Vor jedem Spiel wirft LeBron James Magnesiapulver in die Luft und sein ehemaliger Teamkollege Dwanye Wade macht Klimmzüge am Korb. Ist das nur Show oder haben Rituale auch eine Wirkung auf die Sportler? Machen Rituale sportpsychologisch Sinn oder ist das alles nur Aberglaube?
Zum Thema: Was passiert sportpsychologisch bei einem Ritual?
Rituale sind vor allem in Sekten und Religionen ein wichtiger Bestandteil. Aber auch im Sport sind Rituale weit verbreitet. Im Basketball gibt es zahlreiche Sportler, die sich mit einem bestimmten Ritual auf jedes Spiel vorbereiten oder die vor jedem Freiwurf dieselbe Routine durchlaufen. Mannschaften kommen in ein Huddle zusammen und rufen immer denselben Spruch oder machen eine bestimmte Geste. Diese Rituale sind teilweise individuell, werden aber manchmal auch teamübergreifend oder sogar sportartübergreifend durchgeführt. Im Sport soll damit aber keine übernatürliche Kraft gnädig gestimmt werden. Die Rituale haben für die Sportler meist eine andere Bedeutung.
So unterschiedlich wie die Rituale und Routinen sind, so unterschiedlich ist auch ihre Wirkung zu beurteilen. Manche Spieler nutzen Rituale vor allem, um sich zu beruhigen. Andere Spieler wollen sich durch ein Ritual eher aufpushen. Mannschaftsrituale werden hauptsächlich genutzt, um das Teamgefühl zu stärken und manchmal versuchen Mannschaften auch den Gegner durch Rituale zu verunsichern und selbstsicher aufzutreten (vgl. Sahra Schramm, „Mach den Haka!“:
Routinen und der Einfluss auf Emotionen
Wenn ein Spieler also beispielsweise vor jedem Spiel in die Hände klatscht und seine Schuhe abwischt, hat dieser Spieler vermutlich die Absicht mit hoher Energie (Fokus und Einsatz) ins Spiel zu gehen. Das Abwischen der Schuhe ist sogar funktional und hilft ihm auf dem Spielfeld nicht zu rutschen. Da dieses Ritual jedoch vor jedem Spiel ausgeführt wird, hat es noch eine andere Wirkung, die ich im Zusammenhang mit Freiwurfritualen verdeutlichen will.
Routinen haben einen starken Einfluss auf Emotionen. Durch ein gewohntes Ritual vor jedem Freiwurf erhält der Spieler das Gefühl der Kontrolle über die Situation. Es fühlt sich für den Spieler gut an, eine gewohnte Handlung auszuführen. Vor allem in Situationen, die ungewiss und aufregend sind, kann ein Ritual helfen, die Nervosität zu regulieren. Wichtig ist dabei allerdings, dass das Ritual schon Monate oder Jahre lang trainiert werden muss, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Das Ritual muss mit positiven Situationen verknüpft sein, um die positive emotionale Reaktion hervorzurufen. Wird ein Ritual nur vor schwierigen aufregenden Freiwürfen mit hohem Stresslevel durchgeführt, kann ein Ritual sogar entgegengesetzt wirken und noch mehr Aufregung hervorrufen. Bei einer sportpsychologischen Intervention werden Rituale deshalb oft erst im Zusammenhang mit Entspannungsverfahren trainiert, bevor man das Ritual in das sportliche Training integriert.
Technik stabilisieren
Rituale helfen aber auch Techniken zu stabilisieren. Unternimmt ein Spieler vor jedem Freiwurf dieselbe sportmotorisch unzweckmäßige Handlung gibt ihm diese Handlung ein zusätzliches Gefühl der Routine. Der kommende Freiwurf fühlt sich wie jeder vorher im Training geworfene Freiwurf an. Das Gehirn stellt durch das Trainieren der immer selben Bewegungsabfolge eine einfache Verknüpfung zu der darauffolgenden Bewegung her und kann diese noch einfacher abrufen. Dirk Nowitzki soll beispielsweise vor jedem Freiwurf ein Lied summen. Diese Melodie ist durch tausende von Wiederholungen im Training und im Spiel so sehr mit der darauffolgenden Freiwurftechnik verknüpft, dass die Technik anschließend stabiler und leichter ausgeführt werden kann.
Das Trainieren eines Rituals macht also sportpsychologisch und durchaus auch rational Sinn, wenn es richtig eingesetzt wird. Bei manchen Sportlern, die einen Talisman küssen oder reiben ist teilweise auch ein Teil Aberglaube im Spiel, der aber ähnlich wie ein medizinisches Placebo unbewusst wirken und natürlich auch die oben beschriebenen rationalen Wirkungen hervorrufen kann. Rituale sind aber auch nicht für alle Sportler geeignet. Spieler mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung, die also die eigene Kontrolle über die Situation als hoch einschätzen, profitieren weniger von Ritualen als Sportler, für die die Situation unkontrollierbar erscheint.
Von Aktivierung bis zur Beruhigung
Praxis Tipp: Um Rituale zu entwickeln ist es wichtig, individuell auf den Sportler und die Situation abgestimmte Bewegungen und Handlungen auszuwählen. Der Sportler muss sich mit seinem Ritual wohlfühlen. Außerdem sollte das Ritual je nach Zielstellung entwickelt werden. Springen wäre eine Beispielhandlung, um sich eher zu aktivieren, während die Augen zu schließen eher beruhigend wirkt.
Quellen:
Schippers, M. C., & Van Lange, P. A. (2006). The Psychological Benefits of Superstitious Rituals in Top Sport: A Study Among Top Sportspersons1. Journal of Applied Social Psychology, 36(10), 2532-2553.
Weigelt, M., & Steggemann, Y. (2014). Training von Routinen im Sport. Kognitives Training im Sport, 8, 91.
Cotterill, S. (2010). Pre-performance routines in sport: Current understanding and future directions. International review of sport and exercise psychology, 3(2), 132-153.
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