Die Glocke läutet, Kinder stürmen in die Umkleidekabine und der Lehrer atmet erleichtert durch. Hinter ihm liegen zwei Stunden Schulsport mit 26 Kindern der 5. Klasse. Das Thema war Gerätturnen. Bis auf das Auf- und Abbauen gab es aber wenig, was so richtig klappte. Die Kids waren heute für die geplanten Inhalte nicht zu begeistern. Solche Erlebnisse kennt jeder Lehrer. Aber was ist dagegen zu tun? Und kann die Sportpsychologe vielleicht helfen?
Zum Thema: Motivation und Aufmerksamkeit im Schulsport
Kürzlich besuchte ich mit Johannes Wunder (zum Profil), der wie ich seit Jahren im Basketball und seit einigen Monaten auch im Netzwerk Die Sportpsychologen aktiv ist, die Tagung der Schulsportverantwortlichen aller Basketball Bundesligisten. Wir beide sind Basketball verrückt, wissen aber auch, was es heißt, eine heterogene Gruppe von Schülern für unsere Sache zu begeistern, wenn diese “nur” auf dem Lehrplan steht.
Vor diesem Problem stehen Lehrer regelmäßig. Und so haben wir uns nach der Tagung zusammengesetzt, um zu erarbeiten, welche Methoden aus unserer sportpsychologischen und pädagogischen Erfahrung heraus effektiv helfen können, um Schüler im Schulsport zu begeistern:
- Begeisterung erzeugen: Begeisterung kann nur der wecken, der auch selbst begeistert ist. Wenn ich ein Thema einführe muss ich auch überzeugt sein, dass es ein wichtiges Thema ist. Da ich als Basketballtrainer das Spiel mit all seinen Einzelheiten natürlich sehr gut kenne und liebe, kann ich ganz genau einschätzen, was besonders wichtig ist, um das Spiel spielen zu können. Ein Lehrer kann natürlich nicht in jeder Sportart zum Experten werden. Aber es kann schon helfen, sich Videos einer Sportart anzuschauen oder mal ein Vereinstraining zu besuchen, um seine Kenntnisse über die Sportart aus dem Studium wieder aufzufrischen, bevor man die Sportart im Sportunterricht lehrt. So kann auch beim Lehrer wieder Begeisterung für das was er lehrt geweckt werden.
- Fragen stellen: Schüler lernen am meisten, wenn sie und ihre Peers in den Lernprozess eingebunden sind. In den meisten Klassen gibt es mindestens einen „Experten“ in vielen Sportarten. Dieser Experte kann gezielt eingebunden werden, indem er einzelne Themen vormacht oder sogar vorstellt. Dabei kann auch seine Begeisterung wiederum ansteckend sein. Außerdem sollten auch alle Nichtexperten immer wieder nach dem Sinn und Zweck einer Übung gefragt werden. Dadurch sind sie gezwungen, über die Sportart nachzudenken und nicht nur blind den Anweisungen des Lehrers zu folgen.
- Üben und Spielen abwechseln: Im Sportunterricht liegt eine besondere Schwierigkeit oft darin, sehr viele Kinder auf begrenztem Raum sinnvoll zu beschäftigen. Das Wettspiel hat naturgemäß den größten Aufforderungscharakter. Die größte Anzahl an Kindern kann ich aber am besten durch Übungen beschäftigen. Deshalb versuche ich immer, Spielformen und Übungen abzuwechseln. Wenn die Schüler verstehen, dass sie eine Technik für das darauffolgende Spiel brauchen, werden sie auch bei der Technikübung motivierter mitmachen.
- Übungen anspruchsvoll gestalten: Um die Schüler nicht zu langweilen, sollten die Übungen anspruchsvoll gestaltet werden. Damit dennoch kein Gefühl der Überforderung auftritt, sollte vorher oder zwischendurch immer wieder für kurze Zeit eine leichte Übung gestellt werden, durch die die Schüler Erfolgserlebnisse sammeln können. Die Theorie des Flow-Erlebens beschreibt, dass Flow immer dann entsteht, wenn es eine Passung von Anforderung und Können gibt. Wenn die Schwierigkeit stark variiert, kann bei einer heterogenen Gruppe evtl. jeder mal eine Passung der Anforderung mit seinem Können erleben.
- Multimediale Stunden erzeugen Aufmerksamkeit, Begeisterung und somit Motivation. Viele Kindern haben bereits in jungem Alter schon einiges an Erfahrung im medialen Bereich. Das Handy ist vielerorts ständiger Begleiter und auch Tablet und Laptop sind den Kids keine Fremdworte mehr – auch nicht im Grundschulbereich. Einige Lehrkräfte nutzen die mediale Welt bereits im regulären Unterricht. Begeisterung kann aber auch im Sportunterricht geweckt werden. Warum nicht ein Quiz zum Gerätturnen vorlegen, wobei die Kinder ihre Handys nutzen könnten. Oder wir Trainer/Lehrer bringen einige Videos von den olympischen Spielen mit, wo Fabian Hambüchen am Reck oder Boden turnt. So sieht jedes Kind sofort, was alles möglich ist. Die Aufgabe des Lehrers besteht natürlich dann darin, die einzelnen Elemente so herunterzubrechen, damit die Kids auf ihrem Ausgangslevel abgeholt werden. Aber warum sollte man nicht mal die Kinder bei Youtube nach Anleitungen für eine Technik suchen lassen? Dabei wird Medienkompetenz geschult und die Kinder sind sehr stark in die Unterrichtsgestaltung eingebunden. Begeisterung ist vorprogrammiert und die Motivation fällt leicht: „Einen Handstand wie ihn Fabian Hambüchen in seiner Kür geturnt hat. So will ich das auch mal können.“
Fragen zum Thema? Wir sind für Sie da!
Markus Gretz, hauptberuflicher Jugendtrainer und Nachwuchskoordinator bei den scanplus baskets Elchingen, leitet in seinem Verein ein Schulprojekt, bei dem er über einen Zeitraum von fünf Wochen den Sportunterricht in einer Klasse begleitet und dabei den Schülern und Lehrern die Sportart Basketball näherbringen möchte. Immer wieder wird er von den Lehrern gefragt, wie es ihm gelänge, die Schüler mit so viel Begeisterung über den gesamten Zeitraum motiviert halten zu können?
Johannes Wunder, ebenfalls hauptamtlicher Trainer und für die Leitung der Schulprojekte beim BBC Coburg zuständig, stellt sich vermehrt die Frage, welche Hilfsmittel die Sportpsychologie bietet, um sowohl Lehrkräften als auch Trainern im Schulsport die tägliche Arbeit zu erleichtern?
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