Ein Jahr vor der WM 2018 in Russland hat Bundestrainer Joachim Löw die erwünschte Konkurrenzsituation. Die Confed-Cup-Sieger machen ordentlich Druck auf die Weltmeister. Der Bundestrainer begrüßt den internen Druck. Ich nehme diesen Ball auf und erkläre aus sportpsychologischer Sicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Reibung und gegenseitigem Vertrauen.
Zum Thema: Fördert der Konkurrenzkampf und das Vertrauen die kontinuierliche Leistungsfähigkeit im Fußball?
Konkurrenz belebt den Leistungssport. Eine solche Situation kann anspornen, den Ehrgeiz wecken und Innovationen hervorbringen. Zu viel davon kann aber Leistung und Entwicklung gefährden. Vor allem unter Teamkollegen: Wenn Neid, Konkurrenzdenken und Rivalität Überhand nehmen, entstehen daraus schnell Ellbogenkämpfe und Intrigen. Nicht jeder nimmt das sportlich und erträgt es auf Dauer.
Diesen Effekt konnten Forscher der Universität von Saskatchewan in einem Experiment nachweisen. Sie wollten wissen, ob ein direkter Leistungsvergleich die Trainingsintensität und -dauer der Probanden steigern kann? Dazu teilten sie 68 Probanden (darunter neun Männer, Durchschnittsalter 40 Jahre) in zwei Gruppen. Die Aufgabe: So lange wie möglich in einem Ganzkörperstütz auf Ellenbogen und Füßen, parallel zum Boden verharren. Zwei Mal hintereinander, unterbrochen von einer dreiminütigen Pause. Die eine Gruppe bekam in der Pause die Information, dass 80 Prozent der Mitglieder, die sich auf einem vergleichbaren Trainingslevel befinden, beim zweiten Durchgang 20 Prozent länger durchgehalten haben. Der anderen Hälfte der Probanden wurde in der Pause nichts gesagt.
Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit
Die Forscher hatten gehofft, durch die Ansage die Motivation der Probanden und damit auch ihre Leistung im zweiten Durchgang zu steigern. Genau das trat ein: Die “informierte” Gruppe der Teilnehmer hielt beim zweiten Anlauf um fünf Prozent länger als beim ersten Mal. Ein erstaunliches Ergebnis. Die Durchhaltezeit der Kontrollgruppe war beim zweiten Durchgang um 18 Prozent kürzer. Die Probanden in der ersten Gruppe zeigten zudem ein größeres Vertrauen in ihre eigene Leistungsfähigkeit.
Der Konkurrenzkampf ist somit ein wichtiger Begleiter, der uns in die Wiege gelegt worden ist. Schon Kinder vergleichen und messen sich im Spiel. In der Schule wird es teils durch Wettbewerbe und Noten gefestigt und setzt sich schließlich in der Ausbildung und im Sport fort. Seien Sie dankbar für die Reibung Ihrer Mannschaft: Denn der Vergleich hilft schließlich auch bei der eigenen Standortbestimmung und kontinuierlichen Entwicklung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das gesehene und geführte Vertrauen.
Vertrauen für mehr Leistungsfähigkeit
„Wenn ich nicht von Anfang an spiele, dann habe ich schon etwas verloren?“ – Nein! Tatsächlich kann gerade die gemeinsame Freude über einen Erfolg und die Entwicklung von Mannschaftskollegen mehr erreichen als Neid auf Teamkollegen. Denken Sie beispielsweise an den sogenannten Rosenthal-Effekt/Pygmalion-Effekt: Im Jahr 1963 unterzogen sich 18 Grundschüler einem Experiment nach dem amerikanischen Psychologen Robert Rosenthal: Deren Lehrern wurde gesagt, diese Kinder seien ausgewählt worden, weil sie besonders begabt seien. Als acht Monate später an dieser Schule ein Intelligenztest durchgeführt wurde, schnitten genau diese Schüler besser ab als alle anderen. Das Besondere daran: Die Geschichte war erfunden – die Schüler waren lediglich eine Zufallsauswahl, so begabt wie jeder andere auch. Allerdings hatten ihnen ihre Lehrer besonders gute Leistungen zugetraut – und sie sich selbst somit auch. Die Ergebnisse Rosenthals konnten über viele Jahre und an vielen verschiedenen Schulen repliziert werden (Aronson, E, Wilson, T.D. Akert, R.M., 2004). Dabei führten etwa 40 Prozent der Wiederholungen des Experiments zu den erwarteten Ergebnissen.
Nutzen Sie diesen Effekt, indem Sie Ihren Leistungskickern, eine besondere Behandlung (besondere Hilfestellungen, häufigeres Zunicken/Zulächeln, regelmäßige Gespräche und individuelle Trainingspläne) zukommen lassen. Das führt dazu, dass Sie immer mehr an sich und Ihre Fähigkeiten glauben. Dieser Effekt kann auch dann eintreten, wenn es sich „nur“ um einen Durchschnittsschüler handelt. Diese Herangehensweise könnte somit einen Mehrwert für alle Spielklassen im Fußball bedeuten.
Fazit:
Solange alle Sportler die Konkurrenzsituation sportlich nehmen und sich an Fair-Play-Regeln halten, kann ein Konkurrenzkampf beflügeln und Wachstum hervorbringen. Auch im Amateur – und Leistungssport wird der Rosenthal-Effekt durch das Erwecken einer positiven Erwartungshaltung bestärkt. Hier führt die positive Energie des Überzeugten dazu, dass der Cheftrainer ebenfalls an das Gelingen glaubt und sich mit dieser Motivation um seine Mannschaft und Spieler kümmert. Dadurch wiederum wird das Selbstbewusstsein positiv beeinflusst und die Leistungsfähigkeit gesteigert. Ein gegenseitiger Nutzen für Trainer und Spieler.
Joachim Löw macht Ihnen als Trainer vor, wie sich der Konkurrenzkampf effektiv und gewinnbringend für alle Beteiligten auswirken kann. Wenn Sie Fragen haben, wie Sie dieses Handwerkszeug in Ihre tägliche Arbeit einbauen können, meine Kollegen und ich stehen Ihnen gern zur Verfügung:
Zum Profil von Dr. René Paasch
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Literatur
Aronson, E, Wilson, T.D. Akert, R.M. (2004): Sozialpsychologie. 4. Auflage. Pearson Studium, ISBN 3-8273-7084-1, S. 23
Rosenthal, R. Fode, K. L. (1963): The Effect of Experimenter Bias on the Performance of the Albino Rat“, in: Behavioral Science 8, S. 183-189.
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