Im März, Ein Gefangener war ich in diesem Monat März. Nicht wirklich im „Tun“; da war ich frei, wie man freier kaum sein kann. Aber in meinem Kopf. Dort drehten sich meine Gedanken immer wieder um ein Thema, die dann wieder meine Gefühle beeinflussten und diese, wirkten wieder zurück auf meine Gedanken. Das ist manchmal ein Teufelskreis, aber ich denke, der Ausgang daraus zeichnet sich schon deutlich ab.
Zum Thema: Streakrunning-Serie, Teil 4
Kommen wir zu den „objektiven Fakten“. Es waren dann 306 Kilometer in diesem Monat. Ihr erinnert Euch? (Link zum Teil 3, Die Sinne schärfen sich) Ich fing an, zu experimentieren: „Schaffe ich 10 KM pro Tag im Schnitt?“. Ich würde sagen gescheitert! Aber dazu komme ich später noch einmal. Meine Jogmap-Prognose berechnet mir 3100 Kilometer dieses Jahr, wenn ich so weiter mache. Letztes Jahr bin ich 265 Kilometer im März gelaufen. Das war mein Vorbereitungsmonat auf den Eco-Trail in Oslo. meinen ersten Ultralauf vergangenes Jahr. Ich war also im März 2017 in einem UWV-Monat (UWV steht für „Unmittelbare Wettkampf-Vorbereitung“). Das sagt dann doch schon einiges aus. Nun gut – da waren ein paar „intensive Einheiten“ mit dabei und auch ein paar „längere Läufe“, dazwischen aber auch viele Erholungstage.
Ich laufe derzeit so ca. 70 bis 80 Kilometer die Woche. Das ist natürlich etwas länger als im Januar und Februar, aber das liegt im Wesentlichen an den nun angenehmeren Außentemperaturen. Auch wenn ich da schon Anfang des Monats deutlich hoffnungsvoller war – der März hatte es ja wintertechnisch noch ganz schön in sich – war es doch insgesamt betrachtet schon etwas besser, als im Januar und Februar.
Ausgeschlafen und voller Energie
Was hat sich weiter verändert? Frauke sagt, ich hätte abgenommen. Nun, das kann ich objektiv nicht bestätigen (ich stelle mich nicht mehr auf eine Waage) und subjektiv, kann ich eigentlich auch nicht bestätigen. Aber wir wissen ja, wie schwierig das mitunter ist mit der Selbst- und der Fremdwahrnehmung. Was noch? Ich gehe (in der Regel) früher schlafen. Meistens so gegen 21 Uhr. Und zwar weil ich müde bin. Das führt dazu, dass ich länger schlafe und das ich am nächsten Morgen top-fit bin, ausgeschlafen, gut gelaunt und voller Energie bin. Zur Zeit bin ich der Erste im Institut, meistens noch vor den Sekretärinnen. Um 10 Uhr früh, habe ich schon drei Stunden Arbeit erledigt. Und spätestens um 13 Uhr habe ich meine Laufeinheit absolviert. Meistens renne ich derzeit in Halle über die Peißnitz-Insel, am Rive-Ufer entlang und hoch auf die Klausberge, bevor es zurück geht. Das hat sich so langsam „als Ritual“ bei mir entwickelt. Ich denke aber, dass ich jetzt auch mal wieder öfter in der Dölauer Heide laufen werde. Also, wenn mal jemand mit mir laufen will, dann kommt er einfach wochentags so um 11:15 Uhr ins Institut für Sportwissenschaft der Uni Halle – dann wird er mich fertig angezogen in Laufklamotten treffen und es kann losgehen. Am Wochenende bin ich dann aber meistens mit Frauke, entweder in der Leipziger Ecke unterwegs, aber wir machen einen „Tagesausflug“.
Was beschäftigt mich denn so? Ich gebe zu, mir fehlt die Teilnahme an „offiziellen Läufen“. Nicht so sehr, weil ich irgendwelche schnelle Zeiten oder super lange Distanzen laufen will oder irgendeine Platzierung brauche – das ist alles – zumindest für mich mittlerweile – überflüssig. Mir fehlt aber der soziale Kontakt mit den anderen Läuferinnen und Läufern, der direkte Austausch, das Flair drumherum, das tolle Gefühl am Start, wenn du die Energie der „Gruppe“ förmlich spüren kannst. Das Zusammensitzen hinterher und das fachsimpeln. Das alles fehlt mir. Ich bin ja meistens alleine unterwegs, oder eben am Wochenende meistens mit Frauke. Das sind dann die echten „Highlight-Läufe“. Mein Kommunikationskanal zu Euch Läufern sind im Moment lediglich diese Blog-Beiträge – aber eben keine Wettkämpfe. Aber auch hier ist „Licht am Ende des Tunnels“. Frauke und ich haben ein paar Läufe im April gebucht. Neuseen-Trail, Kyffhäuser Berglauf, der Leipzig-Marathon ist auch hier direkt vor der Tür (müsste ich jedoch noch nachmelden). Und da kommt noch viel mehr dieses Jahr! Sachsentrail, Südthüringentrail, Berlin-Marathon, und ganz sicher auch noch ein Ultra. Dazu aber erst mehr im April. Das also beschäftigt mich! Ich und eine Startnummer! Eigentlich keine gute Idee, wenn ich eigentlich streaken will. Ich kenne mich doch. Wenn ich eine Startnummer trage, dann gehen meistens die Gäule mit mir durch und das bedeutet immer Schmerzen am nächsten Tag und erst recht am übernächsten.
Wettkämpfe oder keine Wettkämpfe?
In der Streaker-Szene ist das ein kontrovers diskutiertes Thema. Mein Streaker-Freund Lutz macht das z.B. gar nicht. Im Gegensatz dazu, meine liebe Ex-Streaker-mittlerweile-nicht-mehr-Streaker Freundin Silke hat das zu Streaker-Zeiten immer auch gemacht. Das hängt aber wahrscheinlich auch damit zusammen, das Lutz nie Wettkämpfe gelaufen ist. Lutz hat damit angefangen, weil er abnehmen wollte. Wettkämpfe waren eben nicht sein „Zugang zum Laufen“. Bei Silke war das wohl anders. Wettkämpfe waren und sind bei immer auch eine Option (gewesen). Bei mir ist das auch so. Ich komme aus der „Wettkampflauf-“ und eben nicht aus der „Laufen, um Abzunehmen“-Szene. So oder so, mehrere Wege führen offensichtlich zum Streak-Running. Das ist eine echt harte Nuss für mich im Moment und beschäftigt mich auch psychologisch-wissenschaftlich, so zu sagen „am Rande der Bande“. Die klassischen (Leistungs-)motivationstheorien behaupten ja immer, dass man ein Leistungsziel braucht, dass realistisch und objektiv überprüfbar zu sein hat, und einer, guten zeitlichen Planung bedarf und sowohl eine individuelle- als auch eine soziale Bezugsnormorientierung braucht, damit man (leistungs-)motiviert handelt. Soweit so gut – na ja – ganz schön „kopflastig“ diese Theorien! Wo ist da das „geile Bauchgefühl“, das ich jeden Tag beim „Leisten“ habe? Das wurde in diesen Ansätzen niemals thematisiert. Mein lieber Kollege Ralf Brand von der Uni Potsdam hat da ein paar neue Ideen in seiner „Affective-Refletcive-Theory“ formuliert, die sehr spannend sind und genau diesem „Bauchgefühl“ zumindest in weiten Teilen eine wichtige Funktion zuschreibt. Nun gut – diese Theorie zählt sich eher zu den Gesundheitsmotivations-Theorien. Aber was ist Streak-Running? Leistungshandeln? Gesundheitshandeln? Oder durch etwas ganz anderes angetrieben?
Und das bringt uns zurück zum Anfang dieses Blog-Beitrags. Ich experimentierte ja mit dem „10 km-pro-Tag-Ziel“. Das ging ganz gut los, wurde dann zunehmend unrealistischer (siehe obige Grafik) und ich hatte es schon aufgegeben. Dann kamen ein oder zwei richtig geile längere Läufe (über 20 Kilometer) dazu, die eigentlich aus purer Lust und Leidenschaft entstanden sind – da wich mir das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Am 30.3. lief ich noch mal 13 Kilometer und ich wusste, am 31. brauchst du noch mal 12 und du bist „der Sieger“ über Dich und deinen Schweinehund“ und „was weiß ich noch“. Ich lief am 31.3. sehr früh morgens los, und nahm Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert (auf dem Ipod) mit. Die 12 Kilometer-Strecke wäre reiner Asphalt gewesen, Nach 2 Kilometern kann ich in ein Feld- und später Waldstück abbiegen – wird dann aber keine 12 km mehr. Aber die Lust „zwischen meinen Ohren“ – dieses gewaltige Klavierkonzert und dann der Gedanke über Wurzeln und Pfützen springen zu dürfen – die frische Waldluft zu inhalieren und alles miteinander verschmolzen erleben zu können, haben intuitiv dazu geführt, dass ich dann die Abkürzung genommen habe und nur die 8,5 Kilometer gelaufen bin. Leistungsziel verfehlt! Aber einen gigantischen Lauf in Erinnerung behalten! Was ist mir nun wichtiger? Vielleicht bringt mit der April die Antwort?
Prof. Dr. Oliver Stoll: Streakrunning ist „Mentales Training“ (Streakrunning-Serie, Teil 1)
Prof. Dr. Oliver Stoll: Grenzenlose Gelassenheit (Streakrunning-Serie, Teil 2)
Prof. Dr. Oliver Stoll: Die Sinne schärfen sich (Streakrunning-Serie, Teil 3)
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