Glauben wir den modernen Erzählungen über die Fußball-Bundesliga, dann herrscht allerorten Askese. Die Spieler liegen kurz nach 22 Uhr im Bett. Zuvor kommt nur auf den Tisch, was für den Sportlerkörper nachhaltig Mehrwert bringt. Und Alkohol ist höchstens Bestandteil in den Haarpflegeprodukten. Da wunderte die Aussage von Gregor Kobel, dem Torhüter des FC Augsburg, unlängst schon sehr. Er schlug vor, dass sein Team mal einen Saufabend machen müsse.
Zum Thema: Kommunikation, Harmoniestreben und Konfliktmanagement – Ein Plädoyer, dass Spaß in gewissen Dosen immer dazugehören sollte
Versuchen wir es sachlich und fragen uns, wann ein Team erfolgreich ist? Dies ist in aller Regel dann der Fall, wenn die Akteure ein gemeinsames Ziel haben, die Rollen gut verteilt sind, Vertrauen untereinander herrscht, man sich unterstützt und die Kommunikation gut ist. Im Sport ist das nicht anders als in Wirtschaftsunternehmen.
Hier wie da, also im Sport wie in der Wirtschaft, herrscht nicht erst seit gestern ein sehr ausgeprägtes Streben nach Harmonie. Dabei führt aber eine maximale Harmonie nicht unbedingt zu einem guten Ergebnis. In Untersuchungen zeigte sich, dass absolute Harmonie und das Streben nach Gleichklang zwar zur Verringerung von Konflikten beitragen, allerdings dies auch die Gefahr mit sich bringt, dass Konflikte unterdrückt werden. Die zeitnahe Austragung von Konflikten tritt in den Hintergrund, da diese dem Harmoniebedürfnis entgegenstehen. Diese unterschwelligen Konflikte beeinträchtigen dahingehend die Zusammenarbeit (Gläsener, 2011). Denn Auseinandersetzungen können förderlich sein, da auch die Vielseitigkeit der einzelnen Teammitglieder ein gutes Team ausmacht.
Alternative zum Saufabend
Jetzt kann ein Saufabend wohl beides: Die Kommunikation unterstützen aber genauso den letzten Rest an Harmonie zerstören, falls ein solcher Abend unkontrolliert aus dem Ruder läuft. Wie also damit umgehen? Gerade für uns Sportpsychologen ist die Frage heikel. Denn einerseits wollen wir sicher nicht als „Spaßbremse“ dastehen, andererseits müssten wir es besser wissen. Schließlich gibt es so viele sportpsychologische Interventionsmöglichkeiten, die auch in verfahrenen Situationen einen Reizpunkt setzen, um am Ende Kommunikation, Austausch oder einfach nur zu einem gemeinsamen Spaßerleben führen.
Aus der unteren Schublade zaubere ich mal meine spielerische Alternative zum Saufabend:
In Abweichung des bekannten Spiels „Schnick-Schnack-Schnuck“ treten zwei Mannschaften gegeneinander an. Statt den bekannten Begriffen gibt es drei Figuren:
1. Krieger
2. Tiger
3. Oma.
Die Mannschaften stellen sich etwa zehn Meter voneinander entfernt nebeneinander auf und gehen auf Kommando drei Schritte vor. Die Mannschaft muss sich vorher auf eine Figur einigen und dann einheitlich eine vor drei Figuren präsentieren: Der Krieger schlägt mit einem Luftschwert mit einem lauten „Hau“ nach vorne, der Tiger hebt seine Krallen in die Höhe (beide Arme) und faucht „Whooh“, die Oma hebt den rechten Zeigefinger und schimpft „Du, Du. Du“.
Wertung: Krieger schlägt Tiger, Tiger schlägt Oma, Oma schlägt Krieger. Haben beide Teams sich auf die gleiche Figur geeignet, geht dieser Durchgang unentschieden aus und die Mannschaften bereiten sich auf die nächste Runde vor. Man spielt dann z.B. „Best of five“.
Es gab schon Mannschaften, die das Spiel dann mit den Figuren 1. Jäger, 2. Möhre, 3. Hase weiterentwickelt haben. Aber Vorsicht bei der Umsetzung: Es sollten im Idealfall keine Kameras oder Smartphones am Trainingsplatz dabei sein. Aber welcher ambitionierte Verein hat nicht längst die Infrastruktur für Geheimtrainingssessions geschaffen?
Merkel hat recht
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Gegen den Saufabend spricht nicht nur der Kater am nächsten Morgen. In der Regel werden in solchen feuchtfröhlichen Stunden keine konkreten Anleitungen zur Verbesserung des Teamzusammenhalts aufgezeigt. Zu befürchten ist auch, dass Inhalte von Diskussionen, Vereinbarungen usw. am nächsten Morgen wieder vergessen sind oder durch neue Auseinandersetzungen überlagert werden.
Ob der Saufabend in Augsburg tatsächlich stattgefunden hat, wissen wir nicht. Gregor Kobel grinste nur ins Mikrofon, als er ein paar Tage nach seiner Aussage, direkt nach dem 2:1-Heimsieg gegen Borussia Dortmund nach diesem besonderen Teamevent gefragt wurde. Nehmen wir das mal so hin. Denn vielleicht braucht es eben doch die Lockerheit, die einst Trainerlegende Max Merkel an den Tag legte: Nachdem einmal die noch vom Vorabend alkoholisierten Spieler gegen die abstinenten gewonnen hatten, soll er gesagt haben: „Dann sauft´s halt weiter!“
Literatur
Gläsener, K. (2011). Diverse Teams = Erfolgsteams?. Bedingungen für die Interaktion in geschlechts- und nationalitätsgemischten Teams (No. 4). (E.-M. Dombrowski & A. Ducki, Eds.). Berlin: Gender- und Technik-Zentrum der Beuth Hochschule für Technik.
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