Dr. Hanspeter Gubelmann: Game, Set and Match – Switzerland!

Bei den Australian Open kommt es im Halbfinal zu einem besonderen Leckerbissen. „King Roger“ gegen „Stan-the-man Wawrinka“. Das Schöne an dieser Affiche erwähnte Roger Federer bereits in einem TV-Interview: «ein Schweizer wird sich für den Final qualifizieren!» Welcher von beiden es sein wird, darüber wird an den Stammtischen eifrig diskutiert. Ja, auch über die mentalen Aspekte dieses Gipfeltreffens wird medial debattiert. Ein schönes Beispiel dazu findet sich in der Sportberichterstattung des Tagesanzeigers. Das Fazit scheint schnell gezogen: Der mental stärkere Spieler wird in Australien nach dem Pokal greifen.

Zum Thema: Das Duell zwischen Federer und Wawrinka in Melbourne aus sportpsychologischer Perspektive

In der „pro-und-contra-Debatte“ der Autoren Simon Graf (pro Wawrinka) und René Stauffer (pro Federer) wird schnell klar, dass beide Sportler gewichtige Argumente ins Feld führen können, um den Match zu gewinnen. Graf attestiert Wawrinka jene Raubtier-Mentalität, die gepaart mit mentaler Stabilität, hoher Leidensfähigkeit, Entschlossenheit und grossem Selbstvertrauen zum finalen Absch(l)uss führen wird – etwa so, wie es der Slowene Martin Klizan im Startspiel schmerzhaft erfahren musste. Roger Federer – eh Inbegriff des mental starken Tennisspielers – soll der emotionale Höhenflug eines rundum geglückten Comebacks nach schwieriger Verletztungsphase und die wiedererwachte Lust am Siegen zurück auf den Thron führen, verkündet Kontrahent Stauffer. Allseits wird ein ausgeglichenes „Duell auf Augenhöhe“ erwartet, Prognosen seien unklar, wie auch der CH-Davis-Cup Coach und Federer-Trainer Severin Lüthi (lachend) einräumt: „Es ist schwierig vorherzusagen. Ich lasse mich überraschen“.

Ziel muss sein: das Spiel dominieren!

Konkreter äusserst sich der Tennisexperte Lüthi in seiner Aussage, welcher Weg zum Ziel führen werde: „Beide werden versuchen, ihr Spiel aufzuziehen. Der Platz ist schnell, beide werden versuchen, die Partie selber zu entscheiden, und nicht auf die Fehler des anderen warten. Die Marschrichtung wird für beide nach vorn sein.“ Was er meint: beide werden versuchen, mit ihren Stärken das Spiel zu prägen. Da der druckvoll agierende „Puncher“ Wawrinka gegen den aufs Tempo drückende Federer.

Entsprechend werden die beiden Spitzensportler ihre präferierten Vorbereitungsmassnahmen treffen. „Jeder macht sein eigenes Programm“ wird Lüthi zitiert, obwohl die Voraussetzungen schon speziell erscheinen. „Sie sind ja in der gleichen Garderobe… Aber ich bin manchmal selber überrascht, wie die beiden am Matchtag normal zusammen reden. Es geht sehr lange ziemlich relaxt zu.“!

Der Umgang mit den eigenen Emotionen wird entscheiden!

Was dann folgen wird, nach der Phase des „Relaxt-Seins“, hat 110m-Hürdenlauf-Star Colin Jackson einmal mit einer originellen Beschreibung illustriert. In seiner Wettkampf-Vorbereitung sah er sich in seiner Vorstellung, wie er als „Alltagsperson“ eine Telefonkabine betrat und diese anschliessend als „heisser Wettkämpfer“ verlies. Der Amerikanische Sportpsychologe James Loehr nimmt diesen Punkt auf, wenn er von Real- und Wettkampf-Ich spricht. Er meint damit insbesondere den Umgang mit den eigenen Emotionen und vergleicht den Spitzensportler mit einem Star-Schauspieler (Loehr 1996, S.37): „Um Bestleistungen zu erbringen, müssen sie auf Kommando die im Skript vorgeschriebenen Emotionen aufleben lassen. Der Schlüssel dafür liegt in der Entwicklung ausgefeilter darstellerischer Fertigkeiten.“

Was in der angewandten Sportpsychologie früher häufig unter Emotionskontrolle und –regulation – „dann wenn’s zählt“ – verstanden wurde (vgl. Hanin 1997, 2000), hat sich jüngst verstärkt in Richtung „Mindfulness“ und achtsamkeitsbasierter Interventionstechniken weiterentwickelt (vgl. Bernier et al. 2009). Diese Übungen richten sich insbesondere auf die aktuelle, nicht-wertende Wahrnehmung psychischer Zustände („es ist okay, dass ich jetzt nervös bin“), wodurch eine Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und die Reduktion der Wettkampfangst ermöglicht würde.

Der Tennisverband erntet die Früchte

Wenn im bevorstehenden Tenniskrimi Wawrinka vs. Federer auch die Tennisnation Schweiz gewinnen wird, so liegt der Grund des Erfolgs nicht nur bei diesen beiden Spitzenkönnern. Es ist auch ein Erfolg von Swiss Tennis und ihrer über viele Jahre gewachsenen Ausbildungsstrukturen. Ein Schwerpunkt dieser Förderung betrifft die mentale Förderung ihrer Nachwuchsspieler. Swiss Tennis setzt auf professionelles Knowhow. Ausbildungsverantwortlicher ist Sportpsychologe Jürg Bühler, der zusammen mit seinem Team eine frei zugängliche Broschüre „Player Development – Grundlagen Psyche“ entwickelt hat. Diese Lernhilfe dient auch der interessierten Interclub-Tennisspielerin als Anleitung zur Selbsthilfe!. Eben – Game, Set and Match, Switzerland!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Swiss Tennis-Broschüre “Player Development – Grundlage Psyche” zum Download: https://www.swisstennis.ch/sites/default/files/playerdevelopmenta4_grundlagenpsyche_d.pdf

 

Quellen:

Loehr, J.E. (1996). Die neue mentale Stärke. Sportliche Bestleistungen durch mentale, emotionale und physische Konditionierung. BLV: München u.a.m.

Hanin, Yuri L. (1997). Emotions and athletic performance: Individual zones of optimal functioning model. European Yearbook of Sport Psychology, 1, 29-72

Hanin, Y. L. (2000). Emotions in sport. Champaign, IL: Human Kinetics.

Bernier, M., Thienot, E., Codoron, R., & Fournier, J.F. (2009). Mindfulness and Acceptance Approaches in Sport Performance. Journal of Clinical Sports Psychology, 4, 320-333.

http://www.tagesanzeiger.ch/sport/tennis/wer-greift-nach-dem-pokal/story/30984585

http://www.tagesanzeiger.ch/sport/tennis/wenn-wir-verlieren-dann-am-liebsten-gegen-stan/story/10360167

https://www.swisstennis.ch/sites/default/files/playerdevelopmenta4_grundlagenpsyche_d.pdf

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Dr. Hanspeter Gubelmann
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