Ich bin, was ich denke. Soll heißen: Wenn ich ein Sieger sein will, muss ich als Sieger denken. Das sind keine grundlosen Worte. Unsere Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und Verhalten stehen in einer Wechselwirkung. Egal, ob Sie von dieser Idee überzeugt sind oder nicht. Das ist einfach Fakt. Und wenn man weiß, wie das funktioniert, kann man das eigene sportliche Verhalten so steuern, wie man will.
Zum Thema: Die mentale Vorbereitung auf den Wettkampf
Das Konzept „Embodiment“, also die Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper, ist in der Wissenschaft sehr bekannt. Die Informationen, die unser Gehirn verarbeitet, sind in ständiger Interaktion mit dem Körperempfinden. Denken wir an etwas, was uns Angst macht, z.B. eine bevorstehende Prüfung oder an Spinnen, dann fühlen wir uns körperlich angespannt, es schlägt auf den Magen oder der Körper beginnt zu kribbeln.
Warum reagieren wir so – die Prüfungssituation oder die Spinnen sind ja gar nicht real vorhanden gewesen, es waren nur Gedanken! Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Einbildung, deswegen hat unser Körper auf den Gedanken an die Prüfung oder die Spinnen so reagiert. Merke: Genauso reagiert unser Körper auch auf alle Gedanken und Vorstellungen, egal ob sie bestärkend oder entmutigend sind.
Wechselwirkung Gedanken-Gefühle-Körper-Verhalten im Sport
Was bedeutet dies also für Sie als Sportler? Betrachten wir zwei vereinfachte Beispiele:
a) Wenn ich denke, ich kann nichts, ich schaffe beim Training nichts, wie fühle ich mich dann? Normalerweise spüren wir Zweifel und haben Versagensgefühle schon von Anfang an. Wie werde ich mich dabei höchstwahrscheinlich körperlich empfinden? Schlapp. Wie werde ich mich beim Wettkampf verhalten? Passiv, schüchtern, unsicher.
Jetzt kommen wir zur zweiten Variante:
b) Wenn ich denke, ich schaffe das, ich habe mich gut vorbereitet: Wie fühle ich mich? Ich bin zuversichtlich, ruhig oder habe Vorfreude. Wie werde ich mich höchstwahrscheinlich körperlich empfinden? Mobilisiert, wach. Wie werde ich mich auf dem Platz verhalten? Aktiv, selbstbewusst.
Klingt erst einmal toll, denn es scheint so einfach: Man muss nur positiv denken. Wie realistisch ist es aber, dass ich vor jedem Spiel oder Wettkampf automatisch (ohne etwas dafür zu machen) eine kampfbereite Stimmung und eben solche Gedanken habe? Das ist unrealistisch. Wir sind Menschen und vor jedem Spiel können wir unterschiedliche Laune haben. Es gibt so viele Dinge, die uns fehlleiten können – wer kennt diese Situationen nicht:
– es wartet ein schwacher Gegner – im Ergebnis bin ich in zu entspannter Stimmung;
– es existiert ein Konflikt in der Familie, mit dem Partner, in der Mannschaft, in der Schule – in jedem Fall hat sich miese Stimmung breit gemacht;
– es ist gerade alles Routine, immer das gleiche Training, viermal die Woche, jedes Wocheneden ein Spiel – akute Langweile!
WICHTIG! Egal aber was vor dem Spiel passiert ist. Im Moment des Wettkampfs haben Sie die Wahl: Entweder Sie spielen mit ihrer aktuellen Laune und zeigen bei negativen Vorzeichen höchstwahrscheinlich eine mittelmäßige bis schlechte Leistung. Oder Sie verschaffen sich ganz bewusst und künstlich so eine Laune und Befinden, die Ihnen hilft, Ihr Bestes zu zeigen.
Wie erschaffe ich vor dem Wettkampf eine kampfbereite Stimmung?
Das Ziel ist es, hervorragende Leistung zu zeigen. Es geht also um Verhalten. Denken wir wieder an Wechselwirkung “Gedanken-Gefühle-Körper-Verhalten“. Wenn wir also, körperlich und gefühlsmäßig uns sehr fit fühlen, dann bekommen wir das erwünschte Verhalten. Dass heißt, wir sollen künstlich bestärkende Emotionen, positive Gedanken und selbstbewusste Körpersprache hervorrufen. So können wir den Organismus richtig erwecken und selbstbewusst auftreten.
Zur selbstbewussten Körperhaltung:
Wie primitive das auch klingen mag:
Nehmen Sie eine Power Pose an: Brust raus, Schultern zurück, Kinn nach oben.
Nach kurzer Zeit werden Sie merken, dass Sie sich selbstbewusster fühlen. Es wurde wissenschaftlich bewiesen, dass die Menschen sich nach fünf Minuten in einer Power Pose leidenschaftlicher, enthusiastischer, einnehmender angenehmer und zuversichtlicher benehmen als wenn sie sich fünf Minuten kleingemacht haben (Cuddy et al., 2010). Dies passiert, weil durch diese Power Pose der Pegel des Stresshormons Kortisol im Körper sinkt und mehr Testosteron zu zirkulieren beginnt.
Und jetzt zu den bestärkenden Emotionen:
Welches Gefühl sollen Sie künstlich erzeugen? Wie sollen Sie sich fühlen und was sollen Sie sich denken, um Ihre beste Leistung zu zeigen? Ein beflügelndes Gefühl: Das kann ein Zusammentreffen von Überzeugtheit, Entschlossenheit, Kraft, Stärke, Freude, gelassene Ruhe und das sichere Wissen sein. Wo finden Sie diese Gefühle? Aus schon gelebter Erfahrung. Vielleicht ihr erster Sieg, den Sie als Kind erlebt hatten oder suchen Sie nach einem anderen sportlichen Erfolg? Das muss aber nicht unbedingt direkt mit dem Sport zu tun haben. Vielleicht kennen Sie dieses Gefühl, wenn sie an Ihre erste Liebe denken oder sich an den Tag erinnern, als Sie zum ersten Mal Vater oder Mutter geworden sind. Versuchen Sie dieses Gefühl mit geschlossenen Augen so intensiv wie möglich wieder in Erinnerung zu bringen, bis im ganzen Körper eine Resonanz entsteht. (Norbekov, 2006).
Finden Sie in Ihrem Leben diesen besonderen Tag und tauchen Sie ganz in die damit verbundenen Gefühle ein!
Spiegel- Übung
Diejenigen, die die Wirkung von Körpersprache und positiven Gefühle und Gedanken unmittelbar austesten wollen, können diese einfache Übung zu Hause oder in der Umkleidekabine ausprobieren. Nehmen Sie sich vor dem Training, Spiel, Wettkampf oder am Anfang des Tages fünf Minuten Zeit, in denen Sie noch kurz allein sein dürfen. Machen Sie Ihre motivierende Lieblingsmusik an. Stellen Sie sich nah an einen Spiegel. Schauen Sie sich dann für fünf Minuten in die Augen.
Rufen Sie anfangs künstlich die Gefühlspalette hervor, die Sie beflügelt. Und dann fangen Sie an, diese fünf Minuten laut und überzeugt aufmunternde Worte, die Dinge, die Sie an sich mögen oder die Sie sich wünschen zu sich sagen. Zum Beispiel: Wie gut Sie etwas können, was Sie schon sportlich alles erreicht haben, wie dankbar Sie sich sind, dass Sie in jedem einzelnen Wettkampf Ihr Bestes geben. Sprechen Sie die Dinge aus und sagen Sie sie nicht nur in Ihren Gedanken. Am Anfang wird sich das sehr komisch anfühlen. Aber schon nach wenigen Minuten werden Sie merken, dass Sie wacher und zuversichtlicher geworden sind.
Wie integriere ich das in meinen Alltag?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Sie diese zwei Bausteine, Körpersprache und das beflügelndes Gefühl für die Wettkampfvorbereitung einsetzen können. Das kann in die Imaginationsübungen eingebaut werden, wo Sie sich in die Rolle des Siegers auf dem Podest schon vorzustellen; von einem Bild träumen, wo Sie ideal auftreten, so wie die Besten (Karageorghis & Terry, 2011); Sie können eine Phantasiereise zu Ihren Stärken vorzunehmen (Engbert et al., 2011), Das kann aber auch eine Selbsthypnose (Fliegel & Kämmerer, 2015) sein. Denken Sie daran, die Übungsvariationen zu wechseln. Suchen Sie neue Emotionen, um Gewöhnungseffekt zu vermeiden. Viel Erfolg!
Ich helfe – oder besser: der Sportpsychologe bzw. die Sportpsychologin Ihres Vertrauens hilft – Ihnen gern: Direkt zu den Profilseiten von die-sportpsychologen, wo alle Experten des Netzwerks aufgeführt sind.
Quellen:
Carney, D.R., Cuddy, A.J.C., Yap, A.J.( 2010). Power posing: Brief nonverbal displays affect neuroendocrine levels and risk tolerance. Psychological Science, 21, 2010, 1363-1368
Engbert, K., Droste, A., Werts, T., Zier, E., (2011). Mentales Training im Leistungssport. Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Stuttgart: Neuer Sportverlag.
Fliegel, S., Kämmerer, A. (2015).Psychotherapeutische Schätze II: 130 weitere praktische Übungen, Methoden und Herausforderungen .Tübingen: dgvt-Verlag
Karageorghis, C. I., & Terry, P. C. (2011). Inside sport psychology. Champaign, IL: Human Kinetics.
Norbekov, M. (2006). Eselsweisheit: Der Schlüssel zum Durchblick – oder – wie Sie Ihre Brille loswerden. Goldmann
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