Die Individualität der Anliegen und der Menschen, die mit ihren Leiden und Wünschen zu mir kommen, bestimmen zu einem grossen Teil die Vorgehensweise meiner Arbeit. Nach genauer Auftragsklärung schöpfe ich aus all meinen „Wissens-Schubladen“ gleichermassen. So wende ich nicht selten eine sportpsychologische Methode in einer Psychotherapiestunde an oder umgekehrt. Methoden- und schulenübergreifend zu Arbeiten, das finde ich sehr befriedigend und für die Klienten ist das eine grosse Bereicherung und Horizonterweiterung. Oft stelle ich auch fest, dass die Schwelle, sich sportpsychologische Unterstützung zu holen viel tiefer liegt als diejenige um zum Psychotherapeuten zu gehen. Wieso also das nicht nutzbringend einsetzen?
Zum Thema: Einsatz von Materialien in der Beratung
Ich bin seit jeher Jägerin und Sammlerin. Und somit ständig auf der Suche nach neuem Material für meine Beratungsstunden. Mein Blick schärft sich immer dann, wenn ich ein Krimskramsgeschäft oder Bastelladen betrete, auf dem Flohmarkt bin oder durch Kinderspielzeugabteilungen streife. Stets auf der Suche nach Hilfsmitteln, welche meine Beratungen und Therapien sinnvoll ergänzen und unterstützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Arbeit und Interventionen durch den Einsatz von Therapiematerial an Kraft gewinnen. Als ich im Jahr 2005 auf einem Kongress in Heidelberg die Arbeiten von Danie Beaulieu kennen lernen durfte, bestärkten mich diese zusätzlich auf meinem eingeschlagenen Weg. Ihr Buch Impact Techniken gehört meiner Meinung nach in jedes Büchergestell. Die teilweise erschreckend erfrischenden, einfachen Hilfsmittel sind schlicht super!
Sportpsychologische Modelle und Techniken, das ist my way.
Psychotherapeutische Modelle und Techniken, auch das ist my way.
Die Integration beider Ansätze, das ist definitiv my way!
Das dahinter liegende Modell leuchtet ein: Je eindrücklicher ein neuer Gedanke vermittelt wird, umso besser ist dessen Verankerung im Gedächtnis – und umso deutlicher die Spur, die derselbe dort hinterlässt. Beaulieu setzt deshalb auf das Prinzip des multisensorischen Lernens, bei dem alle Sinneskanäle mobilisiert werden können: auditiv, visuell, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch (VAKOG). Dadurch wird direkt unser intuitives Wissen angesteuert, welches im Körper steckt: in Bildern und Körperempfindungen. Diese Art von Informationsverarbeitung findet in Bruchteilen von Sekunden statt und arbeitet viel schneller als beispielsweise Gesprächstechniken, die auf unsere Kognitionen abzielen. Umgangssprachlich finden wir dieses Prinzip in Äusserungen wie „…den kann ich nicht riechen…“ oder „….der Schreck blieb mir im Halse stecken …“ etc. wieder.
Werkzeuge ohne Ende
Wir wissen, dass unser Gedächtnis direkt mit unseren Gefühlen gekoppelt ist. Dies kann dahingehend genutzt werden, als dass durch den Einsatz von Bildern, Gegenständen aber auch Gerüchen die dazugehörigen Emotionen ausgelöst werden können. Beispielsweise genügt ein Siegerfoto, um das Glücksgefühl wieder zu spüren und die Bilder vor dem inneren Auge zu sehen. Oder man kann bei einer Person, die sehr negativ denkt und immer nur Probleme sieht, ein Feuerzeug anzünden und bei jeder negativen Bemerkung dieses sogleich auspusten…..immer und immer wieder. Irgendwann wird der Gegenüber dann fragen, was das eigentlich soll und nach einer kurzen Erläuterung dann intuitiv auch verstehen, dass so viele negative Bemerkungen zu keinem Ziel führen.
In meiner Arbeit mit Athleten wende ich Ideen und Material aus allen möglichen Bereichen an, passe sie meiner Arbeitsweise und vor allem den Situationen und Themen meiner Athleten an und habe so über die Jahre hinweg eine vielfältige Menge an Dingen gesammelt. Würde ich eine Hit-Liste dessen erstellen, dann kämen die einfachsten Hilfsmittel zuoberst zu stehen:
diverse Post it’s in allen Farben, Formen & Grössen
kleine Notizhefte
Stickers aller Art
Farb- und Filzstifte
Bilderbücher
Postkarten & Comics
Schnüre & Elastik
kleine Schachteln & Bilderrahmen
Bälle
Figuren
Tiere & Gegenstände
Tassen & Gläser etc.
Mit der Kraft des magischen Denkens
Vor allem bei meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen empfinde ich solche vielfältigen Hilfsmittel als sehr hilfreich und bereichernd. Denn Kinder denken in Bildern, Geschichten und das „magische Denken“ funktioniert noch super. Es macht mir auch einfach mehr Spass, mit solchen spielerischen Interventionen zu arbeiten – und meiner Meinung nach machen sie einen grossen Anteil am positiven Ausgang einer Beratung aus. Einerseits weil der Beziehungsaufbau leichter und spielerisch vonstatten geht. Andererseits aber auch, weil wir ja nun wissen, dass Bilder in unserem Gehirn deutlich besser hängen bleiben als Worte. So nutzt auch die Eriksonsche Hypnotherapie dieses Wissen und arbeitet mit inneren Bildern, Vorstellungen und Gefühlen. Die Aufmerksamkeit wird dadurch gebunden und auf den Körper und sein Innenleben gerichtet. Die gemeinsame (Bilder-)Sprache, die sich zwischen meinem Sportler und mir entwickelt, erweist sich für unseren Beziehungsaufbau als sehr zentral.
Ein Beispiel als Erläuterung: Eine 12-jährige, sehr talentierte Skirennfahrerin berichtet nach einer Bänderverletzung am Fussgelenk über Blockaden während der Rennen. Der Unfall hatte sich nicht auf dem Schnee ereignet – trotzdem hatte er seinen Einfluss auf die Leistung. Sie bringe ihr Tempo einfach nicht mehr und fahre mit angehaltener Bremse, sagte sie. Wow, was für ein perfektes Bild zur Beschreibung ihrer Situation! Wir haben daran gearbeitet, welches Bild ihr anstatt der angezogenen Bremse denn besser entsprechen würde, stimmiger wäre und ihr das Gefühl vermittle, welches sie beim Skifahren haben wollte. Sie konnte sich gut in dieses „Bilder-Gefühls-Spiel“ einlassen und formulierte Begriffe wie auf Schienen, locker, gedankenlos, stark und gleichzeitig wendig, hin und her, Spass, Weitblick etc. Solche Äusserungen laden förmlich zu einer kleinen Trancereise ein. So machten wir uns auf die Suche nach einem gesamthaften Bild, in welchem sich all ihre „guten“ Gefühle vereinen liessen. Es dauerte nicht sehr lange und sie fand sich auf einer Blumenwiese wieder, auf einem Feldweg stehend. Inmitten farbiger Frühlingsblumen und mit viel Fernsicht. Hier fühlte sie sich vollkommen locker. Die Sonne und den Wind spürend spazierte sie völlig frei, glücklich und gedankenlos über diese Wiese. Dieses neu entstandene leistungsfördernde Gefühl hat sie dann an einem für die passenden Ort in ihrem Kopf verstaut, wo sie jederzeit wieder darauf zugreifen konnte. Wer will kann dieses Vorgehen noch mit einem Anker verstärken, wie z.B. das Halten des linken Handgelenks mit der rechten Hand.
Bild als Impulsgeber
Nachdem das Bild entstanden war, forderte ich sie auf, es auf irgendeine Weise zu verbildlichen. Dabei gebe ich stets unterschiedliche Möglichkeiten vor und die Athletin sucht sich eine davon aus: Beispielsweise ein gemaltes Bild, ein inneres Bild als Repräsentation eines Gefühls, eine passende Tierfigur aus meiner Sammlung oder auch ein positiver Satz, der in den passenden Farben geschrieben wird. Ein Bild kann dadurch einen ganzen Prozess in Gang bringen und gehört darum für mich immer mit in die Toolkiste, wenn es um mentale Stärke geht.
Beaulieu, D. (2005). Impact-Techniken für die Psychotherapie. Carl Auer: Heidelberg.
Views: 3568