Bei meinen Recherchen zum Umgang mit sozialen Medien im Sport ist mir bereits des Öfteren das allseits präsente Phänomen des „Trackings“ untergekommen. Egal ob über diverse Fitness-Apps, eine Online-Community oder direkt über soziale Netzwerke wie Facebook: als Leistungsgesellschaft leben wir in einem Zeitalter, das durch die Suche nach Anerkennung geprägt ist. Dabei hilft uns das online Tracking sportlicher Leistungen ungemein.
Zum Thema: Was SportpsychologInnen von sozialen Medien wissen sollten (Teil 11)
Wer kennt das nicht? Die Smartwatch hat keine Akku-Leistung mehr und der Lauf macht schon vorher nur halb so viel Spaß. Wer soll nun meine Leistung im Nachhinein bewerten (außer vielleicht mein tierischer Laufpartner, der mich keuchend an der langen Leine begleitet), wie kann ich meinen virtuellen Freunden meine neu entdeckte Route, die Höhenmeter und vor allem meine Bestzeit präsentieren? Heute gar nicht? Wieso dann laufen?
Hinweis: Du kannst dir Johanna Constantinis Beitrag auch anhören. Unsere Profilinhaberin aus Österreich hat den Text eingelesen. Hier geht es zur Audio-Datei:
Von Online-Bestätigung und digitaler Messbarkeit
Dieses Beispiel soll natürlich als Extremfall dienen, der jedoch einen nicht unwesentlichen Teil der heutigen Leistungsgesellschaft widerspiegelt. Denn wer leistet, der präsentiert dies oftmals auch online. Wie sonst hätten Fitness-Tracking-Apps wie Runtastic es geschafft, nach vier Jahren am Markt rund 70 Millionen Nutzer weltweit zu zählen (dpa, 2015). Das 2009 gegründete Linzer Unternehmen wurde mittlerweile übrigens von Adidas übernommen – Unternehmenswert damals: 220 Millionen Euro.
Nicht nur, dass Millionen von Usern ihre ganz persönlichen Erfahrungen mithilfe von Apps teilen, sondern, dass die Fitnessdaten der User selbst den Wert der“ digitalen Helferchen“ ausmachen. Schließlich entscheiden wir als User, welche neuen Features entwickelt werden müssen, und nicht umgekehrt.
Wissen ist macht – vor allem im online Bereich
Weil die Dosis das Gift verursacht, so sollten wir uns bewusst machen, dass wir als User sozialer Netzwerke mitbestimmen, welche Phänomene aufkommen und welche aufgrund von zu geringer Nachfrage keine Rolle spielen. So beschreibt der Psychotherapeut und Buchautor Martin Altmeyer das Streben nach Anerkennung online als ein ständiges Wechselspiel zwischen Effizienz-Maxime & Glücks-Maximen (Altmeyer, 2012). Was macht uns als SportlerInnen, TrainerInnen oder SportpsychologInnen also effizient genug, um unseren Anforderungen nachkommen zu können? Und – wenn nicht viel wichtiger – was macht uns dabei glücklich?
Während Fitness-Apps uns beispielsweise sehr wohl dabei helfen können, Trainingspläne effizient zu gestalten, uns austauschen und neue Erfahrungen mit anderen Usern zu teilen, sollten wir dabei genauso auf die Glücks-Maxime in unserem Training achten.
Fazit
Macht uns oder unsere AthletInnen das Training nur glücklich, wenn wir und sie dieses mit beinahe unbekannten, virtuellen Freunden teilen können? Würden wir oder sie eigentlich lieber abseits jeglichen Online-Trackings trainieren? Lassen sich offline Trainings überhaupt umsetzen und wenn ja, wann macht es Sinn, sich auszuloggen? Wenn wir online sind, wie werden wir mit Leistungseinbußen umgehen? Wollen wir diese ebenfalls in unserer Community teilen? Fragen über Fragen, die wir uns nicht scheuen sollten zu stellen, um die Dosis einzustellen, die dem Gift vorbeugt.
Die komplette Serie:
- Folge 1: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/02/23/johanna-constantini-was-moderne-sportpsychologen-ueber-soziale-medien-wissen-sollten/
- Folge 2: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/03/14/johanna-constantini-instant-messaging-als-stressfaktor/
- Folge 3: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/05/16/johanna-constantini-warum-die-bedeutung-der-intrinsischen-motivation-in-der-digitalen-welt-steigt/
- Folge 4: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/07/09/johanna-constantini-kommunikation-ueber-soziale-medien-welche-auswirkungen-hat-die-interaktion-der-fans-auf-athleten/
- Folge 5: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/22/johanna-constantini-ich-poste-also-bin-ich-skype-und-social-media-in-der-modernen-sportpsychologie/
- Folge 6: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/29/johanna-constantini-please-like-me-wie-sich-der-vergleich-in-sozialen-medien-auf-den-selbstwert-unserer-athletinnen-auswirkt/
- Folge 7: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/09/21/johanna-constantini-spieglein-spieglein-an-der-pinn-wand-oder-das-digitale-lob/
- Folge 8: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/10/15/johanna-constantini-together-alone-wann-das-digitale-publikum-uns-nichts-mehr-nuetzt/
- Folge 9: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/02/johanna-constantini-digitales-pausenverhalten-und-die-risiken-von-sozialen-medien-in-verletzungsphasen/
- Folge 10: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/22/johanna-constantini-augen-auf-smartphone-aus-wann-offline-sein-im-wettkampf-wichtig-ist/
Quellen
Altmeyer, Martin. Auf der Suche nach Resonanz: Wie sich das Seelenleben in der digitalen Moderne verändert Taschenbuch. 2016
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