“Ich wollte Kontrolle über die Situation haben”, sagt Matthias Hofbauer rückblickend. Aber gibt es eine wirkliche Kontrolle beim Penalty überhaupt? Spielt nicht Zufall, Tagesform oder die Leistung des gegnerischen Goalies eine so dominante Rolle, so dass sich diese spielentscheidenden Sekunden eigentlich nicht trainieren lassen? Oft heisst es ja auch, dass der tatsächliche Druck einer solchen Situation gar nicht künstlich herzustellen sei… Der 37-Jährige Leader der Schweizer Unihockey-Nati wollte vor seinem letzten WM-Auftritt im Dezember 2018 aber nichts dem Zufall überlassen und bereitete sich mit Hilfe des Bewegungsvorstellungstrainings intensiv auf den Showdown im Penalty-Schiessen vor. Nicht ohne Grund…
Zum Thema: Bewegungsvorstellungstraining in der Praxis
Prag, am Abend des 8. Dezembers 2018. In der mit über 10.000 Zuschauern gefüllten O2-Arena hat die Schweiz den großen Favoriten Schweden im WM-Halbfinal am Rande einer Niederlage. Bis zwei Minuten vor Spielende führt der Aussenseiter mit 4:3. Der späte Ausgleich der Rekordweltmeister aus Schweden bedeutet zehn Minuten Overtime, die dramatisch verlaufen aber kein Tor und damit keinen Sieger hervorbringen. Es geht also ins Penalty-Schiessen. Eine Situation, auf die sich Matthias Hofbauer gezielt vorbereitet hatte. Denn mit Dr. Hanspeter Gubelmann und Cristina Baldasarre zählten bei der WM-Kampagne erstmals zwei Sportpsychologen zum Betreuerstab von Swiss Unihockey. Mit Gubelmann hatte Hofbauer das Bewegungsvorstellungstraining auf die Penalty-Situation angewandt. Ein besonderer Fokus lag dabei auf die erwartete Atmosphäre in der Halle und die konkrete Vorbereitung des Schusses.
Nachfolgend beschreibt Matthias Hofbauer die Gedankenfetzen, die rund um einen Penalty durch seinen Kopf wirbeln. Dabei geht er nicht nur auf den eigentlichen Bewegungsablauf ein:
- “Es beginnt damit, dass ich das Zeichen erhalte, dass ich dran bin → muss Ball suchen/nehmen, Ruhe geniessen, alleine auf dem Feld, keine wirklichen Gedanken, in the zone.
- Kurz daran denken, dass ich das schon x-Mal erlebt oder durchgespielt habe.
- Ich atme noch einmal ganz tief aus, das ist mein Startzeichen. (…)
- Fokus auf das Vorwärtslaufen, vielleicht ein Blick zum Tor, Netz anschauen, Zuschauer im Hintergrund nehme ich so halb wahr. (…)
- Kontrollblick, ob die Position des Torhüters meine Idee zulässt.
- Ungefähr bei der äusseren Torraumlinie muss ich meinen Bewegungsablauf starten, damit es passt.
- (…) Ball auf links nehmen, spüren, dass der Torhüter zu spät kommt und nicht mehr rechtzeitig reagieren kann.
- Ich nehme effektiv den Moment wahr, wo der Torhüter mit dem Körpergewicht falsch drin ist, ab dann heisst es, einfach möglichst schnell den Ball im Netz zappeln lassen. (…)
- Und nun, grosser Jubel oder Zurückhaltung? Kommt auf die Situation an, aber bei einem Penalty an der WM kommt einfach Erleichterung auf und ich kann die Reaktion der Schweizer Fans wahrnehmen. Come on!!!!”
Vorstellung trifft Realität
Wenige Stunden bevor sich diese Situation im realen Leben des Matthias Hofbauer zutragen sollte, hatte der Nati-Captain seinen Penalty schon mehrfach erlebt. Eben vor dem geistigen Auge. Aufgrund der Produktion einer Multi-Media-Story von Swiss Unihockey über Matthias Hofbauer war eine Kamera bei der sportpsychologischen Session dabei. Diese exklusiven Bilder sind während der Sitzung von Dr. Hanspeter Gubelmann und Matthias Hofbauer entstanden:
Ausschnitt aus der Multi-Media-Story von Swiss Unihockey: Am Ende eines Traums (Link)
Das Bewegungsvorstellungstraining braucht Energie und kann anstrengend sein. Zumal Dr. Hanspeter Gubelmann sehr intensiv an Details wie Rhythmus, Geräuschkulisse und Bewegungsmustern arbeitet. Ziel ist es, dass der Ablauf des inneren und äusseren Films, auf den Sportler zurückgreifen kann, bestmöglich aufeinander abgestimmt wird. Für den Unihockey-Star Matthias Hofbauer war es den Aufwand, selbst im Spätherbst seiner Karriere, aber wert. Das mentale Training könne sehr konkret und hilfreich sein, betont er. Und Hofbauer weiter: «Wenn man sich so gut vorbereitet hat und deshalb mit einem guten Gefühl an diese Situation herangehen kann, dann bringt das nicht nur Erfolg in der Ausübung, sondern mindert bei Rückschlägen auch die Gefahr, gleich aufzugeben.»
Mehr Einblicke in der Multi-Media-Story von Swiss Unihockey
Dieses praktische Beispiel zeigt eindrücklich, wie ein Bewegungsvorstellungstraining umgesetzt und damit sowohl das Fertigkeits- als auch das Selbstkontrolltraining gesteigert werden kann. Wer den Penalty des WM-Halbfinals letztlich sehen will, wissen möchte, wie viel der Schuss wert war und was Matthias Hofbauer an seiner letzten WM als Spieler erlebt hat, dem sei die Multi-Media-Story von Swiss Unihockey empfohlen:
Multi-Media-Story: Am Ende eines Traums
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