Musik wurde im Sport schon früh als Begleitmedium zur Motivationssteigerung eingesetzt. Als legendär gilt etwa das TV-Konditionstraining von Kunstturn-Ikone Jack Günthard. Der Olympiasieger von 1952 zählt zu den vielen Wegbereitern moderner, musikgetriebener Konditionstrainingsformen wie Zumba oder Taebo. Die neueste, kabellose Kopfhörergeneration erleichtert zudem den individuellen Einsatz von Musik erheblich und eröffnet dadurch einen neuen Markt für findige Anbieter: Mit so genannten Playlists werden im Internet neue Möglichkeiten der Leistungssteigerung gepriesen. Was bewirkt Musik und wie kann sie unsere sportliche Leistung beeinflussen? Und: wie soll der Einsteiger mit Musik umgehen?
Zum Thema: Zum Umgang und Einsatz von Musik im Sport
Im Zusammenhang mit Bewegung und Sport erfüllt Musik unterschiedliche Funktionen. Beim Tanzen definiert sie Tanzstil und seine Ausdrucksform. Die Eiskunstläuferin wählt ihr Programm mit Sprüngen, Pirouetten und Schrittpassagen passend zur Musik und lässt sich in ihrer choreographischen Ausgestaltung von der Musik inspirieren. Anders im Konditionstraining oder auf dem Spinningrad: gut gewählte Musik wird hier zum strukturierenden Merkmal, dann nämlich, wenn Bewegungsrhythmus und Ausführungsgeschwindigkeit auf den Takt der Musik abgestimmt sind. Das Mass der Dinge sind die bpm: beats per minute oder „Schläge pro Minute“, die zu den Grundbewegungsformen entsprechend gewählt sein müssen: Kräftigen: 60/120, Hüpfen: 100-120 bpm sowie Laufen: 120- max. 160. Die maximale Frequenz liegt je nach Körpergrösse und Formstand (z.B. Kinder!) bis zu 20 Schläge höher. Zudem soll der Musikcharakter zur Ausführungsform passen. Harte Beats fürs Krafttraining, Dreivierteltakt zum Schwingen und sanfte Melodieformen sowie instrumentale Arrangements zur Unterstützung der Entspannungswirkung. Gefällt uns der Soundtrack, scheinen uns die Bewegungen leichter zu gelingen, wir verspüren Spass und auch aufkommende Schmerzen werden durch das motivierende Erleben gedämpft.
I’m the scatman!
Welchen Einfluss Musik auf die sportliche Leistung auch im Spitzenbereich erzielen kann, zeigt die Anekdote zu den Weltrekordläufen von Haile Gebrselassie. Nach Aussagen des äthiopischen Wunderläufers lief er seine Rekorde stets mit Scatman von Scatman John im Ohr. Als Begründung gab er später an, dass die Musik optimal zu seiner Höchstgeschwindigkeit passte, die er über 5’000 und 10’000 laufen konnte. Er nutzte Scatman quasi als Simulator, indem er seinen Lauf in Weltrekordzeit mit seiner Lieblingsmusik synchronisierte.
Wie kann dieser musikalische Simulator nun auch für die Breitensportlerin funktionieren? Meine Kollegin Elvina Abdullaeva bezieht sich in ihrer lesenswerten Anleitung zur leistungsfördernden Anwendung von Musik auf die wissenschaftlichen Ausführungen von Karageorghis (2014). Dieser beschreibt zwei Arten von Einflussfaktoren, den inneren und den äußeren. „Die inneren beziehen sich auf die Komponenten der Musik, also auf Rhythmus, Melodie, Harmonie und gegebenenfalls den Liedtext. Alles, was die Musik ausmacht. Zu den äußeren Faktoren zählen kultureller Einfluss und persönliche Assoziationen und Erfahrung. Diese bestimmen wie die Musik von dem Zuhörer interpretiert wird, welche Bedeutung diese oder eine andere Melodie für ihn hat. Rhythmus, Liedtexte, persönliche Erinnerungen – Wie soll sich eine stimulierende Musik anhören? Ein Erfolgsmuster gibt es sicher nicht.“
Die wissenschaftliche Befundlage zur leistungsförderlichen Wirkung von Musik ist noch nicht abschliessend geklärt, zwei Grundannahmen scheinen sich mittlerweile zu verdichten. Bei zyklischen Bewegungen dürfte die leistungsförderliche Wirkung insbesondere dann eintreten, wenn Bewegungs- und Musikgeschwindigkeit übereinstimmen. Um den sogenannten „push-Effekt“ zu Beginn einer Leistung zu erzielen, kann die Musikgeschwindigkeit zusätzlich leicht erhöht werden. Damit leistet man vor allem zu Beginn der Belastung mehr, möglicherweise aber auch auf Kosten eines späteren, primär physiologisch bedingten Einbruchs. Der positive Effekt einer hohen Vorstart-Stimulation könnte im Bereich höchster Intensität (HIT, High Intensity Training; HIIT, High Intensity Interval Training) von Bedeutung sein. Andererseits gilt es vor einem übermässigen „push-Effekt“ zu warnen. Etwa Lauf-Rookies, die sich eine unterstützende Wirkung ihrer Musik in ihrem Marathon-Debut erhoffen, sind mit der Wahl eines moderaten Anfangstempos sehr gut beraten. Im Wissen um diesen Effekt verbieten einige Marathon-Veranstalter auch das Tragen von Kopfhörern! Interessant und vielleicht auch als Orientierungshilfe für Einsteiger zielführend: Die Musik-Spezialisten sprechen von einer optimalen Bandbreite zwischen 125 und 140 bpm!
Wie finde ich meinen Soundtrack?
Entscheidend für die individuelle Passung ist die psycho-akustische Wirkung meiner Playlist. Nach Karageorghis (2012) besonders geeignet sind Songs mit einer gleichbleibend rhythmischen Qualität, mit bestätigenden Texten und positiven Harmonien. „Titel, in denen Dur-Akkorde vorherrschen, eignen sich besser als Stücke in Moll. Die Musik sollte ferner die eigenen musikalischen Hörgewohnheiten widerspiegeln und aus dem Kulturkreis beziehungsweise dem sozialen Umfeld des Athleten stammen. Man sollte auf Synkopen, also wechselnde Betonungen der Takte, ebenso verzichten wie auf Titel, die in ihrem Verlauf langsamer oder schneller werden.“ Folgende „Checkliste“ kann für die Entwicklung der eigenen Playlist hilfreich sein.
Persönliche Präferenzen: Wenn ich „meine“ Musik aussuche, die mir gefällt, die mich an positive Erfahrungen erinnern lässt und die ich auch häufiger hören möchte, kann ich fast nichts falsch machen. Die positive psychologische Wirkung basiert auf dieser fundamentalen, individuellen Bewertung.
Passung: Der Einsatz von Musik hat Konsequenzen auf die Wahrnehmung des Athleten und seine Konzentration. Das Tragen von Kopfhörern und die Verwendung von Musik ist überall dort, wo ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit gefordert ist (z.B. Strassenverkehr), unverantwortlich.
Wettkampfvorbereitung: Musik vor dem Wettkampf wird häufig zur positiven Stimulation im Sinne einer Aufmerksamkeitslenkung, einer motivationalen Bestärkung sowie der Regulation der psychophysischen Befindlichkeit eingesetzt. Die Athletin versucht dabei, Musik so zu verwenden, um in ihren optimalen Vorstartzustand zu gelangen. Einige Athleten erarbeiten sich in Zusammenarbeit mit ihren Sportpsychologen eigene Playlists, die neben Musik auch weitere, akustisch unterstützte Affirmationen sowie spezifische Bewegungsinstruktionen beinhalten. So eingesetzt wird Musik Teil einer individuellen Wettkampfvorbereitung. Bekannt ist aber auch, dass das Tragen von Kopfhörern (ohne Musikhören!), dem Athleten dazu dient, um in Wettkampfnähe nicht angesprochen zu werden!
Einsatzort: Musik im Fitnessraum, wo ich mich auch von der lärmigen Atmosphäre schützen will, ist bestimmt sinnvoll. In freier Natur mit einer Vielzahl anderer, auch psycho-akustischer Leistungsförderer, ist sie für viele überflüssig. Bei den Trail-Runnern findet Musik beispielsweise keine Anwendung.
Abwechslung: Meine Playlist sollte Abwechslung bieten und muss laufend verändert, angepasst oder auch neu zusammengestellt sein. Wirkung entsteht durch Wiederholung positiver Effekte, nicht aber durch Langeweile!
Lautstärke: Als Regel gerade in Verbindung mit den neuen Kopfhörer-Generation gilt: Man sollte intensive Trainingseinheiten grundsätzlich nicht mit extrem lauter Musik verbinden. Und zwar aus einem einfachen Grund: Während des Trainings steigt der Blutfluss zu den arbeitenden Muskeln stark an, was das Innenohr sehr empfänglich für potenzielle Schädigungen macht und bei einer hohen Lautstärke zu temporärem Hörverlust und mit der Zeit sogar bleibenden Tinnitus-Symptomen führen kann. Die Lautstärke ist so zu wählen, dass man sich auch dann noch problemlos unterhalten kann, wenn man die Kopfhörer trägt!
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Quellen:
Karageorghis, C. I. (2014). Music-Based Interventions. In: Encyclopedia of Sport and Exercise Psychology, Ed. Eklund, R.C., Tenenbaum G.
Fit mit Jack: https://www.youtube.com/watch?v=B_KFKij0ZWA
http://www.sportunterricht.ch/Musik/bpm.php
http://www.die-sportpsychologen.de/2015/03/26/elvina-abdullaeva-befluegelnde-musik/
http://www.zeit.de/sport/2012-10/musik-sport-motivation-psychologie/seite-3
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