Andreas Meyer: Psychologische Aspekte von Verletzungen in der Akutphase

Anfang 2018 erlitt Bayern-Profi Kingsley Coman eine Syndesmosebandverletzung, die ihm die Teilnahme an der Fußballweltmeisterschaft und somit den Titel mit Frankreich kostete. Nach der Rehabilitation und pünktlich zum Bundesligaauftakt dann der erneute Rückschlag: Nach nur 45 Minuten muss Coman schon wieder verletzt den Platz verlassen. Der Grund… dieselbe Verletzung am selben Fuß.

Zum Thema: Konkrete Maßnahmen, um mit Verletzungen richtig umgehen zu können

Nicht nur für Kingsley Coman ein Schock, sogar sein Mitspieler Joshua Kimmich kann die Tragik nachempfinden und sagt: „Das ist bitter und tut extrem weh. King hat bis dahin überragend gespielt. Ich war geschockt, als ich ihn sah, ich hatte Tränen in den Augen.“

Eine Verletzung ist für die meisten Sportler alles andere als eine Lappalie. Ganz im Gegenteil. Es stürzt viele Sportler sogar in eine tiefe Krise, die nicht selten sogar das Karriereaus bedeutet. In manchen Regionen der Erde kann so eine Verletzung sogar Existenzprobleme verursachen und somit der Ursprung tiefer psychologischer Traumata sein.

„Als ich mich verletzt hatte war es für mich das Ende der Welt“

Kingsley Coman (Fußballprofi FC Bayern München)

Sportpsychologische Interventionsmöglichkeiten

Deshalb ist es wichtig, diesem Punkt (direkt nach einer Verletzung) besondere Aufmerksamkeit zu widmen, weshalb ich in diesem Artikel sportpsychologische Ansätze und Interventionsmöglichkeiten vorstellen möchte. Denn schon in dieser Phase beginnt für den Sportler die Verarbeitung des Traumas und sie legt den Grundstein für einen erfolgreichen Return-to-Sport Prozess.

Wie schon in einem früheren Artikel beschrieben, gibt es zahlreiche Belastungen, die auf den frisch verletzten Athleten wirken. Hierzu zählen Schmerzen, Unsicherheiten, Angst, Wut, Depressivität, Hilfs- und Orientierungslosigkeit sowie Selbstwertverluste, Sinnkrisen und Unruhe. Häufig kreisen die Gedanken der Sportler um diese Belastungen und der Athlet befindet sich in einem Teufelskreis aus negativen Gedanken, Schmerzen und Ängsten.

Blickrichtung Zukunft

Die Ziele der Sportpsychologie in dieser „heißen“ Phase sind, die Schmerzen zu reduzieren, Ängste abzubauen und den Sportler dabei zu unterstützen, eine hoffnungsvolle Sicht auf die Zukunft zu entwickeln. Außerdem besteht auch hier schon ein großer Teil der sportpsychologischen Arbeit darin, im Sportler Kontrolle und Eigenverantwortung zu wecken.

Der Athlet sollte zunächst genau aufgeklärt werden, was es mit der Verletzung auf sich hat. Ansonsten bleibt der Sportler unsicher und hilflos. In einem Aufklärungsgespräch ist es wichtig, dem Sportler zu verdeutlichen, was genau nun passiert und wie die weiteren Behandlungsmöglichkeiten ausschauen. Hierbei sollten auch die Rollen klar definiert werden. Wer ist wofür verantwortlich? An welchen Punkten kann der Sportler aktiv eingreifen und wo muss er sich auf die Expertise von anderen Menschen verlassen? Damit erlangt der Sportler mehr Kontrolle und ein höheres Maß an Eigenverantwortung.

No Nocebos

Was bei solchen Gesprächen allerdings unbedingt vermieden werden sollte sind sogenannte Nocebos. Nocebos wirken genauso wie Placebos, nur, dass sie negative Auswirkungen haben. Ein Beispiel für ein „unglücklich“ eingebrachtes Nocebo ist Folgendes:

Der verletzte Sportler hat ein Supinationstrauma erlitten und nun starke Schmerzen im Fuß. Zur Abklärung der Verletzung wird ein MRT des Fußes gemacht. Der Arzt kommt nach Ansicht der Bilder zum Athleten und sagt, er habe einen negativen Befund. Der junge und unerfahrene Sportler weiß nicht, wie er damit umgehen soll und denkt möglicherweise er hätte eine schwere Verletzung.

In den Gesprächen mit dem Athleten sollte immer versucht werden alle Fragen des Sportlers zu klären und dabei möglichst ermutigend aber realistisch zu sein. Eine klare Kommunikation ist hier also unentbehrlich.

Zum Profil von Andreas Meyer: https://www.die-sportpsychologen.de/andreas-meyer/

Austausch kann helfen

Liegen positive Erfahrungswerte vor, wie beispielsweise ein Sportler mit einer ähnlichen Verletzung seinen Weg zurück gemeistert hat, so kann dies beim verletzten Athleten Hoffnung wecken und den Fokus auf positive Zukunftsgedanken legen. Manchmal kann sogar ein persönlicher Kontakt zwischen den beiden Sportlern hergestellt werden. Das bietet enorme Vorteile, denn der verletzte Athlet kann sich mit jemanden austauschen, der seine Situation sehr gut nachempfinden kann und von den Erfahrungen des wieder genesenen Sportlers profitieren.

Um das Schmerzempfinden zu reduzieren, können Entspannungsübungen durchgeführt werden. Hierdurch verringert sich der Muskeltonus, was wiederum das Schmerzempfinden senkt. Eine weitere Methode, die in der Akutphase angewendet werden kann, ist die Visualisierungsmethode. Hierbei wird gezielt eine Vorstellung herbeigerufen, die anschließend systematisch „trainiert“ wird. Eine Übung innerhalb dieser Vorstellungsmethoden ist die Healing Imagery. Der Sportler bekommt zunächst ein Bild seiner Strukturen vermittelt und stellt sich anschließend genau geskriptet bildlich vor, wie die verletzten Strukturen abschwellen und heilen. Auch dies führt zu einer Schmerzreduktion, weil ähnlich wie bei den Entspannungsverfahren der Muskeltonus sinkt und damit die Bereitstellung von Wundheilungsparametern, aufgrund der verbesserten Durchblutung, steigt.

Schmerzen regeln

Ein weiterer Einsatz der Visualisierung beim Schmerzmanagement besteht darin, dass der Sportler sich vorstellt, wie er den Schmerz an einem Regler herunterreguliert, bis er immer schwächer wird.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Schmerz kann den Athleten dabei unterstützen, Bewertungsprozesse besser zu steuern. Nicht jeder Schmerz ist von Grund auf schlecht. Er hat eine schützende Funktion und macht in vielen Fällen durchaus Sinn, damit es nicht zu stärkeren Verletzungen kommt. Akzeptiert der Sportler, dass er Schmerzen hat, wird er deutlich weniger negative Emotionen wie Ängste und Wut entwickeln.

Selbstgesprächsregulation

Wie oben bereits beschrieben hat der Sportler häufig mit Unsicherheiten, Zweifeln, Ängsten, Wut, Trauer oder Ärger zu kämpfen. Durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit den beim Sportler entstehenden Gedanken und einer anschließenden Umstrukturierung können die Gedanken auf eine hoffnungsvolle und zuversichtliche Zukunft gelegt werden. Dies hilft und schützt den Sportler vor Resignation.

Ein hilfreiches Tool in der Sportpsychologie ist die Selbstgesprächsregulation. Dabei geht es nicht darum, dass die Sportler laut mit sich selbst reden, denn zu den Selbstgesprächen gehören auch innere Dialoge. Positive Selbstgespräche können trainiert und strategisch angewandt werden, um die Emotionen und Gedanken des Sportlers zu beeinflussen und damit das Schmerzempfinden zu reduzieren und das Wohlbefinden des Sportlers zu fördern.

Soziale Strukturen

Ein letzter, allerdings nicht unwesentlicher Bestandteil der sportpsychologischen Betreuung in dieser Phase ist der Aufbau von unterstützenden sozialen Strukturen. Soziale Kontakte bieten dem Athleten einen Halt und geben Sicherheit. Außerdem können Personen aus dem Leben des Sportlers dafür sorgen, dass durch Übernahme von Aufgaben, nicht zusätzlich Stress bei dem Athleten entsteht und dieser entlastet wird.

Zusammengefasst: Es lassen sich eine Menge positiver Effekte in dieser Phase erzielen, die den Athleten dabei unterstützen, die Grundlage für eine positive Rehabilitation zu legen und das Trauma der Verletzung schnell zu verarbeiten. Meine Kollegen (zu den Profilen) und ich (zum Profil von Andreas Meyer) können helfen, nehmt Kontakt auf!

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