Im Rahmen des modernen Zeitalters von Internet, Smartphone und Co. bilden sich viele neue Forschungsfelder. Auch die Psychologie und insbesondere die Sportpsychologie durchlebt Veränderungen im Rahmen der Technologisierung und Digitalisierung. So fällt der Begriff “E-Sport” nach und nach in der Forschung. Doch was genau ist das Phänomen und welche Auswirkungen hat das für die angewandte Sportpsychologie?
Zum Thema: E-Sport als sportpsychologisches Arbeitsfeld
E-Sport oder auch electronic sports ist die Bezeichnung für professionelle Wettkämpfe mit Videospielen. Was früher noch eine reine Freizeitbeschäftigung war, wird heute sehr aktiv und professionell betrieben sowie ebenso vermarktet. Wie im Profi-Sport gibt es hier eigene Mannschaften, welche SpielerInnen anwerben und umfassend betreuen. Aber auch traditionelle Sportvereine, wie etwa Schalke 04 investieren bereits in E-Sport. Im Laufe der letzten Jahre steigerte sich das Interesse der Wissenschaft an dem Phänomen. Dies betrifft insbesondere Effekte des Spielens auf Struktur und Funktion des Gehirns, sowie Forschung zur Motivation von SpielerInnen bzw. ZuseherInnen. Auch die Industrie hat großes Interesse an E-Sport, denn mit der Entwicklung geht ein großes wirtschaftliches Potenzial einher.
Wie Videospiele Geist und Gehirn beeinflussen wurde bereits in der kognitiven Neurowissenschaft untersucht. Hierbei ließen sich positive Effekte des Gamings auf visuelle und räumliche Aufmerksamkeit, sowie auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Reizen finden. Zusätzlich, wenn Videospiele als systematische Trainingsmöglichkeit eingesetzt werden, kann dies zu einer erhöhten Aufmerksamkeitskontrolle beitragen (Bavelier et al., 2011).
Forschung noch am Anfang
In den Medien wird jedoch oft eine andere Facette des Gamings hervorgehoben: Die Internet-Sucht. Tatsächlich sind die genauen Ursachen, sowie diagnostische Kriterien für die Erkrankung noch unklar. Hervorzuheben ist aber, dass sich im Gehirn anatomische Unterschiede zwischen Personen mit einer Internet-Sucht und professionellen Videospielern finden lassen. Die Profis zeigen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ein höheres Volumen an grauer Masse im linken cingulären Gyrus, welcher für exekutive Funktionen und visuell-räumliche Verarbeitung zuständig ist. Auch fanden Forscher bei den erfahrenen Videospielern ein verringertes Volumen im linken Thalamus, welcher starken Einfluss auf unsere konditionierten Verhaltensmuster (und somit auf die Ausprägung einer Sucht) haben kann (Han et al, 2012).
Die Forschung der Psychologie des E-Sports steht trotz allem noch am Anfang. Den aktuellen Stand der psychologischen Forschung in dem Bereich haben Banyai et a. (2018) in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst. Hier lassen sich vor allem drei große Fragestellungen identifizieren:
- Wie und warum wird man ein(e) professionelle(r) E-Sport AthletIn?
Grundsätzlich muss man zwischen E-Sport AthletInnen und Hobby-SpielerInnen unterscheiden. Für die professionellen SpielerInnen wird das Spiel zum Beruf. Für die Hobby-SpielerInnen ist es Ausgleich zum Alltag oder einfach Zeitvertreib. Es kann also zu einer Veränderung in der motivationalen Struktur der SpielerInnen kommen, wenn das Hobby zum Beruf wird. Seo (2016) befragte dazu zehn professionelle E-Sport AthletInnen, welche folgende Gründe angaben, die sie dazu führten eine Karriere in der Gaming-Welt anzustreben: die Auslebung und Verfeinerung der eigenen Fähigkeiten, der Drang nach ständiger Selbstverbesserung, sowie die Bedeutung von Fairness, gegenseitiger Anerkennung und Respekt.
- Welche Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen E-Sport AthletInnen?
Himmelstein et al. (2017) befragten E-Sport AthletInnen, um grundlegende mentale Fähigkeiten, sowie auch Hindernisse einer guten Performance herauszufinden. Neben nötigem Fachwissen über das Spiel, sowie schnelle strategische Entscheidungen treffen zu können, ist es auch wichtig, motiviert zu bleiben und Grenzen zwischen Alltag und Wettkampf ziehen zu können. Ebenso kommt der Aufrechterhaltung der Konzentration sowie dem Umgang mit Rückschlägen und Niederlagen und der Beibehaltung einer positiven Einstellung eine wichtige Rolle zu. Genau wie im “normalen” kompetitiven Sport ist es wichtig, sich vor dem Wettkampf aufzuwärmen. Dies gilt sowohl für mentale, aber auch physische Aspekte. In Gruppensettings ist es auch bedeutsam, Kommunikationsfähigkeiten auszubauen und seinen Teammitgliedern zu vertrauen. Vor allem, da verschiedene Nationalitäten in Teams heutzutage eher die Norm, als die eine Ausnahme sind. Hindernisse in der Performance eines E-Sportlers sind vergleichbar mit denen eines jeden anderen Athleten: ein Mangel an Selbstbewusstsein, schlechte Copingstrategien in Drucksituationen und nach Fehlern, sowie ein schlechter Teamzusammenhalt und fehlende gemeinsame Entwicklung.
- Was bringt Menschen dazu, das Phänomen E-Sport als Zuseher zu verfolgen?
Die E-Sport Fanbase wächst Jahr für Jahr. So haben zum Beispiel im Jahr 2017 über 60 Millionen Personen das Finale der 7. Saison des Spiels League of Legends, in dem zwei Teams à fünf Spieler gegeneinander antreten, verfolgt (Ling, 2017). Aber woher kommt die Faszination? Für viele ist es einfach eine Freizeitaktivität, ähnlich einem Abend vor dem Fernseher auf der Couch. Ansprechend ist dabei besonders, zu sehen, wie gut die Profis in dem Spiel tatsächlich sind. Viele bewundern die schnelle Reaktionszeit und strategischen Spielzüge. Zu einer spannenden Atmosphäre tragen außerdem auch professionelle Kommentatoren bei.
Voruteile und Potential für die Sportpsychologie
Ein Vorurteil E-Sport gegenüber ist jenes des “faulen Gamers”. In einer Studie befragten Kari & Karhulathi (2006) professionelle Spieler zu ihrem Sportverhalten. Hierbei haben 80% der Befragten angegeben, ein aktives körperliches Trainingsprogramm zu verfolgen, um einerseits gesund zu bleiben, aber auch um im E-Sport selbst erfolgreicher performen zu können.
Was bedeutet das Heranwachsen des Phänomens nun für die angewandte Sportpsychologie? Einerseits sind hier, wie auch bei jeder anderen Sportart, Themen, wie Wettkampfangst, Leistungsdruck und Konzentrationsfähigkeit relevant. Auch Kommunikationstraining und Teamcoaching kann hilfreich sein, da viele der kompetitiv betriebenen Videospiele Teams aus mehreren Personen beinhalten und nur eine optimale Zusammenarbeit den Sieg ermöglicht. Gern stehen meine Kollegen (zu den Profilseiten) und ich (zur Profilseite von Dr. Fabio Richlan) für Anfragen aus dem E-Sport zur Verfügung.
Der Text ist unter der Mitarbeit von Angelika Basler entstanden.
Quellen:
Bányai, F., Griffiths, M. D., Király, O., & Demetrovics, Z. (2018). The psychology of esports: A systematic literature review. Journal of gambling studies, 1-15.
Bavelier, D., Green, C. S., Han, D. H., Renshaw, P. F., Merzenich, M. M., & Gentile, D. A. (2011). Brains on video games. Nature reviews neuroscience, 12(12), 763.
Han, D. H., Lyoo, I. K., & Renshaw, P. F. (2012). Differential regional gray matter volumes in patients with on-line game addiction and professional gamers. Journal of psychiatric research, 46(4), 507-515.
Han, D. H., Lyoo, I. K., & Renshaw, P. F. (2012). Differential regional gray matter volumes in patients with on-line game addiction and professional gamers. Journal of psychiatric research, 46(4), 507-515.
Himmelstein, D., Liu, Y., & Shapiro, J. L. (2017). An exploration of mental skills among competitive League of Legend players. International Journal of Gaming and Computer-Mediated Simulations (IJGCMS), 9(2), 1-21.
Kari, T., & Karhulahti, V. M. (2016). Do E-Athletes Move?: A Study on Training and Physical Exercise in Elite E-Sports. International Journal of Gaming and Computer-Mediated Simulations (IJGCMS), 8(4), 53-66.
Ling, X. (2017, November 17). The League of Legends Worlds final reached 60 million unique viewers. Retrieved July 17, 2018, from https://dotesports.com/league-of-legends/news/lol-worlds-final-viewership-18796
Seo, Y., & Jung, S. U. (2016). Beyond solitary play in computer games: The social practices of eSports. Journal of Consumer Culture, 16(3), 635-655.
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