Thorsten Loch: Abstiegskrise – Maßnahmen für den Trainer

Ein Abstiegskampf geht an niemanden spurlos vorbei. Im Fokus stehen dabei nicht selten die Trainer. Denn Im Vergleich zu den einzelnen Spielern besitzt der Trainer den weitreichensten Einfluss innerhalb des Teamgefüges. Er entscheidet über die Aufstellung, Taktik und Umfang sowie Gestaltung des Trainings. Wir sehen also, dass aufgrund seiner Position und Handlungsmöglichkeiten, der Trainer mit seiner Art und Weise im Umgang mit Krisensituationen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung hat.

Zum Thema: Wie Trainer in sportlichen Krisensituationen handlungsfähig bleiben können

Es erscheint logisch und nachvollziehbar, dass ein Trainer mit immer wiederkehrender Misserfolgserlebnissen wohl eher selten zufrieden mit seiner eigenen Arbeit sein dürfte. Das bedeutet nicht, dass ausschließlich ihm die alleinige Verantwortung für den Ausbleibenden Erfolg zugeschrieben werden darf, jedoch geben sportliche Misserfolgsphasen Anlass, dass eigene Tun kritisch zu hinterfragen. Aus dieser Situation heraus ist es nicht immer leicht, eigene Fehler und damit Verbesserungspotential zu erkennen. Nicht zuletzt, weil Trainer unter einem permanenten Rechtfertigungsdruck stehen (man denke an die Medien, Fans, Spieler, usw.). Zeitgleich sind die Coaches jedoch dazu gezwungen, ihre eigene Position zu stärken – im Hinblick auf drohenden Autoritätsverlust.

Aufgrund des sehr hohen psychischen Drucks und aus der Trainerrolle erwachsende notwendige Vorsicht, bei der Offenbarung von Unsicherheit, sollten Trainer aus meiner Sicht die Hilfe eines externen (sportpsychologischen) Beraters in Anspruch nehmen. Hieraus ergibt sich für sie die Möglichkeit, offen über die Wahrnehmung der Situation zu reden, sich emotional zu entlasten und die Situation auch wieder durch eine neue Brille zu sehen. Der Vorteil eines externen Beraters ist, nicht Teil des Vereinssystems zu sein und damit zunächst einmal frei von jeder Mitverantwortung für die Krisenentstehung. Aus dieser Position heraus ist es der Person möglich, unvoreingenommen über die aktuelle Lage zu sprechen und dem Trainer Rückmeldung zu geben.

Vereinfachung der Taktik trifft auf exzessive Taktikschulung

Die Erhöhung der Handlungssicherheit ist nicht durch einen einzelnen Schritt, sondern durch ein Bündel von Maßnahmen zu erreichen. Hier kann es z.B. hilfreich sein, die spieltaktische Ausrichtung ein wenig zu verändern. Möglicherweise macht es Sinn, sich mehr auf die Basis zu stützen, wie Disziplin, Kampfbereitschaft, Athletik usw. umso wieder an Handlungssicherheit zu gewinnen. An jenem Punkt schließt sich folgender an.

Auch die Umsetzung einer einfacheren Taktik erfordert im ersten Schritt, dass diese von allen Spielern nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht wird. Idealerweise sollte jeder Spieler ganz genau wissen, welche taktischen Aufgaben von ihm verlangt werden. In diesem Zusammenhang sollte der Trainer seine Ideen/Ziele zum einen handlungsorientiert und schwerpunktmäßig prozessorientiert vermittelt. Diese Vorgehensweise in Kombination bzw. verknüpft formuliert als Teilziele, sollten hier favorisiert werden. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass der Trainer eine klare Vorstellung von dem Bild besitzt, welches er von dem jeweiligen Spieler fordert.

Wettkampforientierte Visualisierung

Mittels einer wettkampforientierten Visualisierung wird es möglich, dass die Spieler wieder Sicherheit im Kopf gewinnen. Hier können die Spieler in Wettkampfsituationen gebracht werden. Das entscheidende Stichwort ist in diesem Zusammenhang „Handlungsorientierung“. Wenn der Spieler sich in der Wettkampfsituation befindet und genau weiß, wie er zu reagieren hat, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser auch in der realen Situation so agiert.

Die Spieler haben die jeweilige Spielsituation schon einmal durchgespielt und erlebt und dabei die Erfahrung gemacht, aus sie aus ihrer eigenen Stärken heraus diese Herausforderung erfolgreich bewältigen können. Dies gibt Sicherheit in den Köpfen der Spieler. Voraussetzung hierfür ist, dass jeder Spieler ein realistisches Bild von sich und seinen Fähigkeiten besitzt, sowie sich möglichst authentisch/erlebbar in eine Wettkampfsituation begeben kann.

Veränderung der Einstellung gegenüber den Spielern

Anhand wissenschaftlicher Untersuchungen konnte herausgefunden werden, dass Trainer in Krisenzeiten intensiven Ärger gegenüber ihren Spielern entwickeln oder aber einen abwertende-resignative Haltung einnehmen (siehe dazu den Blog von Dr. René Paasch; emotionale Intelligenz). Diesen typischen menschlichen Denkfehler wird auch als „fundamentalen Ursachenerklärungsfehler“ bezeichnet. Dieser beschreibt, dass bei der Erklärung des Verhaltens anderer Personen eher Ursachen gesucht werden, die in der Person selbst liegen, und weniger Ursachen, die in der begründet Situation liegen.

Es ist leichter anzunehmen, dass ein Spieler viele Fehler macht, weil ihm die nötige Qualität fehlt (Ursache in der Person), als anzunehmen, dass die Situation es ihm schwer macht, gut zu spielen (Ursache in der Situation). Dieses Phänomen lässt sich sehr schön nach einem Wochenende beobachten, wenn die Leistungen der Profis in Clubheimen und/oder Kabinen diskutiert werden. Dabei sind Aussagen wie „Die verdienen doch Millionen, dann sollen sie auch Leistung bringen!“ keine Seltenheit, oder? 😉

Praxistipp

Folgende praktische Übung eignet sich hervorragend, um Ärger gegenüber einzelnen Spielern abzubauen. Versuchen Sie es. Folgen sie einfach den aufgezeigten Schritten.

  1. Schließen sie die Augen und nehmen eine angenehme Position ein. Atmen sie tief und gleichmäßig ein und aus. Stellen Sie sich die Person vor, übet die sie sich besonders ärgern. Vielleicht kommen ihnen dabei sofort alle negativen Eigenschaften dieses Spielers in den Sinn.
  2. Nun tun Sie etwas gegen Ihre Gewohnheit: Überlegen Sie, was Ihnen an diesem Menschen gefällt. Positives gibt es bei jedem zu entdecken. Wichtig ist, dass Ihnen irgendetwas einfällt, was Sie an diesem Spieler gut oder auch nett oder sympathisch finden. Versuchen Sie, diesen Spieler so positiv zu sehen, wie es Ihnen möglich ist.
  3. Denken Sie darüber nach, warum und wieso auch dieser Spieler unter der Situation leidet und welchen Beitrag die Krisensituation dazu leistet, dass dieser Spieler nicht sein volles Leistungspotential entfaltet.
  4. Überlegen Sie, wie Sie diesem Spieler dabei helfen könnten, mit seinen Schwierigkeiten fertig zu werden.

Zugegebenermaßen ist die Übung nicht leicht und erfordert ein wenig Mut bzw. erfordert, dass Sie über ihren eigenen Schatten springen. Jedoch lohnt es sich, einmal eine andere Perspektive einzunehmen. Und ehrlich gesagt, ist der Perspektivwechsel nicht eine der Hauptaufgaben eines Trainers? Im Übrigen lässt sich diese Übung sehr gut zu zweit durchführen. Eine Variation besteht darin, dass man für jeden Spieler eine Karteikarte anlegt und die Antworten auf die entstehenden Fragen auf der Rückseite notiert. So können Sie über die Zeit eine Kartei anlegen und die Entwicklung der Spieler immer wieder reflektieren.

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Teamgeist und Lösungsorientierung

Ist die Verbesserung des Teamgeistes erklärtes Ziel, geht es darum Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Einzelnen enger an die Mannschaft und den Verein binden. Dabei besteht ein wichtiger Faktor in der Qualität der Beziehungen, die die Akteure zueinander haben. Die Cliquenbildung gilt es zu vermeiden. Um diesen gruppendynamischen Prozessen entgegen zu steuern, ist es sinnvoll, Maßnahmen zu realisieren, durch die Sympathie unter allen Spielern gesteigert werden.

Ergebnisse aus der sozialpsychologischen Forschung zur Entstehung von Sympathie zeigen, dass je häufiger und je länger sich Menschen begegnen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich sympathisch finden. Dies hat damit zu tun, dass Menschen nur dann Gemeinsamkeiten feststellen können, wenn sie sich begegnen. Und dieser Faktor ist die Voraussetzung für die Entstehung von Sympathie. Daraus folgt, dass der Trainer Rahmenbedingung schaffen muss, damit die Kontaktfrequenz innerhalb des Teams erhöht wird. Möglichkeiten, wie die Gestaltung der Teamentwicklung gesteuert werden kann, zeigen meine Kollegin Lisa Rückel und ich in unserer laufenden Serie auf:

Die Teamentwicklungsphase Forming:

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Thorsten Loch
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