Rita Regös: Herausforderung Kommunikation

Wir Sportpsychologen kennen die unterschiedlichsten Settings. Wir arbeiten im privaten Umfeld von Freizeitsportlern, bei Vereinen und Verbänden oder gar in hoch professionalisierten Sportbetrieben. Egal in welcher Konstellation: Immer wieder treten Probleme auf. Nicht selten sind diese im weitesten Sinne kommunikativer Art. Meiner Erfahrung nach, hilft allen Beteiligten ein gewisses Maß an Grundwissen zum Thema Kommunikation.  

Zum Thema: Wenn Kommunikation problematisch wird

Das Wichtigste vornweg: Kommunikation ist beidseitig! Schlechte Kommunikation ist ein Optimierungspunkt beim Gegenüber und bei sich. Womit das Problem an und für sich, – durch diese Einsicht, Annäherung und in logischer Folge durch Kompromisse – einfach behoben werden kann. Vorausgesetzt man entwickelt das Bewusstsein, dass eine schlechte Kommunikation an allen beteiligten Akteuren liegt. Doch unzählige Diskussionen im familiären Bereich, im beruflichen Alltag sogar in der Politik eliminieren diesen einfachen und formalen Kommunikationsmechanismus und lassen alle Beteiligte bis zur Verfeindung weiter diskutieren. Am Ende stehen negative Emotionen, Wut und eine totale Ablehnung: Das Ende der Kommunikation. Meistens.

Nicht selten erreicht die Kommunikation auch eine andere Ebene, die persönliche. Eine gefährliche Ebene, die wir schnell verlassen wollen, außer wir waren bei der besagten Kommunikation anwesend und können unsere Meinung selbst bilden. Immer, wenn es persönlich wird, wird es emotional. Wie wir wissen, dienen negative Gefühle, sei es Wut, Genugtuung, Trauer weder der Sache, also einer Konfliktbeseitigung, noch einer rationalen Erkenntnisgewinn somit infolge auch keiner Lösung. Im Gegenteil: Emotionalität verstärkt in der Regel Emotionalität bei der Gegenseite und irgendwann ist man nur noch wütend, das eigentliche Thema wird ignoriert. Das Ergebnis, als nicht unmittelbar Involvierter kriegt man nur die Emotionen mit, trägt sie weiter und schafft Realität.

Eine typische Konstellation: Vereinssport versus Leistungssport

Kommunikation ist schon ein spannendes Arbeitsfeld! Schauen wir uns doch einmal eine Gemengelage an, die typisch für kontroverse Diskussionen im Sport ist: Auf der einen Seite der Vereinssport, ihm gegenüber der Leistungssport. Auf beiden Seiten wird kommuniziert, in aller Regel auf Sachebene und meistens auch lösungsorientiert. Aber oft sind die Diskussionspartner unterschiedlicher Meinung, was noch lange nicht heißt, dass einer von ihnen falsch liegt. Möglicherweise liegen beide richtig – in ihrer eigenen Realität, in ihrem eigenen System.

Erfolgreiche Sportvereine haben viele Mitglieder, ihre Mitglieder arbeiten zu einem hohen Prozentsatz unentgeltlich aber mit viel Enthusiasmus und sie tun dies in ihre Freizeit. Sie sind diejenigen die unsere Kinder bewegen und ihren Spaß an der Bewegung fördern. Das Ziel ist also viele Kinder für den Sport zu begeistern. Wie jeder Verein haben sie Versammlungen und wählen Funktionäre, Präsident, Vizepräsident, Schatzmeister und andere Funktionsträger, die wiederum ihr Amt ehrenamtlich ausführen und die Interessen ihrer Wähler vertreten. Im Leistungssport bezahlt man die Trainer und das gesamte Personal für ihre Arbeit. Sie alle haben die Aufgabe, Leistung zu steigern, mit dem Ziel, Medaillen zu gewinnen. Das Ziel ist also der Erfolg, die Aufgabe der Weg zum Erfolg. Ihnen vorgesetzt ist in manchen Verbänden eine Trainerkommission, bestehend aus allen Bundestrainern, und auf der nächsthöheren Instanz der Sportdirektor. In der Gesamtkonstellation entwickeln sie gemeinsam Maßnahmen verabschieden Kriterien, treffen Entscheidungen und all das, um Medaillen zu gewinnen.

Rita Regös

Interessenkonflikte im Kampf der Systeme

Also zwei gänzlich unterschiedliche Systeme bezüglich der Struktur, einmal ehrenamtlich und demokratisch, auf der anderen Seite hauptberuflich, hierarchisch. Einerseits bedacht auf einen Verein mit vielen Sportlern und auf der anderen Seite auf Medaillenträger. Die eine Seite will viele Sportler, die andere erfolgreiche. Der Leistungssport formuliert die Gütekriterien auf der einen Seite und holt sich die Guten, um aus ihnen die Besten zu machen. Auf der anderen Seite möchte der Verein, dass viele seine Sportler zu den Besten gehören, weil dies logischerweise ein Maßstab der eigenen Tätigkeit darstellt, nebenbei den Verein stärkt.

Soweit eindeutig im Unterschied und in der vereinfachten Darstellung absolut nicht wertend gemeint, denn beide verfolgen ihre eigenen Ziele und das machen sie sehr gut. Was passiert aber, wenn die Gesamtstruktur einerseits hierarchisch andererseits demokratisch, einmal mit der Zielstellung die Besten und einmal mit dem Ziel, die Meisten, miteinander kommuniziert? Womöglich entstehen Interessenkonflikte, denn beide kämpfen für ihr System, für die eigenen Ziele und beide sind somit in Recht.

Neutrale Kommunikation – in der Praxis unheimlich schwer

In den meisten Verbänden sind die zwei Säulen getrennt, es entsteht also kein Interessenkonflikt. In einigen sind die zwei Säulen eng miteinander verbunden, so sind Konflikte zumindest zeitweise möglich. Und in manchen Verbänden sind die zwei Säulen regelrecht miteinander vereint, zum Teil in einer Funktion: Das heißt, das Leistungssportpersonal geführt vom Sportdirektor untersteht dem gewählten Präsidenten. Betrachten wir diese dritte Option aus der Vogelperspektive, heißt es, der von den Vereinsmitgliedern gewählte ehrenamtliche Vertreter (gewählt unter der Voraussetzung, ihre Interessen zu vertreten) entscheidet über die Maßnahmen und Personalien des Leistungssports.

Aus der Perspektive der Kommunikation ist das System interessenbedingt anfällig für Konflikte: Die Prozessebene ist zu unscharf definiert, die Inhaltsebene durch konträre eine Zielstellung charakterisiert. Im Ergebnis ist es immens schwer, um auf der Beziehungsebene ausschließlich neutral kommunizieren zu können. In jedem gesprochenen Satz, den Unterschied zwischen Breite und Spitze in all seinen Facetten und Konsequenzen zu realisieren ist eine sehr große, auch kommunikative Herausforderung.

Fazit

Ich habe dazu einige abschließende Fragen formuliert, die zum Nachdenken oder zur Kontaktaufnahme zu mir (zur Profilseite von Rita Regös) bzw. meinen Kollegen und Kolleginnen (zu den Profilseiten) einladen sollen:

  • Welche Rolle kommt in der Regel Sportpsychologen in der Gemengelage zwischen Leistungsorientierung und Wohlbefinden zu?

Idealerweise ist der Sportpsychologe im Sinne einer Mediation allparteilich in kommunikativen Konfliktsituationen auch im Sport tätig. Bei widersprüchlichen Interessen zeigt der Sportpsychologe die Differenzen auf, gegebenenfalls Ursachen und Konsequenzen dieser. In unübersichtlichen Situationen fällt ihm eine Strukturierungsfunktion zu, in dem er einzelne Situationsaspekte in die richtigen Ebenen einordnet, Verknüpfungen der Ebenen mit den Beteiligten herausarbeitet und dadurch eine Klarheit schafft. In beiden Fällen ist er Prozessbegleiter, er fällt keine Entscheidungen, er leitet Gespräche, achtet auf Fairness und ist generell zu Verschwiegenheit verpflichtet.

  • Sollten/dürfen Sportpsychologen in fehllaufende Kommunikationsprozesse eingreifen?

Die Funktion eines Sportpsychologen in verschiedenen Settings des Leistungssports, Trainer-Athlet, Trainer-Eltern, Eltern-Athlet aber auch auf Verbandsebene zum Beispiel, Dachverband-Stützpunkttrainer oder Bundestrainer-Heimtrainer und gegebenenfalls auf den Ebenen untereinander, bietet einen optimalen, sachlich neutralen und doch internen Raum für die Lösung kommunikativer Schwierigkeiten, denn nicht selten beruhen diese lediglich auf fehlende Perspektivenübernahme einer oder beider Parteien. Die sportpsychologische Betreuertätigkeit ist zu einem hohen Anteil kommunikativ aber auch im Sinne des Auftraggebers inhaltlich lösungsorientiert. Ist der betreuende Sportpsychologe in Kommunikationsprozesse eingebunden kann neben dem einmaligen Lösungscharakter auch eine langfristige Begleitung der internen Kommunikation sichergestellt werden, somit zukünftig optimiert und eine entsprechende Kommunikationskultur im Verband und in den Vereinen etabliert werden. Einen Streit kann man schlichten, ein Missverständnis klären allerdings optimal ist eine Kommunikationskultur, wo diese selten, gering oder so gut wie gar nicht auftreten.

  • Wann sollten Externe, Mediatoren usw. einbezogen werden?

Nicht selten werden Sportpsychologen in interne Kommunikationsbereiche nicht eingebunden – wegen der angenommen fehlende Neutralität, die eine Mediation unerlässlich charakterisiert. Sollte dieses Vertrauen in die Unparteilichkeit fehlen, können Externe im Sinne einer einmaligen Lösung herangezogen werden, jedoch immer im Bewusstsein: Kommunikation ist so etwas wie ein Habitat, eine zeitlose Sozialhandlung, keine Kommunikation gibt es nicht und sie verläuft alltäglich und selbstverständlich und sie verläuft manchmal eben alltäglich selbstverständlich falsch. Erfahrungswerte aus der Praxis zeigen, dass Kommunikationsregeln mühsam in der täglichen Anwendung sind, wir müssen darauf achten, was wir sagen, wie wir es sagen, wem und wann wir es sagen und vor allem, wie versteht das Gesagte mein Gegenüber und was erwidert er – eine endlose Verkettung und ein ewiger Austauschprozess.

Manchmal wird die Funktion eines Sportpsychologen als extern definiert, interne Kommunikationsschwierigkeiten werden entsprechend mit Hilfe eines Mediators gelöst oder im Alleingang einfach ignoriert, um irgendwann zu eskalieren. Sollte also der Konflikt unlösbar, die direkten Gespräche katastrophal sein, sie alle hingegen an eine Lösung und an der weitere Zusammenarbeit interessiert sein, ist ein Mediator eine gute Idee, erspart negative Gefühle, sinnlose Energieaufwendung und bringt alle ihren Zielen näher.

  • Welche Argumente gibt es noch für Externe?

Auch im Sinne einer Kommunikationsschulung sind Externe eine optionale Wahl, wobei das Gelernte in die tägliche Anwendung übergehend selbstverständlich auf interne Prozesse zurückfällt und mit Hilfe eines involvierten Sportpsychologen eventuell anwendungsorientierter erarbeitet werden kann.

  • Welche Aufgaben können Mediatoren oder Sportpsychologen in der Konfliktlösung übernehmen?

Mediatoren und Sportpsychologen können unterstützend Kommunikationsprozesse begleiten, gegebenenfalls zur Konfliktlösung beitragen, die positive Kommunikationskultur fördern, sie können jedoch die Eigenverantwortung der Kommunizierenden nicht aushebeln.

 

Mehr zum Thema:

Paul Schlütter: Sportpsychologie – einfach erklärt

 

Views: 1513

Rita Regös
Rita Regöshttp://www.die-sportpsychologen.de/ritaregoes/

Sportarten: Biathlon, Short Track, Ski Alpin, Snowboard, Eistanz, Kanuslalom, Judo, Karate, Radsport, Schwimmen, Sportpistole, Bogenschießen

Süddeutschland und Österreich

+43 (0)650 7399721

E-Mail-Anfrage an r.regoes@die-sportpsychologen.at

2 Kommentare

  1. Toller Artikel!

    Hat sich gelohnt da reinzulesen, das sieht man welche Expertise in dir steckt!

    Freu mich schon darauf mich mit dir persönlich mal darüber auszutauschen!

Kommentarfunktion ist geschlossen.