Matthias Sammer ist als innovativer Querdenker bekannt, der gern über den Tellerrand hinaus blickt. Beim diesjährigen SPOBIS, Europas größtes Sportbusiness-Event, referierte Sammer über den Zustand des deutschen Fußballs. Dabei vertrat er die Auffassung, dass man in Vereinen und Verbänden mehr Kompetenz brauche. Wirklich spannend dabei: Angesichts der quantitativ und qualitativ immer größer werdenden Trainerstäbe stellt sich für unsere Disziplin mehr denn je die Frage, wie der Sportpsychologe als Teil des Trainerteams seine Kompetenzen gewinnbringend einbringen kann? Oder noch einen Schritt zurück: Wie sollte ein Sportpsychologe in einem Team etabliert werden und welche Vorkehrungen sollten getroffen werden, um vermeidbare Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen?
Zum Thema: Was zu beachten ist, wenn ein Sportpsychologe Teil des Trainerstabs werden soll
Bevor der Startschuss für eine konkrete Umsetzung sportpsychologischer Maßnahmen und der Implementierung von Inhalten in den Alltag einer Fußballmannschaft fallen kann, bedarf es zunächst einer intensiven Vorarbeit. Im Vorfeld gilt es, Vorstellungen bezüglich der Sportpsychologie als solche auszutauschen. Dabei besteht eine wichtige Aufgabe für den Sportpsychologen darin, aufzuzeigen, welches Menschenbild er repräsentiert, welche Arbeitsweise er an den Tag legt und was die Sportpsychologie zu leisten imstande ist – und was nicht.
Das Trainerteam sollte nach diesem Gespräch eindeutig wissen, welchen Mehrwert die Sportpsychologie sowohl für das System als auch für die einzelnen Akteure des Systems liefern kann. Sofern die Trainer ein grundsätzliches Verständnis von der Sportpsychologie haben sowie ein Interesse an einer Zusammenarbeit an den Tag legen, sind die ersten entscheidenden Schritte gesetzt.
Eine Rollen- und Aufgabenklärung als Basis für eine Zusammenarbeit
Anschließend bedarf es einer eindeutigen Rollen- und Aufgabenklärung zwischen dem Sportpsychologen und dem Trainerteam. Dies bedeutet in erster Linie, dass die Kompetenzbereiche klar abgesteckt werden müssen. Zudem sollte der Frage nachgegangen werden, wie eine Integration der Sportpsychologie in den Trainingsbetrieb grundsätzlich aussehen kann. Zentrale Fragen, die sich alle Beteiligten stellen sollten, sind zum Beispiel:
- Wie sieht die Rollenverteilung innerhalb des Trainerteams aus?
- Was braucht es, damit alle Beteiligten ihre Rollen mit Leben füllen können?
- Wofür ist der Sportpsychologe zuständig und wofür nicht?
- Welche Informationen werden innerhalb des Trainerteams wie kommuniziert?
- Welchen Einfluss nimmt der Sportpsychologe auf Entscheidungsprozesse des Trainerteams?
- Wie kann das Trainerteam als Einheit auftreten, um die Sportpsychologie den Spielern des Teams möglichst gewinnbringend nahezubringen?
- Welchen Stellenwert nimmt die Sportpsychologie in der täglichen Trainingsarbeit generell ein?
- Wie kann dies den Spielern der Mannschaft kommuniziert werden?
Eine eindeutige Klärung von Rollen und Aufgaben zwischen den Beteiligten des Trainerteams und dem Sportpsychologen stellt somit ebenso eine zentrale Voraussetzung für eine produktive Zusammenarbeit dar wie der regelmäßige Austausch innerhalb des Trainerteams. In diesem Kommunikationsprozess sollten auch psychologische Themen angesprochen und thematisiert werden.
Mögliche Stolpersteine für eine Zusammenarbeit zwischen Sportpsychologe und Trainerteam
Fußball ist und bleibt eine Mannschaftssportart. Für die Leistungsfähigkeit eines Spielers und eines Teams spielen neben mentalen Aspekten auch technische, taktische und konditionelle Faktoren eine entscheidende Rolle. Dementsprechend stellt die Sportpsychologie zwar eine Wissenschaft dar, deren regelmäßige theoretische wie praktische Implementierung in den Trainingsbetrieb wichtig erscheint. Dennoch muss der Sportpsychologe akzeptieren, dass weitere Wissenschaften (z.B. die Trainings- und Bewegungswissenschaften) ebenso zu berücksichtigen sind. Folglich ist ein Bewusstsein dafür wichtig, dass die Sportpsychologie lediglich ein Teilaspekt im Trainingsalltag darstellen kann. Sie sollte ein Baustein darstellen, die dem großen Ganzen dient. Es ist eine wichtige Aufgabe des Sportpsychologen, immer wieder proaktiv auf die Coaches zuzugehen und mögliche sportpsychologische Inhalte sowie deren Umsetzung vorzuschlagen.
Das Verhältnis zwischen Trainerteam und Sportpsychologe wird insbesondere dann auf eine harte Geduldsprobe gestellt, wenn Trainer oder Co-Trainer einfordern, dass vertrauliche Inhalte, die der Spieler dem Sportpsychologen in Einzelsettings offenbart, an das Trainerteam kommuniziert werden. Dies würde die berufsethischen Richtlinien (Schweigepflicht) massiv verletzen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Sportpsychologe und Trainerteam ist daher umso wichtiger, um eine solche Situation erst gar nicht entstehen zu lassen.
No-Go für Sportpsychologen
Ein No-Go für einen Sportpsychologen stellt zudem eine Einmischung in trainerspezifische Kompetenzbereiche dar. Das Trainerteam sollte spüren können, dass der Sportpsychologe bereit ist, sich ein Stück weit unterzuordnen und dennoch in der Lage ist, proaktive Aspekte, die in seinen Kompetenzbereich fallen, anzugehen und zu bearbeiten.
Zudem sollte der Sportpsychologe darauf achten, sich freizumachen von persönlichen Eitelkeiten. Als wichtige Bezugsperson für die Spieler eines Teams hat er eine Vorbildfunktion inne und sollte sein Auftreten und Verhalten entsprechend darauf ausrichten. Konkret bedeutet dies, dass er insbesondere in Einzelsettings Neutralität wahren und vor dem entsprechenden Spieler nicht negativ über die Trainer sprechen sollte. Vielmehr sollten diese durch das Auftreten des Sportpsychologen spüren können, dass in eine Richtung gearbeitet wird, am vielzitierten „Strang“ gemeinsam gezogen wird.
Sportpsychologe und der Trainer
Ein weiterer Stolperstein liegt in der Ungeduld vieler Coaches begründet. Diese wollen vom Sportpsychologen schnellstmöglich „Lösungen“, beispielsweise bei auffälligen Verhaltensweisen einzelner Spieler, präsentiert bekommen. Die Sportpsychologie vermag insbesondere dann, wenn sie langfristig wirken kann, menschliches Erleben und Verhalten positiv beeinflussen, doch auf Knopfdruck Wunder wirken vermag sie nicht. Zumindest nicht immer.
Fazit
Sportpsychologische Inhalte haben angesichts der Komplexität der Mannschaftssportart Fußball eine große Bedeutung. Damit der Sportpsychologe seine Kompetenzen innerhalb des Trainerteams gewinnbringend einsetzen kann, sind einige wichtige Aspekte für alle Beteiligten zu beachten. Viele mögliche Klippen lassen sich jedoch durch eine eindeutige und rechtzeitige Auftrags- und Rollenklärung sowie durch eine gute Kommunikation umschiffen.
Wenn der Artikel Ihr Interesse geweckt hat oder Sie gegebenenfalls noch Fragen haben, melden Sie sich gerne bei einem meiner Kollegen (https://www.die-sportpsychologen.de/sportpsychologen-nach-sportarten) oder mir (https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/).
Literatur:
Horeni, M. (2019). Er ist so frei. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zugriff am 13.02.19 unter https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/matthias-sammer-ist-der-freie-mann-im-deutschen-fussball-16019925.html
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