Fiasko, Wut, verkorkstes Großereignis und Lethargie sind nur einige Stichpunkte, die in der medialen Berichterstattung über das Abschneiden und Verhalten der deutschen Schwimmer*innen bei der Schwimm-WM in Budapest gefallen sind. Es gab und gibt Streit im Verband und es mangelt an Vertrauen. Es entsteht der Eindruck, dass es seit vielen Jahren sowohl körperlich als auch mental bei den deutschen Schwimmer*innen und im Team nicht mehr „passt“. Die Berichterstattung hört sich vor und nach jedem Schwimm-Großereignis gleich an – eine selbsterfüllende Prophezeiung?
Zum Thema: Die negativen Emotionen im deutschen Schwimmverband und deren Auswirkungen auf die Leistungen
Eines wurde während der Schwimm-WM im Juli im ungarischen Budapest auf Basis der medialen Berichterstattung deutlich: Im deutschen Schwimmverband herrschen offenbar negative Emotionen und schlechte Stimmung vor. Selbst Franziska Hentke, die einzige Medaillengewinnerin (Silber über 200m Schmetterling) dieser WM, zeigte sich enttäuscht darüber, dass ihr Trainer nicht zum DSV-Trainerstab gehört. Von Bitterkeit und Trotz war die Rede. Philip Heintz wünschte sich mehr Ruhe und Vertrauen und weniger Kritik, um sich auf sein Training konzentrieren zu können. Man muss kein Psychologe sein, um zu ahnen, dass die Aufmerksamkeit auf ausschließlich negativen Emotionen nicht zur maximalen Leistungserbringung führt.
Kann das Abschneiden der deutschen Schwimmer*innen auch als erfolgreich eingestuft werden?
Ja, kann es! Im internationalen Vergleich hat Deutschland eher einen kleinen Schwimm-Kader. Im Vorfeld hat der DSV-Bundestrainer Lambertz seine realistische Zielsetzung mit drei Medaillen-Hoffnungen benannt. Eine ist es geworden. Die deutschen Schwimmer*innen sind also zu 33,3% erfolgreich gewesen. Im Sport auf internationalem Hochleistungsniveau gibt es unzählige Variablen, die im Vorfeld nicht kalkulierbar sind. Das macht den Sport ja so emotional und spannend. Erwartungen sind nicht übertroffen worden, aber mit etwas Wohlwollen kann gesagt werden, dass die Leistungen solide waren.
Wo sollen die positiven Emotionen herkommen?
Die deutsche Medaillengewinnerin Hentke ist ein Paradebeispiel für Willenskraft, Durchhaltevermögen und Fokus. Sie gibt preis, dass sie sich vor ihrem Finallauf in ein anderes Setting gedacht hat. Sie hat das tobende Stadion „einfach“ ausgeblendet. Sie gehört mit ihren 28 Jahren bereits zu den älteren Athleten. Sie hat bei dieser WM einen starken Kopf bewahrt und möglicherweise hat das den entscheidenden Unterschied gemacht. Im Konkurrenzkampf mit der internationalen Spitze geht es im Schwimmsport letztendlich um Hundertstelsekunden. Am Ende gewinnt (vielleicht) der stärkste Kopf?
Hentke ist zu Recht stolz auf ihre Medaille und Schwimm-Deutschland darf das auch sein. Die zum Teil berechtigte Kritik am DSV der letzten Jahre hat nicht zu Schwimmerfolgen geführt. Die Aufmerksamkeit auf die Erfolgsgeschichten zu richten, die der Schwimmsport immer noch schreibt, könnten vielleicht zu einer Wendung führen. Den Stolz und die Leidenschaft für das nächste Großereignis zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu machen, wäre zumindest ein Versuch wert.
Literaturverzeichnis
Haack, Melanie (2017). Die verheerende WM-Bilanz der deutschen Schwimmer.
Verfügbar unter: https://www.welt.de/sport/article167188466/Die-verheerende-WM-Bilanz-der-deutschen-Schwimmer.html [07.08.17]
Haack, Melanie (2017). Die bitteren Tränen der großartigen Franziska Hentke.
Verfügbar unter: https://www.welt.de/sport/article167131873/Die-bitteren-Traenen-der-grossartigen-Franziska-Hentke.html [07.08.17]
Hornung, Christian (2017). Warum Bundestrainer Lambertz ins Schwimmen gerät.
Verfügbar unter: http://www.sportschau.de/weitere/schwimmen/analyse-schwimm-wm-henning-lambertz-100.html [07.08.17]
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