und diese schlussendlich auch zu erreichen, werden die unterschiedlichen Kompetenzen der EI wiederholt im Training gefördert und Techniken geübt bzw. auf ihrer Tauglichkeit hin überprüft. Somit lernt und automatisiert der Spieler, seine Emotionen zu kontrollieren, auch wenn der Druck immens hoch ist. Voraussetzung ist hierfür ein regelmäßiges und über längeren Zeitraum angelegtes Training. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so kann der spezifische Umgang mit Emotionen zur Gewohnheit werden, welcher sich letztendlich auch in der Leistung im Wettkampf wiederspiegeln wird.

Fazit:

Emotionale Intelligenz lässt sich trainieren. Sportler können den leistungsförderlichen Umgang mit stressreichen Situationen – wie beispielsweise einem Wettkampf – lernen. Voraussetzung hierfür ist, neben einem regelmäßigen und kontinuierlichen Training, dass die Athleten den Zusammenhang zwischen den Stufen Wissen, Fähigkeit und Eigenschaft verstehen. Dieses Verständnis bildet eine wichtige Grundlage für die Entwicklung emotionaler Intelligenz und dies nicht ausschließlich für Sportler, sondern ebenfalls für Trainer und Offizielle. Wie sich ein Training gestalten lässt, um die Ausbildung der emotionalen Intelligenz vorantreiben zu können, lässt sich pauschal nicht beantworten und muss individuell betrachtet werden. Gerne sind meine Kollegen (zu den Profilen) und ich (zum Profil von Thorsten Loch) dazu bereit, Sie dabei zu unterstützen.

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Thorsten Loch
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Sportarten: Fußball, Badminton, Leichtathletik, Sportschießen, Karate, Skateboarding

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