Noch gibt es sie nicht, die diagnostizierbare Smartphonesucht. Doch wenn man sich die Zahlen der weltweit fünf Milliarden mobile User, sowie der durchschnittlichen Online-Zeit von 2,5 Stunden pro Tag so ansieht, sollte sich dies bald ändern. Laut WHO tritt die Hälfte aller psychischen Störungen bereits vor dem 14. Lebensjahr auf (WHO, 2018), Suchterkrankungen beginnen dabei oft im jugendlichen Alter. Viele junge Menschen werden heute vor allem als „smartphonesüchtig“ bezeichnet. Und diese vermeintliche Sucht macht bekanntlich auch vor dem Sport nicht halt…
Zum Thema: Das Smartphone als Suchtfaktor im Sport
Mit all seinen Inhalten, spannenden Beiträgen, Interaktionsmöglichkeiten mit Fans und Followern, sowie interessanten Informationen zur Konkurrenz bietet das Smartphone auch AthletInnen einen jederzeit verfügbaren „digitalen Zufluchtsort“. Doch welche Auswirkungen ergeben sich langfristig auf die Konzentration, wenn SportlerInnen ständig am Handy hängen? Wenn der Bildschirm mindestens 88 mal am Tag (so sieht es momentan in der Normalbevölkerung aus) aufleuchtet, weil immer größere und bessere Bildschirme einmal mehr entsperrt werden? Wie sieht der Trainings- und Wettkampfalltag von AthletInnen aus, die eben diesen Griff-zum-Smartphone-Impuls nicht mehr steuern können?
Zunehmend unkonzentriert, von ständigen Unterbrechungen begleitet und womöglich sogar von gedrückter Stimmung durch etwaige Social Media Inhalte geplagt, äußert sich übermäßiger Smartphone-Gebrauch. Impulskontrolle ist im Umgang mit dem Smartphone daher überaus wichtig und bedeutet, das eigene Verhalten kontrollieren zu lernen. Vermeintlichen Impulsen nicht nachzugeben, sondern konzentriert bei einer Tätigkeit zu bleiben. Wichtige Fähigkeiten, die auch im Sport trainiert werden sollten. Vor allem dann, wenn es gilt durchzuhalten, sich nochmals aufzuraffen, um auch den nächsten Punkt für die eigene Mannschaft holen zu können, machen sich derartige Übungen bezahlt. Den Smartphone-Gebrauch während Training und Wettkampf zu kontrollieren, bietet sich zur Einübung hervorragend an.
Impulse kontrollieren, sportliche Erfolge feiern & Smartphones sinnvoll nutzen
Neben der Aufklärung über Möglichkeiten und Grenzen des Smartphone-Gebrauchs, erachte ich daher die individuelle Betrachtung und Einschätzung des einzelnen Athleten für den individuellen Erfolg als unausweichlich. Was bedeutet das Smartphone für den Sportler? Wie sieht sein Surfverhalten aus? Womit beschäftigt er oder sie sich vor dem Training oder Wettkampf? Dabei darf der zwar immer kleiner werdende und dennoch bestehende Generationenunterschied nicht unterschätzt werden:
Junge Menschen verstehen das Smartphone heute schließlich als „Schweizer Taschenmesser der Informationsgesellschaft“ (Spitzer, 2017) und so liegt es vielen fern, generelle Handy-Verbote einzuhalten. Meiner Meinung nach kann damit auch der Smartphone Sucht kein Einhalt geboten werden. Denn was zeichnet die Heilungschancen einer Sucht aus? Sie müssen von der betroffenen Person herrühren. Sozusagen intrinsisch motiviert sein. Eine sinnvolle Herangehensweise gegen übermäßigen Smartphone-Gebrauch wäre demnach das Aufzeigen von Leistungseinbrüchen, Konzentrationsschwächen oder Ablenkungen im engen Zusammenspiel mit lösungsorientierten Angeboten für die AthletInnen und deren Erfolgschancen.
Konzentrations- oder Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, den „analogen Fokus“ wieder zu erlangen und das Smartphone in der Trainingstasche zu belassen…
Info:
Im Sommer 2019 wird die ICD 11 veröffentlicht. Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD, englisch International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist das wichtigste, weltweit anerkannte Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Es ist zu erwarten, dass dort erstmals auch die Kategorie “Internet- und Online-Spiele-Sucht” aufgelistet wird.
Mehr zum Thema Sucht:
https://www.die-sportpsychologen.de/2014/05/28/prof-dr-oliver-stoll-was-ist-eigentlich-sportsucht/
Die komplette Serie “Was moderne Sportpsychologen von sozialen Medien wissen sollten… und noch viel mehr…”:
- Folge 1: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/02/23/johanna-constantini-was-moderne-sportpsychologen-ueber-soziale-medien-wissen-sollten/
- Folge 2: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/03/14/johanna-constantini-instant-messaging-als-stressfaktor/
- Folge 3: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/05/16/johanna-constantini-warum-die-bedeutung-der-intrinsischen-motivation-in-der-digitalen-welt-steigt/
- Folge 4: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/07/09/johanna-constantini-kommunikation-ueber-soziale-medien-welche-auswirkungen-hat-die-interaktion-der-fans-auf-athleten/
- Folge 5: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/22/johanna-constantini-ich-poste-also-bin-ich-skype-und-social-media-in-der-modernen-sportpsychologie/
- Folge 6: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/29/johanna-constantini-please-like-me-wie-sich-der-vergleich-in-sozialen-medien-auf-den-selbstwert-unserer-athletinnen-auswirkt/
- Folge 7: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/09/21/johanna-constantini-spieglein-spieglein-an-der-pinn-wand-oder-das-digitale-lob/
- Folge 8: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/10/15/johanna-constantini-together-alone-wann-das-digitale-publikum-uns-nichts-mehr-nuetzt/
- Folge 9: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/02/johanna-constantini-digitales-pausenverhalten-und-die-risiken-von-sozialen-medien-in-verletzungsphasen/
- Folge 10: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/22/johanna-constantini-augen-auf-smartphone-aus-wann-offline-sein-im-wettkampf-wichtig-ist/
- Folge 11: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/12/18/johanna-constantini-wer-nicht-trackt-ist-nie-gelaufen-inkl-audio/
- Folge 12: https://www.die-sportpsychologen.de/2019/01/22/johanna-constantini-sportpsychologie-auf-dem-arbeitsmarkt-der-zukunft-inkl-audio/
Quellen:
https://derstandard.at/2000081087282/WHO-Psychisch-Erkrankte-weltweit-benachteiligt
ICD-10, 11
Hootsuite, 2018
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