Sie führen mehr als 25 Spieler. Müssen sich täglich hinterfragen, stehen dauerhaft unter medialen Beschuss, führen das Funktionsteam und müssen sich mit unterschiedlichsten Kenntnissen, Kulturen und Sprachen arrangieren. Sie tragen die Verantwortung für Erfolge und verlieren ihren Trainerjob, wenn es schlecht läuft. Fußballtrainer sind Führungskräfte mit großartigen Kompetenzen. Diese möchte ich anhand des Beispiels von Jürgen Klopp in dem nun folgenden Beitrag näher erläutern.
Zum Thema: Was können Führungskräfte von Jürgen Klopp lernen?
Wer erfolgreich führen will, muss wissen, wie er bei seinen Spielern positive Emotionen auslöst. Begeisterung und Leidenschaft sind der emotionale Kraftstoff, der Spieler zu Lust auf Leistung animiert statt mit Druck, Angst und Kontrollzwang zu führen. Jürgen Klopp ist für mich ein wahrer Meister der emotionalen Führung. Er praktiziert den so genannten Rundumführungsstil, der mich stark beeindruckt und in Verknüpfung zum “Full Range of Leadership Model” von Bass und Avolio zu ganz konkreten Deutungsansätzen inspiriert hat.
Klopps Art der Spielerführung verändert deren Einstellung und Werte und entwickelt sie dauerhaft. Aus meiner Erfahrung heraus ergeben sich vier unterschiedliche Kompetenzen, die sich eine Führungskraft (auch außerhalb des Fußballs oder des Sports) aneignen sollte. Ich gehe dabei grundsätzlich davon aus, dass Spieler bestimmte emotionale Grundbedürfnisse haben, allen voran nach Vertrauen und Weiterentwicklung. Werden diese gezielt gefördert und befriedigt, danken es die Spieler mit besonderem Engagement und Leistungsbereitschaft.
Der Rundumführungsstil (Inspiration nach “Full Range of Leadership Model” von Bass und Avolio, 1995)
1. Der persönliche Einfluss
Vielen dürfte nicht entgangen sein, dass Klopp eine ganz besondere Ausstrahlung besitzt und vorlebt, was er von anderen erwartet. Er wird von seinen Spielern als Vorbild akzeptiert und genießt höchsten Respekt. Diese Vorbildfunktion, die auf hohen moralischen Standards beruht, erzeugt ein tiefes Vertrauensverhältnis. Gleichzeitig ist dies die Basis für die hohe Identifikation der Spieler mit ihrem Trainer. Dass die Identifikation mit dem Trainer für die Leistungsentwicklung des Spielers einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt, belegen meine Erfahrungen und Aussagen von Spielern. Es fallen Aussagen wie: „Er versteht seine Spieler. Ich war bereit, mit ihm durchs Feuer zu gehen,“ oder „Er ist herausragend! Ich habe so viel von ihm gelernt“.
2. Ideengeber
Erfolgreiche Trainer verfolgen eine klare Vision und schaffen es, die Spieler für diese zu begeistern. Sie lösen Ideen und Optimismus aus. Sie geben ihren Spielern herausfordernde Ziele, erklären den tieferen Sinn und machen jedem Einzelnen klar, wie wichtig dessen Beitrag für den Teamerfolg ist. Das ist eines der Erfolgsrezepte von Jürgen Klopp. Seine Spieler berichten, dass sich der Trainer immer wieder viel Zeit nimmt, jedem einzelnen das „Warum“ hinter seinen Anweisungen und Erwartungen zu erklären.
3. Inspiration
Sie regen die kreativen und geistigen Potenziale ihrer Spieler an. Sie wollen, dass sie eigenständig denken. Sie ermuntern ihr sportliches Umfeld dazu, den Standard kritisch zu hinterfragen, gewohnte Handlungen zu überdenken und neue Lösungswege auszuprobieren. Selber mitzudenken, Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen, fördert nicht nur die persönliche Entwicklung, sondern ist gleichzeitig ein Beweis des Vertrauens, dass der Trainer seinen Spielern entgegen bringt.
4. Individualität
Jeder Spieler ist anders. Erfolgreiche Trainer betrachten ihre Spieler nicht als identisches Team, sondern wissen um die Individualität des Einzelnen. Sie kennen ihre Spieler und gehen auf die individuellen Bedürfnisse ein. Sie zeigen glaubhaftes Interesse an jedem Einzelnen und fördern bewusst die individuellen Fähigkeiten. Das wird von den Spielern als Zeichen der Wertschätzung interpretiert und erklärt, wieso sie sich so vehement für ihren Trainer und somit für ihren Verein engagieren. Jürgen Klopp zum Beispiel sagt, dass man den anderen zunächst einmal verstehen müsse, um dann individuell auf ihn eingehen zu können. Klopp wörtlich: „Je mehr man sich um den Einzelnen kümmert, desto mehr bekommt man zurück!“
Die Rundumführung ist demnach weit mehr als einer von mehreren Führungsstilen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Entwicklung der Spieler und ihre Eigenverantwortung systematisch zu fördern. Damit steigt der Grad der Selbstbestimmung, eine zentrale Grundlage ohne die Spitzenleistungen nicht möglich wäre.
Zusammenfassung
Spieler wollen gefordert werden, denn tief in unseren Genen steckt der Wunsch nach Verbesserung und Weiterentwicklung. Wenn wir in unserem Sport spüren, dass wir Fortschritte machen und besser werden, dann entwickelt sich die so genannte Selbstwirksamkeit (Näheres dazu https://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/25/dr-rene-paasch-selbstwirksamkeit-im-fussball).
Selbstwirksamkeit fördert genau die kognitiven Eigenschaften, die sich jeder Trainer von seinen Spielern wünscht: hohe Lern- und Anstrengungsbereitschaft sowie ein hohes Anspruchsniveau an sich selbst. Herausragende Trainer prägen die Persönlichkeit ihrer Spieler. Sie wissen, wo sie ansetzen müssen – meine vier Beispiele zum Rundumführungsstil sollen in diesem Zusammenhang all diejenigen Trainer inspirieren, die mit dieser Absicht agieren wollen. Bei Führungskräften, die das nicht verstehen können, hilft vielleicht erst mal eine ganz schlichte Botschaft aus der Welt von Klopp: „Der Trainer schießt keine Tore!“
Hinweis: Ich kenne Jürgen Klopp nicht persönlich, insofern muss ich einige Aspekte aus der Ferne deuten. Aber unter uns: Ich würde wahnsinnig gern mal bei ihm hospitieren. Aber wer nicht?
Literatur
Furtner, M. & Baldegger, U. (2012): Self-Leadership und Führung. Springer Gabler; Auflage: 2013
Bass, B. M., & Avolio, B. J. (1995): MLQ Multifactor Leadership Questionnaire, Leader Form, Rater Form, and Scoring. California. Palo Alto, CA: Mind Garden.
Weiterführende Inhalte:
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