Es gibt Trainer, die schwören darauf, dass es sehr erfolgversprechend sei, wenn ihre Spieler sie hassen. Dies fördere den Teamzusammenhalt. Was steckt dahinter und ist dieser Führungsstil noch zeitgemäß und zu empfehlen? Die Antwort darauf ist alles andere als einfach. Denn tatsächlich kann es positive Folgen für die Leistung haben, wenn sich Athleten am Trainer als Hassobjekt abarbeiten.
Ist Hass der Schlüssel zum Erfolg?
„Dem wird ich`s zeigen!,“ lautet dann die Maßgabe der Sportler. Aber Vorsicht: In vielen Fällen leiden nicht nur Training und Wettkampf darunter, sondern auch die Mannschaft und das Miteinander. Besonders im Nachwuchsbereich kann sich der Hass gegenüber dem Trainer schnell in den Hass gegenüber dem Sport entwickeln. Junge Athleten haben dann keine Lust mehr auf Training, sind sehr angespannt oder genervt und reden nicht mit ihren Coaches. Dinge also, die sich negativ auf die sportliche Leistung und die Weiterentwicklung auswirken können.
Fördert Hass nun aber den Teamzusammenhalt, wie es manche Coaches annehmen? Eher unwahrscheinlich. Er bringt oft Unzufriedenheit mit sich, die sich im schlechtesten Fall auch auf die Mitspieler übertragen kann. Ungünstig ist das vor allem auch, wenn die anderen Sportler positiv gegenüber dem Trainer eingestellt sind und die Spannung im Alltag ertragen müssen.
Die Theorie hinter dem Hass – wozu kann Frustration führen?
Jeder Sportler, jeder Trainer, jeder Mensch ist verschieden, bringt seine Gefühle unterschiedlich zum Ausdruck und reagiert anders auf Situationen. Im Sport geht es häufig sehr emotional zur Sache, nicht nur auf der Strecke oder dem Spielfeld, sondern auch im Training und in der Kabine. Ärger, Aggression und Hass sind negative Emotionen, die durch die subjektive Bewertung von Situationen und Ereignissen entstehen. Wenn ein Sportler wütend auf den Trainer ist, kann sich das in einem Anger-In (Frust in sich hineinfressen), Anger-Out (Frust raus lassen) oder Anger-Control (kontrolliert Frust ablassen) ausdrücken.
Beim Anger-In merkt man dem Sportler seine Frustration nicht an, innerlich ist er jedoch aufgewühlt und seine Gedanken kreisen um das Problem. Infolgedessen ist er abgelenkt und verschwendet Energie und Aufmerksamkeit, die eigentlich für den Wettkampf oder das Training notwendig sind.
Wenn jemand seine Reaktionen nicht unter Kontrolle hat, sprechen wir von Anger-Out. Dann muss schon mal ein Torpfosten oder ein Hockeyschläger dran glauben. In vielen Fällen fühlt man sich der Sportler nach so einem Ausbruch besser. Dieses Verhalten zieht jedoch meist Strafen durch die Schiedsrichter oder den Trainerstab nach sich und trägt nicht unbedingt zur Beliebtheit des Sportlers bei.
Um das Beste aus einer unbefriedigenden Situation herauszuholen, ist es hilfreich, den Fokus und die Energie durch Selbstinstruktionen auf das Wesentliche zu lenken. Dies geschieht beim Anger-Control. Wenn der Sportler der hohen Aktivierung und den aggressiven Impulsen eine Richtung gibt, wird bei manchen Aktiven sogar die Leistung im Training und Wettbewerb noch gesteigert (Individual Zones of Optimal Functioning Model ).
Herb Brooks macht sich dies im Film `Miracle on Ice` zu nutzen, indem er durch gezielte Sticheleien solche negativen Emotionen in einem Spieler weckt.
Test: Anger-In, Anger-Out, oder Anger-Control?
Wonach sieht das hier aus: Anger-In, Anger-Out oder Anger-Control?
Natürlich kann man mit solchen Aktionen auch das Gegenteil bewirken, denn Provokation funktioniert nicht bei jedem Sportler.
Weiterentwickeln ohne Reibereien?
Es gibt durchaus Athleten, die ihrem Coach blind vertrauen, keine Entscheidung und keinen Trainingsplan kritisieren und immer das tun, was er oder sie sagt. Auch das ist für manche die perfekte Kombination. Aber kann sich ein Team so weiterentwickeln? Sind kleine Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen nicht erforderlich, um als Mannschaft zu wachsen und Herausforderungen zu meistern? In einem Team haben nicht alle die gleiche Meinung und der Trainer kann es nicht allen recht machen, das ist nun einmal so. Es ist gut, wenn die Sportler ihre Kritik und Vorschläge offen anbringen können, um Veränderungen herbeizuführen. Wenn Sportler also zur Verbesserung des Trainingsklimas beitragen dürfen, dann kommt Frustration seltener auf, sie identifizieren sich mit ihrer Mannschaft und behalten eine positive Einstellung zum Trainer und zu ihrem Sport.
Es ist also wichtig, empathisch zu sein und individuell zu kommunizieren, denn jeder reagiert anders auf Lob und Kritik – nicht nur in der Sportwelt.
Und was heißt das jetzt?
Falls es also doch mal vorkommt, dass ein Athlet nicht gut auf seinen Trainer zu sprechen ist, hilft – natürlich – Kommunikation. Gern können in einer solchen Situationen meine Kollegen von Die Sportpsychologen und ich (zum Profil von Lisa König) helfen.
Grundlegend lassen sich solche Probleme in aller Regel verhindern, wenn generell gut kommuniziert wird. Wenn also eine Auseinandersetzung stattfindet über Trainingsinhalte, Ziele, den Umgang innerhalb der Mannschaft oder über andere wunde Punkte. Bei erfahrenen Sportlern können regelmäßige Besprechungen dazu genutzt werden, konstruktive Kritik oder Verbesserungsvorschläge anzubringen. Im Nachwuchsbereich ist das schwieriger; oftmals trauen sich die jungen Athleten nicht, etwas „schlechtes“ über das Training zu sagen, sind zu schüchtern oder wissen nicht, wie sie sich ausdrücken sollen. In einem meiner nächsten Beiträge werde ich mich dem Thema Feedback-Box widmen, welches ein probates Mittel ist, um die so wichtige Kommunikation in Gang zu bringen.
Literatur:
Hanin, Y. L. (1997). Emotions and athletic performance: Individual zones of optimal functioning model. European yearbook of sport psychology, 1, 29-72.
Alfermann, D., & Stoll, O. (2016). Sportpsychologie: Ein Lehrbuch in 12 Lektionen (Vol. 4). Meyer & Meyer Verlag, 100-101.
Sportpsychologie zum Anfassen:
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