Immer wieder betonen Verantwortliche und Spieler von Bundesligisten, wie wichtig der Kopf im Bundesliga-Abstiegskampf sei. Zuletzt brachte ein Artikel über Hannover 96 im Sportbuzzer des Redaktionsnetzwerks Deutschlands interessante Aussagen ans Licht. So erklärte 96-Boss Kind, dass mindestens einmal wöchentlich eine Bewerbung von Sportpsychologen und Mentaltrainern bei ihm auf dem Tisch landet. Dabei gibt es gar keine Stelle. Lohnen sich solche Initiativbewerbungen also? Diese Frage habe ich mir in der Vergangenheit schon häufig selbst gestellt. Die Antwort fällt heute differenzierter aus als ich vor Jahren noch glauben wollte.
Zum Thema: Macht es für Sportpsychologen oder Mentaltrainer Sinn, sich initiativ bei Vereinen zu bewerben?
Viele Kollegen glauben, dass Initiativbewerbungen im Fußball nicht erfolgreich sind. Aber das stimmt heute nur bedingt: Gerade Vereinsmanager und Trainer mit visionären Vorstellungen und ganzheitlichen Gedanken schauen sich solche Bewerbungen mittlerweile genau an. Denn aus meinen bisherigen Erfahrungen lässt sich ableiten, dass wir in den nächsten Jahren fester Bestandteil im Profifußball aber auch im Amateursport sein werden. Dazu gleich mehr.
Bevor ich mit Anregungen starten möchte, hier ein kleiner Rückblick aus meinen eigenen Bewerbungsversuchen. Es war sehr steinig und oft bedrückend. Häufig wurden meine Bewerbungen mit Ignoranz, Standardantworten oder sogar genervten Rückmeldungen beantwortet, wie zum Beispiel: „Unterlassen Sie Ihre ständigen Bewerbungsversuche. Es besteht kein Interesse an sportpsychologischer Dienstleistung/für Ihre Berufsgruppe, gibt es keine vorgesehene Planstelle oder wir haben dafür kein Geld“.
Keine erfolgreiche Bewerberkarriere
Ich hatte mich damals bei fast allen Bundesligisten und kleineren Vereinen beworben. Doch eine erfolgreiche Bewerberkarriere sieht wohl anders aus. Zum damaligen Zeitpunkt war ich selbstständig mit zwei Sportclubs, freiberuflicher Sportpsychologe und war als Personal Trainer unterwegs, was mich aber nicht zufrieden stellte. Meine Lösung? Ich versuchte Praxiserfahrung zu sammeln und startete meine nebenberufliche sportpsychologische Karriere in der Kreisliga A, dann in der Oberliga sowie mit Jobs in verschiedenen Sportarten. Meine gelegentliche Unzufriedenheit und der Zweifel waren dabei zuverlässige Begleiter. Ich wusste nicht weiter! Aufhören, weitermachen oder die Strategie wechseln? Viele Fragen, die mich täglich beschäftigten, ohne dass ich dabei zu einer Antwort kam. Da war nur das Ziel: Ich wollte meine Leidenschaft zum Beruf machen!
Unzufriedenheit und Zweifel waren zuverlässige Begleiter
Dr. René Paasch
Brauchte ich Kontakte, Zeit oder das entsprechende mediale Gehör? Liegt es an mir? Muss ich mich weiterhin qualifizieren oder meine Strategie einfach nur ändern? Ich entschloss mich dann, eine nebenberufliche akademische Karriere und eine eigene Homepage mit einem regelmäßigen wissenschaftlichen Newsletter zu starten. Ich glaubte, nur entsprechende Ausbildungen, Weiterbildungen und öffentliche Interessenbekundungen hinsichtlich der Sportpsychologie würden mich ans Ziel führen. Auch dies war aber nicht unbedingt der Schlüssel zur Festanstellung! Dennoch ging ich diesen Weg weiter – trotz sinkender Motivation – und ich versuchte, auf mich aufmerksam zu machen.
Auf einmal wollte der Fußball etwas von mir wissen
Dann bin ich auf die Sportpsychologen.de gestoßen und ich wusste für mich, dies könnte ein wichtiger Meilenstein sein. Nun bin ich seit vielen Jahren im Netzwerk der Sportpsychologen als Schreiber für Blog- und Leitartikel und Ansprechpartner für verschiedene Medien, Vereine und Unternehmen unterwegs. Heute kann ich sagen, das war eine sehr gute und wichtige Entscheidung.
Aus dieser Zusammenarbeit entstanden vielseitige Anfragen und auch der Fußball wollte auf einmal mehr von mir wissen. Das regelmäßige Auseinandersetzen mit sportwissenschaftlichen, psychologischen und gesundheitlichen Themen und die Festanstellung im Leistungsfußball sorgten dann für das entsprechende Gehör. Heute bin ich für diese Zeit sehr dankbar, denn sie hat mich zudem gemacht, der ich bin und sein möchte.
Meine Tipps für Initiativbewerbungen
Damit Sie eine Erleichterung ihrer Bewerbungen erfahren können, möchte ich Ihnen nun meine Erfahrungen für eine Initiativbewerbung anbieten! Aber wie gehen Sportpsychologen und Mentaltrainer am besten vor, damit es mit dem Wunschjob im Fußball klappt?
Initiativbewerbungen machen aus der heutigen Sicht unbedingt Sinn, insbesondere wenn der Verein keinen ausgewiesenen Experten auf der Homepage aufweist. Die Kollegen machen es nur häufig nicht richtig. Viele verschicken zum Beispiel anonyme Anschreiben (postalisch/elektronisch). “Sehr geehrte Damen und Herren oder sehr geehrter Herr Kollege” – solch ein Anschreiben landet irgendwo, nur nicht beim Entscheider. Das können Sie sich gleich sparen, weil sich keiner angesprochen fühlt oder Sie entsprechend zuweisen kann.
Sie müssen das Sekretariat vom Teammanager oder dem sportlichen Leiter anrufen, also ein bisschen herumtelefonieren und fragen, wer wofür zuständig ist und wenn es möglich ist, persönliche Kontakte im Verein im Vorwege generieren. Sie sollten ruhig auch an die Trainer in dem Verein herantreten und um einen persönlichen Termin bitten. Die sehen eventuell schon einen zukünftigen Bedarf, von dem die nächsthöheren Vorgesetzten noch gar nichts wissen.
Hausaufgaben machen!
Konkret zum Anschreiben: Am besten ist es, vereinsspezifisch vorzugehen und das Anschreiben mit einem aktuellen Aufhänger und persönlichen Namen zu starten. Dafür ist es wichtig, den Internetauftritt des Vereins zu studieren oder die Sportteile der Zeitungen aus der Region zu lesen. So erfahren Sie zum Beispiel, ob der mentale Bereich von Interesse ist und wie solche Themen in der jüngeren Vergangenheit diskutiert worden sind.
Wenn Sie dann nachgewiesene sportliche Erfahrungen aufweisen, Fußball verrückt sind und schon mit Sportlern gearbeitet haben, dann haben Sie schon einen Vorsprung gegenüber weniger erfahrenen Kollegen. Des Weiteren sollten Sie ein Konzept Ihrer Dienstleistungen erstellen und darin sollte der klare Vorteil für den Verein, die Mannschaft und dem Einzelnen erkennbar sein. Dabei sollten Sie sich mit diesen essentiellen Fragen beschäftigen: Was möchte ich für ein Sportpsychologe sein? Was kann ich? Was ist der Nutzen für den Verein und was will ich? Denn das möchte der Verantwortliche unbedingt lesen! Und der Bewerber muss versuchen, genau das im Anschreiben und im tabellarischen Lebenslauf auf den Punkt zu bringen.
Die liebe Fußballfamilie
Im Erstkontakt bitte keine Zeugnisse und keine großen Mappen. Da fühlt sich der Verantwortliche schnell überfordert und zugemüllt. Eine gewisse Frustrationstoleranz und Zeit brauchen Sie jedoch im Fußball, denn der Stellenwert von Sportpsychologen und Mentaltrainern ist noch immer sehr dürftig und wenn Sie dann keine persönlichen Kontakte und Erfahrungen aufweisen können, wird es weiterhin sehr schwer, überhaupt Gehör zu finden.
Aber wenn das Anschreiben geschickt mit bestehenden Kontakten auf den Weg gebracht worden ist, kann eine Initiativbewerbung dem Zufall auf die Sprünge helfen. Wobei weiterhin gilt: Ein persönlicher Kontakt schlägt jedes beschriebene Stück Papier. Bevor der Fußball sich auf fremde Fachkräfte verlässt, schauen sie lieber in den eigenen Reihen oder achten auf das Empfehlungsmarketing der Fußballfamilie. So wie es in der Wirtschaft auch zum Teil funktioniert: „Kontakte schaden nur dem, der sie nicht hat!
Hier sind die zwei Beispiele aus der Praxis, wo eine Initiativbewerbung aus meiner Sicht sinnvoll sein kann:
Insider-Wissen
Sie haben wahrscheinlich schon mitbekommen, dass ein Großteil der Stellen im Leistungssport Fußball, im Verdeckten besetzt werden. Es bringt jedoch nichts, sich blind zu bewerben und darauf zu hoffen, zufällig die kurze Zeitspanne des Bedarfes zu erwischen. Aber mal angenommen, Sie erfahren über einen Bekannten oder Freund, dass sein Kollege gerade gekündigt hat und diese bald frei werdende Stelle gut zu Ihrem Profil passen könnte, dass ein Arbeitsbereich in der nächsten Zeit weiter ausgebaut werden soll, dass bspw. die Zertifizierung des NLZ und die damit verbundene Anstellung von Sportpsychologen ansteht oder dass die erste und zweite Liga mit festangestellten Psychologen oder sportpsychologischen Experten arbeiten sollen und die darunter liegenden Ligen entsprechende Nachweise aufweisen. Leider ist dies nicht verbindlich sondern nur eine Empfehlung von der DFL aber es dient trotzdem als guter Aufhänger für Ihre Bewerbung.
Ideengeber
Angenommen, Sie haben in den vergangenen Jahren erfolgreich ein sportpsychologisches Konzept umgesetzt und möchten nun zu einem NLZ oder zu einer Profimannschaft wechseln. Sie recherchieren, welche für sie interessanten Vereine in Sachen Sportpsychologie hohen Nachholbedarf haben und liefern mit Ihrer Initiativbewerbung nicht nur gute Gründe, eine Stelle als Sportpsychologe neu zu schaffen, sondern präsentieren auch sich selbst als Experte. Hierbei kommt es darauf an, dass Ihr neuer Verein erkennt, dass eine solche Stelle sportlich-strukturell sinnvoll ist und Sie der Richtige dafür sind. Hier ist viel Kreativität bei der Recherche gefragt sowie eine gute Argumentation erforderlich. Manchmal ist auch eine erste praktische Darbietung gegenüber dem Trainerteam sinnvoll, um ins Gespräch zu kommen oder zu überzeugen.
Fazit
Eine Initiativbewerbung im Fußball muss deutlich über die Inhalte einer normalen Bewerbung hinausgehen, um zunächst den Bedarf bei Ihrem Wunschverein zu wecken. Dabei benötigen Sie Kontakte (idealerweise) zu den Trainern, eine klare Position und eine Spezialisierung im Markt, Erfahrungen und den tiefen Willen und die Überzeugung, ungewöhnliche Wege zu gehen. Den Standard können viele. Für Ihren beruflichen Weg wünsche ich Ihnen nur das Beste. Bei weiteren Fragen dürfen Sie sich gerne bei mir melden:
Literatur
http://www.sportbuzzer.de/artikel/reif-fur-die-couch-braucht-hannover-96-einen-mentaltrainer
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