In der heutigen erfolgsorientierten Gesellschaft wird der Wert eines Menschen sehr häufig über die erbrachte Leistung definiert. In diesem Zusammenhang spielt es keinerlei Rolle, welche Bereiche des Lebens (Schule/Ausbildung/Job usw.) angesprochen werden. Diese stetige Entwicklung macht auch vor dem Nachwuchs keinen Halt. Das Streben nach Spitzenleistungen und Erfolg rückt immer mehr in den Mittelpunkt. Vermeintliche Defizite in den Bereichen Liebe, Akzeptanz und Anerkennung können durch erfolgreiches Handeln weitgehend kompensiert werden. Diese Annahme führt zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass Erfolg das Allheilmittel aller Probleme zu sein scheint. Ein Teufelskreis beginnt, welcher den jungen Menschen an seine psycho-physischen Grenzen bringen kann.
Zum Thema: Was können Nachwuchsathleten tun, damit sie ein hohes Selbstwertgefühl entwickeln können, auch dann, wenn nicht immer der Platz an der Sonne am Ende des Tages zu verbuchen ist?
Der Umgang mit Enttäuschungen und die Verarbeitung von Niederlagen ist sehr stark von der jeweiligen Persönlichkeit und den individuellen Verarbeitungsmechanismen abhängig. Als Mensch geachtet und respektiert zu werden, auch dann wenn der sportliche Erfolg ausbleibt, stellen wertvolle Erfahrungen dar, die unseren Selbstwert stärken. Wir fühlen, ob uns der nahestehende Personenkreis ausschließlich wegen unserer Erfolge liebt und wertschätzt. Letztendlich kann sich hieraus ein Glaubensmodell nach dem Motto entwickeln: „Je mehr Leistung, desto mehr Liebe“.
Gerade diese Leistungsorientierung und das Streben nach Anerkennung fördern eine Ergebnisorientierung und reduzieren die Freude am Tun. Auf dieser Grundlage lassen sich auffällige Verhaltensweisen wie Unpünktlichkeit, sich in den Mittelpunkt stellen oder die Flucht in Krankheit (sekundärer Krankheitsgewinn) erklären. Wird die Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe nicht durch die Leistung und Erfolge erfüllt, wird das somit entstandene Defizit auf der Habens-Ebene versucht zu kompensieren. Das zur Schau stellen von Besitztümern oder die zuvor genannten Verhaltensweisen sind Möglichkeiten, dies sich den jungen Sportlern stellen, dieses Defizit zu füllen.
Selbstwert – ein multidimensionaler Ansatz
Unter Selbstwert wird die Bewertung eines Bildes, das man von sich selbst hat, verstanden. Das kann sich auf die Persönlichkeit und Fähigkeiten des Individuums beziehen, als auch auf die verschiedenen Bereiche des Selbstkonzeptes wie z.B. Soziales, Emotionales oder Physisches (vgl. Wörz, 2010). Schütz und Selin (2006) betonen in diesem Zusammenhang, dass mehrere „Selbstwertbereiche“, wie soziale Beziehungen, körperliche Befindlichkeiten, emotionale Stabilität und Leistungsfähigkeit den Selbstwert definieren. So kann der Mensch, je nachdem wo dieser hinschaut, zu unterschiedlichen Selbstwerten bei sich kommen. Die Problematik besteht darin, dass der Mensch seinen subjektiven Fokus eher auf jene Bereiche richtet, welche bedroht sind und sich somit selbst entwertet. Hinzu kommen häufig unrealistische Vergleichsstrategien, die zu zusätzlichen Selbstwertproblemen führen.
Nach Schütz (2003) liegen wertvolle Quellen des Selbstwerts in den eigenen Erfolgen und der individuellen Fähigkeit zur Grundhaltung der Selbstakzeptanz („Ich bin wie ich bin!“), in der Zufriedenheit und Geborgenheit, funktionierender sozialer Beziehungen sowie in der sozialen Kontaktfähigkeit. Je perfektionistischer und ergebnisorientierter und je weniger wir uns mit unseren Fehlern und Schwächen annehmen, umso eher erleben wir unseren Selbstwert als bedroht. Deshalb stellt die Entwicklung von mehr Selbstakzeptanz einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem starken und belastbaren Selbstwert da.
Selbstwertmanagement – Maßnahmen der Intervention
Innezuhalten und achtsam zu werden ist der erste wichtige Schritt. Die Änderung der Einstellung hinsichtlich der Akzeptanz der aktuellen Situation, wie es jetzt gerade ist, kann durch spezielle, einfache Wahrnehmungsübungen im Alltag geschult werden. Ziel ist es, der negativen Spirale der Selbstentwertung zu begegnen und den inneren Kritiker zu einem wohlwollenden Begleiter zu transformieren. Für die Umsetzung des Selbstwerttrainings empfiehlt sich u.a. ein „Tagebuch des Wohlwollens“. Dieses und noch weitere Übungen erhalten sich auf Anfrage beim Verfasser.
Zur Profilseite von Thorsten Loch:
http://www.die-sportpsychologen.de/profile/thorsten.loch/
Literatur:
Schütz, A. (2000). Psychologie des Selbstwertgefühls. Von Selbstakzeptanz bis Arroganz. Stuttgart: W. Kohlhammer.
Schütz, A./Sellin, I. (2006). Die Multidimensionale Selbstwertskala (MSWS). Göttingen: Hogrefe.
Wörz, T./Lecheler, J. (2010). Die Psyche des Leistungssportlers. Lengerich: Pabst Science Publishers.
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