„Crunchtime in der 1. Basketball-Bundesliga. Zwei der besten Teams treffen aufeinander. Noch fünf Minuten zu spielen in einem stark umkämpften Match. Die Anzeigetafel zeigt fast im Sekundentakt immer wieder Gleichstand an. Ein Team trifft, der Gegner zieht nach. Noch 30 Sekunden zu spielen, es steht 84:84, das gegnerische Team setzt zum Wurf an und vergibt die große Chance. Es bleibt genau ein Angriff, noch acht Sekunden – die Teamfoulgrenze ist bereits erreicht. Ein frühes Foul soll den starken Aufbauspieler der Heimmannschaft an die Freiwurflinie schicken, damit kein 3-Punkte-Wurf gelingt. Der Spieler geht an die Linie, bereits 35 Minuten in den Beinen und ziemlich außer Atem. Mit welcher Wahrscheinlichkeit wird er treffen?“
Zum Thema: Progressive Muskelrelaxation im Basketball
Als Trainer entscheiden wir oft in Sekundenbruchteilen, wie wir Situationen taktisch lösen. Foulen wir den Spieler taktisch oder nicht – trifft er oder nicht? Auch Spieler zeigen umgangssprachlich „Nerven“ und schaffen es teilweise nicht, Leistungen abzurufen, welche für die Situation erforderlich wäre. Wie kann die Sportpsychologie helfen?
Schaut man sich die Intensität eines durchschnittlichen Basketballspiels genauer an, stellt man unweigerlich fest, dass der Wechsel zwischen Belastung und Erholung zum Teil eher einseitig abläuft. Zahlreiche Studien bestätigen die Annahme, dass Basketball ein körperlich intensives Sportspiel ist. Vaquera et al. (2008) fand in einer Untersuchung heraus, dass die durchschnittliche Herzfrequenz bei einem Basketballspieler bei 186-176 bpm liegt. Bei einem 25 Jahre alten Spieler liegt die Frequenz damit bei etwa 85-90% der HFmax. Andere Studien liefern ähnliche Ergebnisse (Vgl. C. David Leo, 1973).
Intensität kostet Punkte
Zudem gibt es zahlreiche Anhaltspunkte, dass mit steigender Intensität die Trefferquote bei Feldwürfen im Basketball deutlich abnimmt (Vgl. Marcolin et al., 2018; Vencúrik, 2016 und Ardigo et al.,2018). Zudem wurde die Freiwurfquoten bei unterschiedlichen Intensitäten untersucht und es konnte gezeigt werden, dass zwar die Quote in Ruhe und bei 50% der HFmax annähernd gleich bleibt, hingegen aber die Trefferwahrscheinlichkeit bei 80% der HFmax um bis zu 20% sinkt (Vgl. Padulo et al., 2015).
Das ist aus Trainersicht eine ganze Menge, wenn man annimmt, dass durchschnittliche Freiwurfquoten etwa bei 80% liegen, bedeutet dies eine Verminderung auf schlanke 60%. Selbst beim Einwand, die Spieler würden bereits unter eben diesen Bedingungen 80% werfen, kann nur folgerichtig gesagt werden, dass bei geringerer HFmax die Quote deutlich über 80% liegen müsste.
Sportpsychologie kann unterstützen
Je höher also die Herzfrequenz, desto geringer die Trefferquote. Da die durchschnittliche HFmax bereits in einem Aktivierungslevel liegt, welches sich negativ auf die Freiwurfquote auswirkt, neigen viele Trainer und Athletikcoaches dazu, die durchschnittliche Herzfrequenz bei Belastung durch umfassendes Fitnesstraining zu senken. Soweit so gut.
Ein Blick in die Methodik der angewandten Sportpsychologie gibt uns für diese Problematik folgende unterstützende Maßnahme. Ein gutes Werkzeug aus dem Koffer könnte zweifelsohne die Progressive Muskelrelaxation (PMR) sein. Bereits in einem vorherigen Artikel habe ich über die Wirkungen und den Aufbau dieser Entspannungstechnik geschrieben (Link zum Text). Nun möchte ich einen großen Vorteil des Entspannungsverfahrens herausheben.
PMR als Hebel
Durch die kontinuierliche Anwendung der Techniken des PMR´s ist es möglich, die Herzfrequenz und den Blutdruck über den Hypothalamus zu reduzieren (Vgl. Sheu et al. 2003, Pawlow & Jones 2002). So wäre es möglich, direkt vor dem Freiwurf das Ruhewort zu nutzen und mit passenden PMR-Techniken die Herzfrequenz zu verringern. Aus der Trainingswissenschaft ist bereits bekannt, dass die Herzfrequenz nach einer Belastung rasch und logarithmisch abfällt (Vgl. Schmolinsky, 1980; Weineck, 2004) – diesen Vorgang könnte man durch die Anwendung der PMR begünstigen und somit schneller in einen optimalen Aktivierungszustand kommen. Dies hätte zur Folge, dass die Herzfrequenz unter die wohl „magische“ 80% Grenze fällt und umgehend die Trefferwahrscheinlichkeit steigt.
Natürlich bedarf es ein entsprechendes und angeleitetes Training vor der Anwendung, damit der positive Transfer gelingt. Und nebenbei steigert das Training auch die Wahrnehmung des eigenen Körpers, den gezielten Abbau von Stress und Ängsten, sowie unterstützend die Regeneration nach großer Belastung.
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