Dr. René Paasch: Trainerentlassungen im Fußball

17 Trainer in elf Jahren beim Hamburger SV. Der HSV hat vor dem elften Zweitliga-Spieltag mal wieder seinen Trainer gefeuert. Christian Titz muss gehen und wird durch Hannes Wolf ersetzt. Dabei galt Titz in Hamburg ein großer Sympathieträger und war mit seinem Team nur zwei Punkte hinter dem Zweitliga-Tabellenführer 1.FC Köln platziert. Sind Trainerentlassungen während der laufenden Saison sinnvoll? Dieser Frage möchte ich in meinem folgenden Blogbeitrag nachgehen!

Zum Thema: Trainerentlassungen in der laufenden Saison

Wenn ein Verein seinen Trainer entlässt, dann hoffen die Verantwortlichen auf einen sogenannten „psychologischen Effekt“ und die damit verbundenen Erfolge. Von besser kehrenden neuen Besen, von gelösten Blockaden und frischem Wind ist dann oft die Rede. Grundlegend gilt, dass ein Trainerwechsel einen Neubeginn darstellt. Mancher Stammspieler bekommt dadurch einen Kick und mancher Ersatzspieler Hoffnung auf die Startelf. Jeder Spieler im Kader will bei den ersten Einheiten mit dem neuen Trainer beweisen, dass er in die Mannschaft gehört. Dies ist soweit nachvollziehbar. Doch gibt es wirklich einen Zusammenhang zwischen Trainerwechsel und Optimierung der Leistung der Mannschaft?

Die Sportpsychologen Strauss und Tippenhauer (2003) haben in 35 Spielzeiten zwischen 1963 und 1998 mehr als 10.000 Bundesliga-Spieleergebnisse unter anderem im Hinblick auf den Effekt von Trainerwechseln analysiert. Die Ergebnisse: Der Rauswurf ist die falsche Strategie. Die neuen Trainer hätten ebenfalls keine Besserung bewerkstelligt, wenn die ehemaligen Trainer nur auf Grund der Ergebnisse gehen mussten. Häufig hätten neue Trainer zwar einen kurzfristigen Aufwind erzielt, seien dann aber umso unsanfter mit ihrer Mannschaft wieder gefallen. Aus meiner Sicht muss sich der Verein folgende Frage stellen: Wem nützen diese Trainerentlassungen?

Funktion von Trainerentlassungen

Ein Trainerwechsel kann unterschiedliche Funktionen haben: Er kann bewirken, dass etwas aufgebaut werden soll, was in der Vergangenheit verloren gegangen ist. Beispielsweise das Vertrauen in den Trainer oder die Art des Führungsstils gegenüber der Mannschaft. Ein Trainerwechsel ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Spieler und der Vorstand dieses Vertrauen und diese Zuversicht tatsächlich verloren haben sollten. Manchmal wird so eine Entscheidung zu früh oder unüberlegt getroffen. Es wird etwas Neues erwartet – in der Hoffnung, Veränderung herbeizuführen. Dies kann natürlich kurzfristig helfen, doch auf Dauer ist es nur selten hilfreich.

Die Schwierigkeiten spielen sich überwiegend in den Köpfen der Spieler und Funktionäre ab. Ich habe vor allem dann Misserfolg, wenn ich Angst vor möglichen Niederlagen oder dem Verfehlen von Saisonzielen, wie dem direkten Wiederaufstieg, habe. Eine ähnliche Situation wie die derzeitige beim HSV. Dies ist ein häufiger Grund für Trainerentlassungen im Fußball, welcher aus meiner Sicht aber die Ausnahme sein sollte. Statt einen Rauswurf würde ich vorzugsweise vorhandene und neue Möglichkeiten kombinieren und weiterentwickeln. Vereine sollten weitere Optionen nutzen, wie beispielsweise langfristige Analysen oder die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen. Es gibt nicht den Erfolgstrainer, es gibt nur den einzig passenden Trainer für eine bestimmte Mannschaft. Um diesen Trainer jedoch zu finden, braucht es Zeit.

Fehlerhaftes Denkmuster

Direkt zum Profil von Dr. René Paasch: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Ich führe die alljährlich wiederkehrende Entlassungswelle in der Fußball-Bundesliga auf den hohen öffentlichen Druck und auf die Erwartungshaltung der Funktionäre zurück. Man geht davon aus, neu starten zu können und vergisst dabei, dass die Spieler weiterhin dieselben bleiben. Oft ist eine Entscheidung für einen Trainerwechsel damit vielmehr von Emotionen und Medien gelenkt als rational begründbar. Doch unter welchen Umständen macht es nun aber doch Sinn, einen Trainerwechsel zu vollziehen?

Ein Ansatz wäre, wenn es Unstimmigkeiten innerhalb der Mannschaft gibt, die sich nicht lösen lassen. Es kann durchaus passieren, dass es im Team zu einem Gefühl von Benachteiligung kommt, weil der Trainer vermeintlich einen oder mehrere Spieler bevorzugt. Hier kann ein Wechsel sogar zwingend erforderlich sein. Auch ein erfolgreicher Trainer kann entlassen werden, wenn man feststellen muss, dass sich Trainer und Mannschaft nicht mehr weiterentwickeln können. Ein Trainer braucht eine klare Philosophie und Empathiefähigkeit, aber er muss sich und das Spiel seines Teams auch immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen. Wenn es dem Trainer aber gelingt, die eigene Kompetenzerwartung der Spieler zu erhöhen und dies mit einer kleinen Erfolgsserie zusammenfällt, dann kann es wiederum mit dem Aufschwung klappen. Schlussendlich müssen die Verantwortungsträger von der Leistungsfähigkeit des Trainers, des Trainerteams und der Mannschaft überzeugt sein. In diesem Zusammenhang ist die Kontinuität ein entscheidender Erfolgsfaktor – unabhängig von der aktuellen Tabellensituation. Ich wünsche Herrn Titz eine erholsame Zeit und für die Zukunft alles erdenklich Gute.  

Mehr zum Thema:

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https://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/18/elvina-abdullaeva-trainer-unter-druck/

https://www.die-sportpsychologen.de/2015/11/26/dr-rene-paasch-das-ende-als-anfang/

Literatur

Schmidt, S. (2011). In the Line of Fire: Verweildauer von Bundesligatrainern und CEOs in Deutschland. Eine vergleichende Analyse. EBS Buisness School: Research Paper Series, 11 – 02.

Tippenhauer, A./Strauss, B. (2003). Trainerentlassungen in der Fußballbundesliga, S. 334. In: Bernd Strauss et al. (Hrsg.): Sport goes media Czwalina Verlag: Hamburg

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Prof. Dr. René Paasch
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