In der englischen Barclays Premier League hat Leicester City drei Spieltage vor Saisonschluss beste Chancen, Meister zu werden. Sportlich wäre dies eine absolute Sensation – im Vorjahr schaffte der damalige Aufsteiger erst mit einer Siegesserie zum Saisonende den Klassenerhalt, in der Sommerpause flogen drei Spieler nach einem Sex-Video-Skandal aus dem Club. Seit Ende Januar ist das Team um den den früheren deutschen Nationalspieler Robert Huth (34 Saisoneinsätze bis zum 35. Spieltag), den Österreicher Christian Fuchs (29) und den Schweizer Gökhan Inler (5) nun souveräner Tabellenführer. Liegt dem Erfolg vielleicht nicht zuletzt zu Grunde, dass das Team bestmöglich zusammengestellt worden ist – also eine optimale Mischung aus Homogenität und Heterogenität aufweist?
Zum Thema: Der Einfluss von Homogenität und Heterogenität auf die Teamleistung
Teamleistung resultiert grundsätzlich aus dem Zusammenspiel der individuellen Fähigkeiten der Teammitglieder. Wie diese optimal in Einklang zu bringen sind, beruht unter anderem auf dynamischen Koordinations- und Kommunikationsprozessen und wird neben den Fähigkeiten stark von weiteren individuellen Merkmalen der Teammitglieder wie Geschlecht, Persönlichkeit, Wissen usw. beeinflusst. Weshalb ein Team manchmal „über sich hinauswachsen“ und ein anderes „die Leistung nicht abrufen“ kann, hat meist vielfältige Gründe und kann nicht pauschal beantwortet werden. Aber egal ob bei der Nationalmannschaft, internationalen Konzernen oder im Kirchenchor: Immer wieder wird die Frage gestellt, ob Teams, die sich hinsichtlich solcher Merkmale unterscheiden, also heterogene Teams, bessere Leistungen erbringen als Teams mit ‘ähnlichen‘ Mitgliedern (homogene Teams).
Homogene Teams
Es ist bekannt, dass Teams mit homogenen demographischen Merkmalen eher eine gemeinsame Sprache und somit eine erweiterte Kommunikation entwickeln können, was die Integration einzelner Teammitglieder erleichtert. Unter anderem deshalb wird davon ausgegangen, dass sich Menschen mit hoher Ähnlichkeit in den oben genannten Parametern eher „verbunden“ fühlen [1,2].
Homogene Teams scheinen denn auch bei klar definierten Aufgaben, welche aus verhältnismässig unkomplizierten Teilaufgaben bestehen und einfache Antworten erfordern, im Vorteil zu sein. Auch erbringen homogene im Vergleich zu heterogenen Teams signifikant bessere Leistungen in stark leistungsbezogenen (im Gegensatz zu beispielsweise kreativen) Aufgaben [3]. Auf der anderen Seite herrscht bei homogenen Teams oft eine Mangel an Offenheit für neue Informationsquellen. Aus diesem Grund werden homogene Teams bei Aufgaben als weniger leistungsstark eingeschätzt, bei denen für eine optimale Lösung viele verschiedene Informationen benötigt und integriert werden müssen [4].
Heterogene Teams
Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen in einem Team zu haben, kann viele Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringen. Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass multikulturell zusammengesetzte Teams produktiver, effektiver und kreativer sind als Teams mit nur einem kulturellen Hintergrund [5,6]. Jedes Teammitglied kann seine ganz eigenen Sichtweisen, Erfahrungen und Fähigkeiten ins Team einbringen. Durch die kulturelle Verschiedenheit der Teammitglieder ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in diesen Punkten unterscheiden, grösser. Daher haben multikulturelle Teams häufig eine grössere Vielfalt an Ressourcen zur Verfügung. Das führt häufig dazu, dass heterogene Teams flexibler mit ihrer Umwelt umgehen und interagieren können und dank kreativerer Lösungen bessere Leistungen in spezifisch komplexen, vielseitigen Aufgaben erbringen.
Heterogenität führt in Teams aber auch häufiger zu Missverständnissen, was die Wahrscheinlichkeit von Teamkonflikten erhöht. Im schlimmsten Fall wird der Erfolg des Teams sogar geschmälert, weil die vorhandenen Ressourcen nicht für die erforderte Leistung, sondern zum Lösen von Konflikten eingesetzt werden müssen [3] (Zur Bedeutung der Fähigkeit zu Konfliktmanagement siehe Blogbeitrag Von wegen elf Freunde?).
http://die-sportpsychologen.ch/2016/03/02/dr-jan-rauch-von-wegen-elf-freunde/
Durch die gehäuften Konflikte und die Unterschiedlichkeit kann es in heterogenen Teams zusätzlich schwieriger sein, ein starkes Gruppengefühl zu erzeugen (siehe wiederum Von wegen elf Freunde?). Eine speziell mit Fussballmannschaften durchgeführte Studie strich eine besonders hohe Gefahr dieser negativen Effekte heraus [7]. Daher scheint ein adäquater Umgang mit Phänomenen der Heterogenität in diesem Umfeld besonders essentiell. Gut integrierte Teammitglieder sind in der Regel zufriedener, was sich wiederum positiv auf die Teamkohäsion auswirkt.
Von Sport-Teams lernen
Gerade in der Welt des professionellen Sports sind heterogene, multikulturell zusammengesetzte Teams wohl eher die Regel als die Ausnahme. Integration ist auch hier ein wesentlicher Faktor für ein gutes Zusammenspiel. Für umfassende Integration ist zunächst einmal der sensible Umgang mit dem Thema Heterogenität bzw. Kulturdiversität grundlegend. In einem weiteren Schritt sollte der offene Umgang und die Akzeptanz mit voneinander abweichenden individuellen Ansichten und Einstellungen erlernt werden. Eine solche Offenheit kann zur Bildung einer neuen, gemeinsamen Basis beitragen, auf der die von den Mitgliedern eingebrachten Ressourcen optimal genutzt werden können. Um diese Fähigkeit zu üben, sollte man mit dem Team über das Thema sprechen, sich gemeinsam über Ansichten und Werte austauschen und beispielsweise interkulturelle Trainings durchführen. Neben der Herstellung eines offenen Teamklimas sollte das Team gemeinsame und für alle Mitglieder gültige Grundregeln schaffen, an deren Erstellung sich optimalerweise alle Teammitglieder beteiligen.
Für eine nachhaltige Wirkung ist es zudem wichtig, einem Team regelmässig Zeit für gemeinsame Diskussionen über die Zusammenarbeit einzuräumen und die gemeinsam gesetzten Regeln allenfalls anzupassen. Die Unterstützung durch einen entsprechend geschulten Sportpsychologen kann dabei sehr hilfreich sein.
Der Erfolg von Leicester City
Für die Kicker von Leicester City ist der Erfolg zum Greifen nah. Aber auch aus anderen Ligen machen Teams auf sich aufmerksam, bei denen das Zusammenspiel aus Homogenität und Heterogenität einen gewissen Einfluss auf die Teamleistung zu haben scheint. Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht? Welche Beispiele fallen Ihnen ein? Und möchten Sie diese diskutieren? Dann lesen wir uns bei Facebook oder direkt per Mail.
Entstanden unter Mitarbeit von Aline Werren
Hinweis: Weitere interessant Beiträge finden sich im Blog des IAP Instituts für Angewandte Psychologie, einem Angebot der ZAHW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften:
[1] Williams, K. Y., & O’Reilly III, C. A. (1998). A REVIEW OF 40 YEARS OF RESEARCH. Research in organizational behavior, 20, 77-140.
[2] Wiersema,W. F.,&Bantel, K. A. (1992). Top management team demography and corporate strategic change. Academy of Management Journal, 35(1), 91-121.
[3] Bowers, C. A., Pharmer, J. A., & Salas, E. (2000). When member homogeneity is needed in work teams a meta-analysis. Small group research, 31(3), 305-327.
[4] Bantel, K. A. (1994). Strategic planning openness. Group and Organization Management, 19(4), 406-424.
[5] Podsiadlowski, A. (2002). Multikulturelle Arbeitsgruppen. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 33(4), 241-259.
[6] Stumpf, S. (2006). Interkulturalität in der Personal-, Team- und Organisationsentwicklung. Gruppendynamik und Organisationsberatung, 37(1), 33-49.
[7] Maderer, D., Holtbrügge, D. & Schuster, T. (2013). Professional football squads as multicultural teams: Cultural diversity, intercultural experience, and team performance. International Journal of Cross Cultural Management, 1-24.
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