Florence von Ziegler: Sportpsychologie interessierte mich erst einmal nicht…

Florence von Ziegler bei einer Bodenübung

 

In diesem Wettkampfjahr will Florence von Ziegler Kantonalmeisterin werden und einen Podestplatz an den Schweizermeisterschaften erringen. Die 22 Jahre Athletin, die drei- bis viermal die Woche in einem kleinen Verein in Hombrechtikon trainiert, nutzt seit 2016 sportpsychologische Betreuung. Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit Dr. Hanspeter Gubelmann ergab sich die Möglichkeit, dass sie über mehrere Monate von der Psychologiestudentin und ihrem Mentor intensiver betreut wurde. Ihre Erfahrungen schildert die Kantonalmeisterin von 2015 und 2016 und zweifache Bronzemedaillengewinnerin bei den Schweizermeisterschaften in diesem Insiderbericht. 

Für die-sportpsychologen.ch berichtet:

Florence von Ziegler

Ehrlich gesagt: Als Teenager konnte ich mit der Sportpsychologie nichts anfangen. Erst mit der Zeit habe ich mitgekriegt, dass Elitesportler mentales Training in ihren Alltag integrieren. Damit wurde mein Interesse geweckt und ich habe begonnen, mich dafür zu interessieren. Meine erste Anwendung klingt aus heutiger Sicht banal: ich habe damit begonnen, mir vor dem Start an den Geräten die Übungen im Kopf vorzustellen. Als es dann im Gymnasium um die Themenwahl für die Maturarbeit ging, entschied ich mich für das Thema “mentales Training”. Mit dieser Auseinandersetzung stieg auch mein Interesse, daraus einen Nutzen für mich in der Wettkampfsituation zu ziehen.

Dieses Wissen allein und die naive Umsetzung meiner Ideen führten mich leistungsmässig aber nicht wirklich weiter. Ich konnte meine oftmals guten Trainingsleistungen zu selten auch im Wettkampf zeigen. Heute weiss ich, dass ich meist zu verkrampft war, sehr viel wollte und mir dabei auch grossen Druck machte. Nach einem Unfall spürte ich eine innerliche Blockade, die mich zu behindern begann. Da ich mich mit der Überwindung dieser Blockade überfordert fühlte, entschied ich mich für eine sportpsychologische Beratung. Im letzten Herbst besuchte ich das Fach Sportpsychologie an der ETH und trat mit Hanspeter in Kontakt. Der Zeitpunkt war super! Daraus entstand die Zusammenarbeit mit Hanspeter und Luisa, was mich sehr gefreut hat.

Hohe mentale Herausforderungen im Geräteturnen

Geräteturnen ist eine jener Sportarten, die sehr hohe Anforderungen an die mentale Stärke des Athleten stellt. Es geht um die Bestleistung an vier technisch anspruchsvollen, sehr unterschiedlichen Geräten – dann wenn’s zählt. Ich muss auch mit den unterschiedlichen Hallenbedingungen klar kommen, es gilt unfaire Benotungen zu verkraften, immer überzeugt aufzutreten und die Konzentration hochzuhalten. Psychische Robustheit ist gefragt, denn es gilt, den ganzen Wettkampf auf höchstem Niveau zu turnen. Abgerechnet wird erst am Schluss! Just an diesem Punkt habe ich mein grösstes Verbesserungspotential geortet. Ich hadere zu oft und zu lange mit mir, wenn eine Übung oder auch nur ein Element missglückt. Dadurch entsteht noch mehr Druck und die Folge ist meist eine Verkrampfung. Umgekehrt turne ich dann am besten, wenn ich lockerer und gelassener an die Übungen herangehen kann. An dieser positive Selbststeuerung arbeite ich momentan konsequent.

Begonnen haben wir mit Bewegungsvorstellungsübungen, die mir schon einigermassen vertraut waren. Ich lernte aber, diese präziser zu erarbeiten und gezielter einzusetzen. Trainieren heisst auch hier geplantes und vielfältiges Üben! Weiter haben wir uns mit dem Thema Musik auseinandergesetzt und Einsatzmöglichkeiten im Umgang mit einer Aktivierungsregulation entwickelt. Sehr geholfen hat mir auch das wettkampfnahe Training, vor allem mit Formen der Nichtwiederholbarkeit, mit denen ich mein Wettkampfverhalten schon im Training besser in den Griff bekomme. Aber auch in die Verbesserung meiner Rahmenbedingungen mit Studium und Leistungssport habe ich investiert. Ich versuche meinen studentischen Alltag vermehrt so zu gestalten, damit eine hohe Trainingsqualität möglich wird. Hier spielt auch die Regeneration eine wesentliche Rolle.

http://die-sportpsychologen.ch/2017/07/06/dr-hanspeter-gubelmann-die-ersten-schritte-im-feld/

Ich muss das Interesse des Sportpsychologen spüren!

Mir hat es sehr geholfen, dass Hanspeter und Luisa mich im Training und auch an einem Wettkampf betreut haben. Dies hat mir gezeigt, dass sie sehr interessiert an mir und meinen Anliegen sind, obwohl ich mit meiner Sportart nur im Inland erfolgreich sein kann. Ich spüre ihr grosses Interesse an dem, was und wie ich es mache – eben auch wenn die Disziplin nicht olympisch ist! Ich bin gewillt und motiviert, mit Unterstützung von Hanspeter auf mein grosses sportliches Ziel im November hin zu arbeiten. Ein Fokus wird weiterhin auf einem gelasseneren und selbstvertrauenden Umgang mit Rückschlägen oder widrigen Wettkampfsituation liegen.

Mein Fazit ist klar: Wer bereit ist, an sich, mit viel Fleiss und auch entsprechendem Zeitaufwand zu arbeiten, dem kann ich die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Sportpsychologen nur empfehlen. Meine Erfahrungen der letzten drei Monate stimmen mich optimistisch. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Aufwand auch weiterhin positiv auf meine Leistungen auswirken wird. Aber eben: Üben, Üben und nochmals Üben ist angesagt!

http://die-sportpsychologen.ch/2017/07/06/luisa-koller-wie-komme-ich-auf-die-richtigen-fragen/

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de