Dr. René Paasch: Krise à la Schalke

Null Punkte nach fünf Spielen. Tabellenletzter. Beim vor der Saison rund erneuerten FC Schalke 04 herrscht große Ratlosigkeit. Nach der 1:2 Niederlage bei der TSG Hoffenheim äußerte Torhüter Ralf Fährmann bei Sky: “Wo das Problem liegt, weiß ich nicht. Wir sind in einer Situation, in der einem die Worte fehlen. Vorne klappt einfach gar nichts, hinten machen wir Fehler. Es wird von Woche zu Woche schwerer.” Folgerichtig ist die Geduld der S04-Anhänger arg strapaziert. In der Schlussphase wurden „Wir wollen euch kämpfen sehen“- Stimmen laut. Eine deutliche Botschaft an die Knappen, endlich die Kurve zu kriegen. Manager Christian Heidel, der zusammen mit dem für drei Millionen Euro Ablöse aus Augsburg gekommenen Trainer Markus Weinzierl für den neuen FC Schalke 04 steht, platzte nun der Kragen: Er will laut Süddeutscher Zeitung die Tabelle kopieren und vergrößert in die Kabine hängen. Dr. René Paasch beobachtet die Situation aus der Ferne und versucht Wege abzuleiten, die Teams in ähnlichen Situationen gehen können, um sich aus der Negativspirale zu befreien. 

Zum Thema: Der Umgang mit Niederlagen aus sportpsychologischer Sicht

Wer einen Wettkampf für sich entscheidet, empfindet in der Regel Freude, Zufriedenheit oder Erleichterung. Wer ihn verliert, kann mit Ärger oder Enttäuschung zu kämpfen haben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass negative Emotionen wie Ärger, Wut oder Enttäuschung durchaus auf eine positive Art verarbeitet werden können. Dass heißt, die Beschäftigung mit der negativen Emotion trägt zu einem konstruktiven Umgang mit der Situation bei. Um ihren Ärger über die Niederlagen angemessen bewältigen zu können, wünschen sich die meisten Spieler von ihrem Trainer einen offenen und konstruktiven Umgang mit ihrer Reaktion. Durch den expliziten Ausdruck des Ärgers dürfen keine negativen Konsequenzen für den Fußballer entstehen. Ob ein gewonnener Zweikampf im Fußball oder Niederlagenserien – Ergebnisse von Punktspielen werden von jedem Kicker interpretiert und bewertet, also einer Ursachenzuschreibung (Kausalattribution) unterzogen. Davon ist abhängig, welche emotionale Reaktion auf Erfolg bzw. Misserfolg folgt. Wird eine erfolgreiche Aktion beispielsweise auf die eigenen Fähigkeiten zurückgeführt, ist als emotionale Reaktion Zufriedenheit und ein erhöhter Selbstwert zu erwarten. Bei einer misslungenen Aktion dagegen entsteht als emotionale Reaktion Niedergeschlagenheit, wenn die mangelnden eigenen Fähigkeiten als Ursache wahrgenommen werden.

„Lehne es nicht ab, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.

Weigere dich lediglich, dich ihm zu unterwerfen.“ Norman Vincent Peale

Im Attributionsstil liegt auch ein wichtiger Unterschied zwischen optimistischen und pessimistischen Fußballern: Optimisten begründen Erfolg internal und stabil (z.B. mit den eigenen Fähigkeiten); Misserfolge werden entweder externalen Faktoren zugeschrieben („Das war nicht mein Stadion“) oder bei eigenen Fehlern liegt der Fokus auf der Verbesserung („Nächstes Mal schaff ich‘s“). Pessimisten hingegen attribuieren erfolgreiche Aktionen häufig external („Das war bloß Glück“); Misserfolge werden internal und vor allem sehr stabil interpretiert („Das schaff ich niemals“). Als Trainerin ist es daher wichtig, die Attributionsart der Fußballer zu kennen und bestenfalls zielgerichtet zu verändern. Dazu eine Modellierung mit praktischen Beispielen:

Abb.1.: Kausalattributionsschema nach Seligman (1991) mit praktischen Beispielen

Abb.1.: Kausalattributionsschema nach Seligman (1991) mit praktischen Beispielen

Es liegt in der Natur des Wettkampfs, dass er mit einem Sieg oder Punkverlust endet. Damit die daraus resultierenden positiven oder negativen Emotionen optimal verarbeitet und genutzt werden können, sollte der Trainer die Selbstwahrnehmung seiner Schützlinge kennen und an einem positiven Attributionsstil arbeiten.

Anregungen für die Praxis

In dem nun folgenden Abschnitt möchte ich Ihnen gerne weitere hilfreiche Anregungen liefern:

1. Nehmen Sie übermäßigen Druck und Ärger von Ihren Kickern. Als Trainer ist es nicht möglich, die Umweltbedingungen eines Wettkampfs oder Spiels zu verändern. Allerdings können Sie Ihren Spielern bei der Sicht auf die Situation entscheidend helfen. Schaffen Sie einen neutralen Ort, wo sich die Spieler wohlfühlen und austauschen dürfen oder sorgen Sie für den notwendigen Freizeitausgleich fern vom Leistungssport.

2. Lassen Sie Ihre Spieler den Umgang mit Ärger erlernen. Dabei können positive Umdeutungen der Situation, Humor, fürsorgliche Gespräche, aber auch das „Vergeben und Vergessen“ dazu beitragen, dass Ärger bewältigt wird.

3. Bleiben Sie sensibel und haben Sie Verständnis für Ihre Fußballer. Akzeptieren Sie, dass diese nicht immer mit Ihren Entscheidungen zurechtkommen. Trainer sollten dass Einfühlungsvermögen gerade weniger selbstbewussten und ängstlichen Spielern entgegenbringen und diese aktiv unterstützen.

4. Lassen Sie Ihre Fußballer Entspannungs- und Aktivierungsmethoden im Sport lernen. Die wenigsten haben angemessen Zeit im Trainings-und Wettkampfalltag, um sich damit auseinanderzusetzen. Beispielsweise über die Atementspannung oder Progressive Muskelentspannung.

5. Niederlagen lassen sich schlecht verarbeiten, weil sie das Selbstvertrauen untergraben. Die meisten Spieler wissen nicht, wie sie aktiv etwas tun können, um Ihr Selbstvertrauen zu behalten oder wieder aufzubauen. So stärken Sie das Selbstvertrauen ihrer Spieler:

> Sind die individuellen und kollektiven Ziele realistisch? Dazu ein Gedanke! „Setze dir/deine Mannschaft als Ziel bestmögliche Ergebnis, an das du/ihr glauben kannst/könnt“ Nur ein Ziel, dessen Erreichen ihr für möglich haltet, hat eine magische Wirkung auf Euch. Siehe dazu auch “Per Woop zum Saisonziel”!

> Stärken-Analyse. Hängen Sie ein A1 großes Papier in der Kabine auf. Malen Sie in die Mitte einen großen Kreis. Fordern Sie die Mannschaft auf, nacheinander für jeden Spieler eine deutliche Stärke zu benennen. Anschließend fragen Sie die ganze Mannschaft nach den spezifischen Stärken. Diese schreiben Sie um den Kreis herum. So ergibt sich ein Bild von innen und äußeren Stärken. Dieses Blatt können Sie dann in der Kabine (auch bei Auswärtsspielen) aufhängen, so dass die Spieler vor dem nächsten Spiel noch einmal an Ihre Stärken erinnert werden.

> Persönliche Erfahrungen fördern die Entwicklung von Selbstvertrauen und ermöglichen es, sich an eine schwierige Situation anzupassen. Schaffen Sie erreichbare Nahziele im Training, so dass das Erreichen des Fernziels durch kleinere Erfolge machbarer erscheinen.

> Stellvertretende Erfahrungen können das Selbstvertrauen steigern, wenn die eigenen Fähigkeiten eines Teamkollegen oder eines Vorbildes sehr ähnlich sind. Dies führt dann zur Überzeugung: „ Wenn der das kann, dann kann ich es auch“

> Verbale Überzeugung (Selbstgesprächsregulationsfähigkeit) ist eine etablierte Methode in der Sportpsychologie, die ihre Gedanken und das Verhalten im eigenen Umfeld ändern können. Siehe dazu auch: Text von Prof. Dr. Oliver Stoll: Gute Selbstgespräche!

> Emotionaler Zustand: Es geht um die Kontrolle von Emotionen im Zusammenhang mit verlorenen Spielen z.B. von innerer Ruhe und Angst. Jedes Spiel wird dann zur Qual und die Selbstzweifel werden immer mannigfaltiger. Daher ist es wichtig, die Gedanken und Emotionen kontrollieren zu können. Siehe dazu auch den Text von Christian Reinhardt: Gefährliche Emotionen!

> Neuere Ergebnisse zum nonverbalen Verhalten weisen daraufhin, dass die Körpersprache Einfluss auf die gegnerische Mannschaft hat. Trainer sollten daher immer wieder im Training und Wettkampf die Körpersprache trainieren und ansprechen ganz besonders bei misslungen Aktionen „Kopf hoch, weiter geht es.“

> Aus meiner Sicht führt gute Arbeit immer noch zum Erfolg! Unterbinden Sie destruktive Gedanken. Unser Denken bietet in schwierigen Situationen keine Hilfe. Gehen Sie stattdessen in jedes Spiel mit einer Einstellung, die sich nur mit der anstehende Aufgabe beschäftigt. Alles andere sind keine relevanten Größen und stören nur beim Abrufen der individuellen und kollektiven Leistungsfähigkeit.

Fazit

Neben dem reinen Fußballtraining wird immer öfter mit Methoden der Sportpsychologie gearbeitet. Trainer tragen immer wieder denselben Pullover oder lassen sich einen Bart stehen, so lange die Siegesserie nicht aufgehalten wird. All diese Dinge können tatsächlich einen großen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass im Hochleistungssport aber auch im Amateursport, vor allem im Fußball, immer mehr über den Kopf entschieden wird. Nicht nur in schwierigen Situation sondern grundsätzlich in der Entwicklung von Sportmannschaften.

Literatur

Gross, J.J. & Thompson, R.A. (2007). Emotion regulation: Conceptual foundations. In J.J. Gross (Ed.), Handbook of emotion regulation (pp. 3-26). New York: The Guilford Press.

Hermann, H.-D. Mayer, J. (2012). Sportpsychologische Praxis im Fußball. In D. Beckmann-Waldenmayer, J. Beckmann (Hrsg.) Handbuch sportpsychologischer Praxis. Balingen: Spitta.

Linz, L. (2014): Erfolgreiches Teamcoaching. Ein Team bilden, Ziele definieren, Konflikte lösen. Meyer & Meyer Verlag, Aachen. ISBN: 978 – 3- 89899-858-1

Seligman, M.E.P. / Nolen-Hoeksema, S. / Thornton, N. / Thornton, K.M. (1990). Explanatory style as a mechanismen of disappointing athletic performance. Psychological Science, 1, 143—146.

Seligman, M.E.P. (1991). Learned optimism. New York: Knopf.

Stiensmeier-Pelster, J. & Heckhausen, H. (2006). Kausalattribution von Verhalten und Leistung. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Hrsg.), Motivation und Handeln (S. 355-392). Heidelberg: Springer.

Stoll, O., Alfermann, D. & Pfeffer, I. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Huber.

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Prof. Dr. René Paasch
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