Ein flaues Gefühl im Magen, ein erhöhter Puls, vermehrtes Schwitzen, sorgenvolle Gedanken… Viele Spieler reagieren vor anstehenden Wettkampfsituationen sowohl kognitiv als auch körperlich besonders intensiv. Spiele sind für viele Fußballer etwas Besonderes. Doch was macht sie so besonders? Und welche Möglichkeiten gibt es für einen Kicker, sich mental einzustimmen, um trotz der besonderen Drucksituation mit Zuversicht ins Spiel zu gehen? In diesem Beitrag möchte ich zwei praktische Verfahren vorstellen.
Zum Thema: Die Besonderheit der Wettkampfsituation
Das Spiel am Wochenende ist für Fußballer das (sportliche) Wochenhighlight schlechthin: Schließlich besteht die Möglichkeit, den Trainern, dem Verein, dem sozialen Umfeld – vor allem aber sich selbst – zum entscheidenden Zeitpunkt zu beweisen, welch großartiger Spieler man doch ist. Doch so verlockend dieser Anreiz für eine Vielzahl an Kickern auch sein mag: Die Besonderheit der Wettkampfsituation mit seinen Charakteristika führt oftmals dazu, dass Spieler ihr wahres Leistungspotenzial nicht abrufen können. Gedanken rund um die Konsequenzen eigener Fehler und einer möglichen Niederlage lassen viele Spieler im Vorfeld eines Spiels nervös werden. Auch die, verglichen mit dem Trainingssetting, veränderten Rahmenbedingungen (z.B. Zuschauerpräsenz, Spiel auf ungewohntem Terrain) können zur Verunsicherung des Spielers beitragen.
Welche Möglichkeiten gibt es für einen Spieler, in Zusammenarbeit mit einem Trainer und/oder Sportpsychologen, sich Sicherheit zurückzuholen? Zwei Verfahren möchte ich nun knapp vorstellen.
Individuelles Motivationsvideo
Eine Voraussetzung für die Erstellung von Motivationsvideos in diesem Kontext ist das Vorliegen von Videomaterial aus vergangenen Spielen. Individuell gestaltete Videos bieten einen sinnvollen Ansatzpunkt, um die Gefühlswelt des Fußballers im Vorfeld eines Spiels positiv zu beeinflussen. Zusammengeschnittene Videosequenzen, die den Spieler erfolgreich in Aktion zeigen, z.B. bei einem erfolgreichen Torabschluss oder einem gelungenen Dribbling, lassen das Selbstvertrauen steigen. Schließlich registriert der Spieler dann, dass er in der Vergangenheit unter ähnlichen Wettkampfbedingungen erfolgreich performt hat, sodass die anfangs möglicherweise etwas bedrohlich wirkende Wettkampfsituation nun weniger einschüchternd wirkt.
Das Motivationsvideo kann zudem musikalisch mit einem Song unterlegt werden, der dem Spieler Kraft und Zuversicht gibt. Auch die Integration eines positiven Selbstgesprächs, eines persönlichen Wettkampfmottos oder die Aufzählung eigener (fußballerischer) Fähigkeiten lässt sich technisch einfach umsetzen. Der Vorteil dieser Technik besteht unter anderem darin, dass der Spieler die Möglichkeit hat, das Video und die damit einhergehenden positiven Emotionen immer und immer wieder abzurufen. Außerdem kann es ohne Probleme in eine Vor-Wettkampf-Routine integriert werden.
Die Erinnerung an frühere Erfolge
Das eben vorgestellte Video kann als Ausgangspunkt für ein weiteres Verfahren dienen, welches zunächst von einem Sportpsychologen oder Trainer zusammen mit dem Spieler erarbeitet werden sollte. Der Kicker wird unter Einnahme einer bequemen Körperhaltung dazu angeleitet, sich bei geschlossenen Augen auf eine ruhige Atmung zu fokussieren. Anschließend richtet er seine Aufmerksamkeit auf einen sportlich besonders schönen oder erfolgreichen Moment, den der Spieler noch vor Augen hat. Nun versucht er, diese Situation detailliert unter Einbezug möglichst aller Sinne nachzuerleben. Dieses mit positiven Emotionen besetzte Erlebnis kann noch verstärkt werden, wenn während der Vorstellung gleichmäßig ein unterstützendes Selbstgespräch geführt wird.
Hat der Sportler unter professioneller Anleitung gelernt, die frühere Erinnerung regelmäßig abzurufen, besteht ein möglicher nächster Schritt für den Spieler darin, diese Vorstellung auch als mentale Einstimmung für das Spiel einzusetzen.
Fazit
Das Reservoir an Möglichkeiten, um sich als Spieler auf ein Spiel mental einzustimmen, scheint unbegrenzt. Von positiven Selbstgesprächen über Musik und schnell wirkenden Entspannungsverfahren bin hin zu Autosuggestionen oder Drehbüchern – der Fantasie sind zunächst keine Grenzen gesetzt. Aber: Wichtig ist für den Sportpsychologen bzw. den Trainer, individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Spielers einzugehen, um ihn bei der Vorbereitung auf die Wettkampfsituation bestmöglich zu unterstützen.
Wenn der Artikel Ihr Interesse geweckt hat und Sie gegebenenfalls weitere praktische Tools kennenlernen möchten, melden Sie sich gerne bei einem meiner Kollegen (https://www.die-sportpsychologen.de/sportpsychologen-nach-sportarten) oder mir (https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/).
https://www.die-sportpsychologen.de/2016/10/24/thorsten-loch-richtige-worte-fuer-die-pause/
https://www.die-sportpsychologen.de/2016/11/22/dr-hanspeter-gubelmann-let-the-music-play/
Literatur:
Engbert, K., Droste, A., Werts, T. & Zier, E. (2011). Mentales Training im Leistungssport – Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Stuttgart: Neuer Sportverlag.
Schliermann, R. & Hülß, H. (2016). Mentaltraining im Fußball – Ein Handbuch für Trainer, Übungsleiter und Sportlehrer. Hamburg: Feldhaus.
Weigelt, M. & Steggemann, Y. (2014). Training von Routinen im Sport. In: K. Zentgraf & J. Munzert (Hrsg.) Kognitives Training im Sport (S. 91- 116). Göttingen: Hogrefe.
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