Christian Hoverath: Die Pausen im Tennis

Die reine Spielzeit eines durchschnittlichen Zwei-Satz-Matches im Tennis beträgt gerade einmal 20 bis 30 Prozent. Die verbleibende Zeit sind Pausen zwischen den Ball- und Seitenwechseln. Diese Unterbrechungen sind aus sportpsychologischer Sicht höchst interessant, bieten sie doch die Möglichkeit der physischen und psychischen Regeneration und der Neuausrichtung der Konzentration nach dem vorangegangenen Ballwechsel.

Zum Thema: Wie Tennisspieler ihre Konzentration Punkt um Punkt neu ausrichten können

„Spiel Punkt für Punkt“, lautet ein von Tennisspielern aller Leistungsklassen häufig gehörter Ratschlag – aber wie? In der Praxis hat sich der Einsatz von Konzentrationsroutinen bewährt.

Konzentration als Grundlage

Konzentration ist die Fähigkeit, seinen Aufmerksamkeitsfokus auf aufgabenrelevante Reize lenken zu können und diesen Fokus aufrecht zu erhalten. Zwei Arten von Faktoren können zu Aufmerksamkeitsverlusten führen:

  • Interne Faktoren liegen in der Person selbst. Gedanken an einen Fehler im letzten Ballwechsel können ebenso wie negative Selbstgespräche auftreten oder auch in die Zukunft gerichtete Fragen, wie z.B. „Was wäre, wenn ich noch einen Doppelfehler mache?“. Ebenso kann der Gedanke an den Matchgewinn beim Stand von 7:6 und 5:2 dazu führen, dass man Punkt um Punkt verliert ohne es zu merken.
  • Zu den externen Faktoren zählen visuelle Reize wie das Ergebnis auf der Anzeigetafel oder bekannte Gesichter im Publikum. Akustische Störreize können klingelnde Handys oder laute Gespräche zwischen Zuschauern sein. Diesen externen Faktoren ist gemein, dass sie die Aufmerksamkeit auf sich und somit weg von für die Leistung relevanten Reizen ziehen.

Konzentration über die gesamte Dauer eines Wettkampfes aufrechtzuerhalten ist schwierig. So zeigen Studien für gewöhnlich, dass der Fokus auf einen Gedanken für etwa fünf Sekunden aufrecht erhalten werden kann.

Routinen für die Konzentration

Hilfreich für die Neuausrichtung und Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit sowie das Ausblenden von Störreizen ist der Aufbau von Routinen. Diese immer gleich ablaufenden Handlungssequenzen sorgen zudem für eine emotionale Ausgeglichenheit und wirken sich positiv auf das Selbstvertrauen aus. Da sie sehr individuell sind, sollten sie systematisch im Training eingeführt und erarbeitet werden.

Gerade im Tennis eignet sich der Einsatz von Routinen aufgrund der Vielzahl an Pausen. In diesen beginnen Gedanken zu wandern oder störende Einflüsse ziehen die Konzentration auf sich.

Loehrs Vierstufenplan

Loehr (1997) schlägt einen vierstufigen Plan für die Zeit zwischen Ballwechseln vor:

In der ersten Phase finden Reaktionen auf den vorherigen Punkt sowie die Trennung positiver von negativen Emotionen statt. Mögliche Techniken sind eingeübte Veränderungen von negativen zu positiven Gedanken oder der Gedankenstopp.

In der anschließenden Entspannungsphase sollen die körperliche und psychische Erregung reduziert werden. Geeignet sind Atementspannungsübungen. Diese sollen erlernt und im Training ausprobiert werden. Ein weiterer Trick ist es den Blick in die Saiten zu richten und dadurch störende Reize auszublenden.

Nach der Entspannung beginnt dann die Vorbereitung auf den nächsten Punkt. Der Spieler geht seine nächsten Aktionen im inneren Dialog oder per Visualisierung durch, um sich in der abschließenden Aktivierungsphase bewusst körperlich und mental zu aktivieren. Dazu eignen sich lockere Sprünge, Bewegungen, eine aufrechte, selbstbewusste Körperhaltung. Der innere Dialog ist positiv und wird durch ein individuelles Ritual eingeleitet. Dieses kann vor dem Aufschlag einen tiefen Atemzug gefolgt von einer konstanten Anzahl an Prellern mit dem Ball beinhalten. Für den returnierenden Spieler sind Rituale möglicherweise das Drehen des Schlägers, das Zupfen am T-Shirt oder das Pusten in die Handfläche.

Probieren Sie es aus: beginnen Sie damit ein zu ihnen passendes Ritual für Aufschlag und Return zu finden, dieses mit Konzentration zu verknüpfen und im Training zu festigen. Im Anschluss können Sie ihre Pausenroutine finden. Bei Fragen unterstützen wir Sportpsychologen Sie gern!

 

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Literatur:

Weinberg, R. S., & Gould, D. (2011). Foundations of sport and exercise psychology (5th ed.). Leeds: Human Kinetics.

Loehr, James (1997). Tennis im Kopf, der mentale Weg zum Erfolg. BLV Verlagsgesellschaft

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Christian Hoverath
Christian Hoverathhttp://www.die-sportpsychologen.de/christian-hoverath/

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