Prof. Dr. Oliver Stoll: Die Sache mit dem Selbstvertrauen im Fußball…

Seit Ende Februar ist Bruno Labbadia Trainer des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg. Keine leichte Aufgabe, nachdem der Pokalsieger von 2015 wirklich schwierige Monate erlebt hat und in dieser Saison neuerlich gegen den Abstieg kämpft. Gestolpert bin ich in den vergangenen Wochen immer mal wieder über Aussagen von Labbadia zum Thema Selbstvertrauen. Interessante Theorien waren dabei, wie: “Eine Mannschaft, die in erster Linie über das Fußballerische kommt, verliert das Selbstvertrauen viel schneller als ein Team, das eher vom Zweikampf lebt”. Echt aufgeregt haben mich aber seine Worte nach der Niederlage gegen die TSG Hoffenheim: “Selbstvertrauen bekommt man nur durch Erfolgserlebnisse.”

Zum Thema: Über Spiegelneuronen, Gefühlsansteckungen und kollektives Zielsetzungstraining – ein paar Ideen, um Selbstvertrauen auch unter schwierigen Rahmenbedingungen herstellen zu können  

Tja, Selbstvertrauen entsteht durch Erfolge, die man hat. So weit, so richtig, Herr Labbadia! Was ich dabei aber nicht verstehe: Warum sorgen Sie denn nicht für Erfolgserlebnisse? Dass meine ich nicht wie ein Fan aus der Kurve oder ein Journalist, der an das nächste Wochenende denkt, sondern vielmehr geht es mir um Trainingsarbeit auf und neben dem Platz.

Die Sportpsychologie bietet einige seriöse Ansätze, wie sich “Selbstvertrauen” auch in verfahrenen und wenig kontrollierbaren Situationen – wie eben im Abstiegskampf, wo medialer Druck, eine negative Grundstimmung und Misserfolgserlebnisse zusammenkommen – erarbeiten lässt:

  1. Stellen wir also fest: Wir müssen das Selbstvertrauen festigen, ohne den Einfluss des nächsten und möglicherweise überlegenen Gegners im Hinterkopf zu haben. Ein Trainer kann ja eben nur das beeinflussen, worüber er Kontrolle hat. Im besten Fall verfügt er z.B. über Videomaterial seiner Mannschaft, die die eigenen Fähigkeiten im Spiel gegen einen Gegner besonders unterstreicht. Wenn sich Spieler (von außen) sehen können, wie sie erfolgreich gegen Gegner agieren und ihre Fähigkeiten sprichwörtlich „vor Augen geführt wird“, dann hat das auch einen „Beobachter-Lern-Effekt“ für die Psyche (Stichwort: Spiegelneuronen)
  2. Auch im Trainingsbetrieb kann man – didaktisch-methodisch orientiert – Situationen „erzeugen“, die es den Spielern erlauben, einen individuellen Fortschritt zu erkennen. Das erfordert natürlich ein sehr differenziertes Wissen über die sportmotorischen und psychischen Fähigkeiten eines jeden Spielers. Eine individuelle, realistische Zielsetzung einer einzigen Trainingseinheit kann im besten Fall dazu führen, dass ein Spieler in seinem Reflexionsprozess feststellt, dass er auch unter schwierigen Bedingungen ein individuelles Trainingsziel erreicht hat. Und so etwas kann durchaus positive Effekte auf das Selbstvertrauen haben. Und eine „gute Stimmung“ eines einzelnen Spielers kann ansteckend wirken (Stichwort: Emotional Contagion)
  3. Fußball ist ein Mannschaftssport. Stimmt! Es kommt also nicht nur auf individuelle (Trainings)ziele an. Sondern in schwierigen Situationen ist es hilfreich, dass Individuelle und kollektive Ziele übereinstimmen (und das ist sehr viel wichtiger, als „11 Freunde“ unter seinen Fittichen zu haben). Dennoch wissen wir auch um den wissenschaftlich nachgewiesenen Stresspuffer-Effekt von sozialer Unterstützung. Aus diesem Grund sind Team-Entwicklungsmaßnahmen (nein, hiermit sind keine Ausflüge in den Hochseilgarten gemeint) in einer solchen Situation durchaus angesagt. Denn puffert man den Stress ab, kann das individuell durchaus zu mehr Selbstvertrauen führen (Stichwort: Kollektives Zielsetzungstraining).  

Fazit

Selbstvertrauen entsteht durch Erfolge. Richtig! Kann man diese aber nicht erzwingen, ist es möglich, selbst bei mehr oder weniger „kontrollierbaren“ Mannschaften Impulse zu setzen, die das Selbstvertrauen steigern können. Eine Erfolgsgarantie gibt es natürlich nie – es klingt aber plausibel und es ist vielleicht einen Versuch wert.

 

Sportpsychologie im Fußball? Wir hätten da noch einen Veranstaltungstipp: 

Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp (Thema Fußball) – 02/03.06.2018 in Bochum

Mehr zum Thema:

Dr. René Paasch: Selbstvertrauen im Fußball

Christian Hoverath: Ran an die Quellen des Selbstvertrauens!

Views: 708

Prof. Dr. Oliver Stoll
Prof. Dr. Oliver Stollhttp://www.die-sportpsychologen.de/oliver-stoll/

Sportarten: Eishockey, Handball, Ultralang- und Langstreckenlauf, Triathlon, Biathlon, Wasserspringen, Boxen, Leichtathletik, Schwimmen, Floorball uvm.

Leipzig, Deutschland

+49 (0)173 4649267

E-Mail-Anfrage an o.stoll@die-sportpsychologen.de

1 Kommentar

Kommentarfunktion ist geschlossen.