Ob Fußball, Handball oder Basketball – jedes Wochenende stehen sie im Fokus von Spielern, Trainern und Fans. Dabei wird ein gelungenes Spiel von Kollegen oftmals auch so genannt, wenn sie eben nicht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Schiedsrichter sind in deutschen Profiligen nicht wegzudenken, jeder braucht sie und dennoch ernten viele wenig Verständnis für ihre Arbeit.
Zum Thema: Über Drucksituationen im Schiedsrichterjob
„Bei so einer Leistung kann man nicht gewinnen!“, „Dieser Herr hat einen enormen Geltungsdrang.“ oder „So pfeift man uns in die zweite Liga.“ Ich könnte noch viele weitere Beispiele anführen und die Liste individuell beliebig ergänzen. Teilweise zwei Mal pro Wochenende sind Schiedsrichter im Einsatz, viele von ihnen arbeiten unter der Woche in normalen Berufen. Und auch wenn sie gar nicht im Fokus des Spieltags stehen wollen, so tun sie es doch wieder und wieder, wenn es um vermeintlich spielentscheidende Szenen geht: Elfmeter oder nicht? Fouls in der Crunchtime? Zeitstrafe? Denn eine Entscheidung wird in jedem Fall getroffen, ob Spielunterbrechung oder nicht.
Der Job eines Schiedsrichters ist es, Entscheidungen zu treffen – möglichst objektiv und auf Grundlage des aktuellen Regelwerks. Nur bringt jede Entscheidung unmittelbar eine Konsequenz mit sich. Ähnlich wie bei Spielern, die einen Passweg zu kurz einschätzen und als Konsequenz einen Fehlpass ernten. Oder Trainer, die bei wenigen Sekunden verbleibender Spielzeit einen Spielzug ansagen. Konsequenzen sind uns im Kontext Sport nicht fremd, sondern bestimmen maßgeblich die Richtung des Spiels mit – bei allen Akteuren des Spiels.
Konsequenzerwartung als Theorie
Bandura (1977, 1992) beschreibt die soziale Lerntheorie. Von dieser ausgehend, gibt es im Bereich menschlicher Handlungen Komponenten, welche diese unmittelbar beeinflussen. Jede Handlung bringt ein Ergebnis mit sich, was vorab antizipiert wird. Der Schiedsrichter sieht einen Kontakt, den er als Foul bewertet. Nun wird er unter Umständen die folgenden Reaktionen vorhersehen und sich auch ausmalen können, ob seine Handlung positive oder negative Reaktionen hervorrufen wird. In der Psychologie spricht man hierbei von Konsequenzerwartung. Ein Prozess, der oftmals intuitiv, teilweise aber auch sehr bewusst wahrgenommen wird. Das alles passiert auch in der Gewissheit, dass keine aktive Entscheidung zumindest auch eine passive sein wird. Ein ausbleibender Pfiff ist auch eine Entscheidung – mit entsprechender Konsequenz.
Patrick Ittrich ist Fußball-Bundesliga Schiedsrichter und beschreibt in einer Doku das NDR seine Arbeit als Unparteiischer. Dabei fällt zum einen auf, dass im Schiedsrichterjob zwar Assistenten vorhanden sind, die Entscheidungen aber oftmals alleine oder durch wenige Augen getroffen werden müssen – und das in kürzester Zeit. Wo bei Mannschaften der positive oder negative Ausgang des Spiels eine Verkettung diverser Entscheidungen aller Teammitglieder darstellt, stehen die Schiedsrichter sofort im Fokus – ähnlich wie Einzelsportlern oder kleinen Teams. „Sie alle wissen, was in den nächsten Monaten auf sie zukommt: Lob gibt es fast nie, dafür jede Menge Gegenwind.“ So wird Ittrich´s Job beschrieben, mit all den Drucksituationen, die im Laufe einer Saison auf den Schiedsrichterkader zukommen. Hier steht nicht nur der Umgang mit Fehlern auf der Liste, sondern auch die Erwartung überdurchschnittlich fit zu sein oder besonders theorievertraut.
Sportpsychologie kann auf verschiedenen Ebenen helfen
Der Schiedsrichter Patrick Ittrich nutzt bereits regelmäßig die Dienste der Sportpsychologie. Mögliche Hilfen sollen nachfolgend kurz aufgeführt werden:
- Umgang mit „entscheidenden“ Fehlern
- Leistung „on point“ – Spieltagsvorbereitung im Kopf
- Umgang mit (öffentlicher) Kritik
- Umgang mit Gedankenspiralen nach „schlechter“ Leistung
- Psychologische Gesprächsführung während des Spiels
Meine Kollegen (zu den Profilen von Die Sportpsychologen) und ich (zum Profil von Johannes Wunder) stehen gern bereit, wenn Schiedsrichter Unterstützung wünschen. Wir freuen uns also über die Vereinbarung eines kostenfreien Erstgesprächs.
Quellen:
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a Unifying Theory of Behavioral Change. Psychological Review, 84 (7), 191-215.
Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The Exercise of Control. New York: Freeman.
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