Dr. René Paasch: Regenerationsmanagement im Fußball

Timo Werner, einer der besten deutschen Torjäger in der Fußball-Bundesliga, war in den vergangenen Jahren häufig verletzt. Sein Coach vermutete, dass neben der körperlichen Belastung auch die mentale Drucksituation ihren Tribut forderte. Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal und Nationalmannschaft – bei vielen Spielen und kurzen Pausen wird das richtige Maß an Regeneration immer wichtiger. 

Zum Thema: Erholung und Beanspruchung im Fußball gezielt steuern

In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit für physische und mentale Erholung in  Forschung und Praxis gestiegen (Hauswirth & Mujika, 2013; Meyer, 2010; Venter, 2014). Die Balance zwischen Training und Pause (Erholung & Beanspruchung) spielt eine große Rolle im Leistungssport und ist eine wichtige Voraussetzung für die Gesunderhaltung und Wettkampfvorbereitung. Gerade die erhöhte Anzahl von Wettkämpfen im Fußball, die mit sozialem und medialem Druck gestiegen sind, hat die Bedeutung von schneller und effektiver Erholung zugenommen.

Die Fragebögen Akutmaß Erholung und Beanspruchung (AEB) und Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB) bilden den aktuellen Erholungs- und Beanspruchungszustand jeweils auf emotionaler, mentaler, allgemeiner und physischer Ebene ab. Die KEB eignet sich mit ihrer kurzen Form vor allem für den täglichen Einsatz (Trainingsmonitoring). Von dem AEB lassen sich hingegen detaillierte Informationen ableiten (Kellmann, Kölling, Hitzschke, 2016). Diese sind standardisierte Selbstbeurteilungsverfahren und umfassen die Skalen:

Akutmaß Erholung und Beanspruchung (AEB) und Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB)

Das AEB umfasst 32 Adjektive und der KEB acht Adjektive, welche anhand einer sieben-stufigen Skala von 0 (trifft gar nicht zu) bis 6 (trifft voll zu) für den aktuellen Erholungs- und Beanspruchungszustand bewertet sollen. Aus den Punktzahlen werden anschließend die oben genannten Skalen gebildet. Hier ein Beispiel des Akutmaßes Erholung Belastung:

Abb.1.: Beispielitems zur Beantwortung des Akutmaßes Erholung und Belastung

Für die Anwendung des AEB wird der entsprechende Fragebogen sowie das Fragebogenmanual (Kellmann, Kölling, Hitzschke, 2016) benötigt. Die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen bzw. Sportpsychologin und/oder der Uni Bochum Abteilung Sportpsychologie wird empfohlen. Aufgrund des Umfangs möchte ich Ihnen die Kurzskala Erholung und Beanspruchung (KEB) näher erläutern, da diese in der Praxis einfacher und schneller nutzbar ist.  

Kurzskala Erholung Beanspruchung

Die KEB erfasst den aktuellen Erholungs- und Beanspruchungszustand mehrdimensional mit acht Items auf emotionaler, mentaler, allgemeiner und physischer Ebene. Durch die Erfassung können Überbeanspruchungen eines Spielers bzw. Spielerin frühzeitig identifiziert und so die Sportler optimal unterstützt werden. Die KEB bestehen aus jeweils vier Items (Erholung & Beanspruchung). Hier ein Beispielitem der Kurzskala, die sie dann auf die 8 Items (Erholung: Körperliche Leistungsfähigkeit, Mentale Leistungsfähigkeit, Emotionale Ausgeglichenheit, Allgemeiner Erholungszustand und Beanspruchung: Muskuläre Beanspruchung, Aktivierungsmangel, Emotionale Unausgeglichenheit, Allgemeiner Beanspruchungszustand) erweitern können:

Körperliche Leistungsfähigkeit z.B. kraftvoll, leistungsfähigkeit, energiegeladen, voller Power

Anschließend können Sie die 8 Items tabellarisch ergänzen, um diese dann für die tägliche Überprüfung Ihrer Spieler bzw. Spielerinnen zu nutzen. Wichtig! Je höher der Wert auf einer Skala, desto höher ist der aktuell Erholungs- und Beanspruchungszustand in diesem Bereich. Bitte beachten Sie, dass die Ausprägungen interindividuell sehr unterschiedlich ausfallen und dadurch stark variieren können (vgl. Meyer et al. 2016).

Fazit:

Beide Fragebögen können für ein längerfristiges Monitoring eingesetzt werden. Aufgrund des Umfangs erlaubt der Kurzfragebogen (KEB) eine einfach zu verfolgende Rückmeldung über den aktuellen Erholung-Beanspruchungszustand. Empfehlenswert ist allerdings, das Akutmaß zur Erfassung von Erholung und Beanspruchung (AEB) vor dem ersten Einsatz ausfüllen zu lassen, um die Spieler bzw. Spielerinnen mit dem Befragungsmodus vertraut zu machen. Insgesamt zeigt der AEB eine günstigere Skalenhomogenität gegenüber dem KEB. Dennoch ist die einfache Handhabung des KEBs in der täglichen Nutzung zu empfehlen. Bei allem Monitoring kommt es auf die optimale Dosierung an. Allein viel und oft zu trainieren, wird nicht die erhofften Effekte bringen, genauso wie zu wenig. Ein Übertraining kann genauso zu mentaler Müdigkeit und Konzentrationsschwäche führen wie eine zu schwache Physis. Die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen bzw. Sportpsychologin aus unserem Netzwerk, der BISp-Datenbank und/oder von der Uni Bochum Abteilung Sportpsychologie wird empfohlen.

 

Literatur

Hauswirth, C. & Mujika, I. (Eds.) (2013): Recovery for performance in sport. Champaign, IL: Human Kinetics

Kellmann, M. (2000): Psychologische Methoden der Erholungs-Beanspruchungs-Diagnostik. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 51, 253-258

Kellmann, M. & Golenia, M. (2003): Skalen zur Erfassung der aktuellen Befindlichkeit im Sport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin

Kellmann, M., Kölling, S., Hitzschke, B. (2016): Das Akutmaß und die Kurzskala zur Erfassung von Erholung und Beanspruchung im Sport – Manual. Sportverlag Strauß. Hellenthal – 1. Aufl. 2016

Meyer, T.; Ferrauti, A., Kellmann, M. & Pfeiffer, M. (2016): Regenerationsmanagement im Spitzensport. REGman – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen. Köln: Sportverlag Strauß

Meyer, T. (2010): Regeneration im Leistungssport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 61, 127-128

Venter, R. E. (2014): Perceptions of team athletes on the performance of recovery modalities. European Journal of Sport Science, 14 (S1)  S69-S76

 

Views: 1895

Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de