Dr. René Paasch: “Mia san mia” – Oder wie eine gemeinsame Identität im Fußball funktioniert

Die Deutsche Welle hat mit der Dokumentation “Das Mia san mia-Phänomen” einen beeindruckenden Film über den FC Bayern München vorgelegt. Unabhängig davon, ob man den Verein nun mag oder nicht, erfahren Mannschaftssportler hier, wie sich die gemeinsame Identität bei Deutschlands Rekordmeister anfühlt. Auf Grundlage des Films und des legendären Klubmottos möchte ich Ihnen nun meine Ideen und praktische Anregungen für Ihre eigene Identitätsfindung liefern. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sich dies nicht nur für den FC Bayern lohnt.

Zum Thema: Identität im Fußball und wie andere Vereine davon profitieren können?

Bekannte Größen wie Oliver Kahn, Weltmeister Philipp Lahm oder den heutigen Präsidenten Uli Hoeneß können zahlreiche Geschichten erzählen – mal zum Schmunzeln aber auch emotional ergreifend. Dabei wird sehr schnell klar, dass “Mia san mia” viel mehr ist als ein Werbeslogan. Es ist ein Gefühl, immer das Maximale erreichen zu wollen. So sieht es auch Lahm. Für Ex-Kapitän Lahm ist „Mia san mia“ so „ein Gefühl, immer das Maximale erreichen zu wollen“. Ähnlich sieht es Kahn, wenn er sagt: „Man muss immer den permanenten Anspruch an sich selbst haben, der Beste zu sein.” Wohl kaum ein Spieler in der ruhmreichen Geschichte der Bayern verkörperte dies besser als er. Übersetzt heißt Mia san mia: Wir sind wir. Dieser Satz beschreibt das bayerische Lebensgefühl und die bayerische Selbstverständlichkeit. Viele verstehen diese Mentalität nicht oder empfinden sie als überzogen. Sie haben aus der Ferne betrachtet ein unerschütterliches Selbstwertgefühl, welches sie Tag für Tag zum Ausdruck bringen.

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Aber was ist nun die gemeinsame Identität und wie können andere Vereine davon profitieren? In der Wirtschaft ist es schon lange Standard, dass man ein firmeninternes Leitbild entwickelt. Dieses beschreibt, wer man ist und/oder sein möchte, welche Werte man vertritt und wo man die eigenen Aufgaben und die eigenen Stärken sieht. Ein solches Leitbild ist auch im Sport hilfreich, denn es erleichtert die Identifikation des Einzelnen mit dem Gesamten. Wie bspw. die nun folgenden Anregungen: Ich bin stolz und glücklich, in dieser Mannschaft zu spielen oder wir werden in unserem Spiel sicher Auftreten und füreinander einstehen. Leider werden solche Visionen und Bilder viel zu selten genutzt. Dabei drängen sie sich auf. Befindet sich zum Beispiel ein Tier im Vereinswappen? Denken wir doch einmal an den 1. FC Köln oder das neue Logo von Juventus Turin. Doch es gibt Wappen, die noch mehr verwundern. Von fliegenden Hexen über kickende Kamele bis hin zum Weihnachtsmann. Das sind ganz klare Symbole. Aber auch ohne Tiersymbol gibt es viele Möglichkeiten, Leitbilder zu erschaffen. Starten Sie zum Beispiel so, indem Sie als Trainer sich vor Saisonbeginn mit Ihrem Team im lockeren Rahmen zusammensetzen und von ihren Träumen, ihren sportbezogenen Idealen erzählen. Und dann tragen Sie zusammen, wie sich die Einzelspieler schon sehen: Was sind die Stärken und wie arbeiten wir gemeinsam an unseren Schwächen? Was ist charakteristisch für ihr Team und für welche Werte stehen sie? Anschließend führt der Verein mit den verantwortlichen Trainern das Idealbild und die Realität zusammen. Das Leitbild sollte in die Zukunft weisen und eine tiefe Verbindung zum Verein haben.

Beispiel VfL Bochum

Ich arbeite als Nachwuchstrainer und Sportpsychologe beim VFL Bochum. Hier nutzen wir ein Leitbild. Dazu wurde eine Essenz aus aussagekräftigen Werten gebildet, die für den VFL Bochum und das Talentwerk stehen:

  • Wir bekennen uns zu unserer regionalen Identität und Tradition!
  • Wir sind professionell!
  • Wir sind nah!
  • Wir sind unbeugsam!
  • Wir sind mitreißend!
  • Wir bekennen uns zu unserer sozialen Verantwortung! Nähere Inhalte dazu finden Sie auf der VFL Seite:

http://www.vfl-bochum.de/kickit/upload/webseite/verein/Leitbild.pdf

Der VFL Bochum steht für: In Bochum, aus Bochum, für Bochum – Er ist ein Bochumer Junge. Tief im Westen bilden wir eine echte Gemeinschaft: Kurve, Mitglieder, Mitarbeiter, Spieler und Partner sind Fans. Wir Fans sind stolz, den VfL Bochum 1848 zu unterstützen, alle anderen für ihn zu spielen und für ihn zu arbeiten. Durch leidenschaftlichen, ehrlichen und erlebnisreichen Fußball vermitteln wir Freude, Faszination und Begeisterung. Wir identifizieren uns mit den hier formulierten Zielen und Werten! Ähnliche Werte können Sie für Ihren Verein erstellen sodass ein bewusster/unbewusster Träger entsteht. Dieser kann sogar bis in die Jugendmannschaften weitergegeben werden, so dass sich ein Synergie-Effekt ergibt. Mit Ihrer eigenen Identität haben Sie eine gute Grundlage, die Ihre Mannschaft, der Verein und möglicherweise die Fans zusammenbringen und die Sie in hilfreicher Weise über die gesamte Saison begleiten kann.

Fazit:

Jeder Verein und Trainer ist, wie er ist. Sie haben aber auch eine Vorstellung davon, wie und wer sie sein wollen. Diese Identität muss im Laufe der Vereinszeit oder am Saisonanfang gefunden und entwickeln werden. Dabei kann die Sprache oder ein Tierwappen hilfreich sein. Funktionäre/Trainer und Mannschaften erzählen gerne über sich selbst, über das, was sie erlebt und unternommen und wie sie in dieser und in jener Spielsituation reagiert haben. Sie suchen dabei nach jenen Eigenschaften, die sie als Verein kennzeichnen und unverwechselbar machen. So formen sie ihre „gemeinsame Identität“.

Literatur

Stoll, O., Pfeffer, I. & Alfermann, D.: (2010) Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Huber. ISBN 978-3-3456-84736-8

Internet:

http://www.vfl-bochum.de/kickit/upload/webseite/verein/Leitbild.pdf

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Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de