Ende Februar diskutierte die Bundesliga, ob es akzeptabel sei, dass die Spieler des Aufsteigers FC Ingolstadt auch mit Mitteln abseits des guten Geschmacks kämpften. Mit Worten wie „ekelhaft“, „Horror“ und „Schweinespiel“ wurden die Spieler des HSV nach dem 1:1 der Schanzer in Hamburg hinsichtlich der Spielweise der Bayern zitiert. Dabei waren es gerade die Nordlichter, die Anfang der Saison für Aufsehen sorgten: Im Pokalspiel des HSV beim Regionalligisten FC Carl Zeiss Jena soll der Hamburger Sven Schipplock den FCC-Torhüter Raphael Koczor wiederholt damit konfrontiert haben, welche Summen in der Bundesliga so verdient werden können. Keine Frage, die Sitten im Fußballgeschäft sind rauh und es gibt Techniken, deren Wirkungskraft unter der Gürtellinie angesiedelt sind. Nehmen wir zum Beispiel den Trash Talk.
Zum Thema: Die Techniken des Trash Talks und wirksame Gegenmittel
Der so genannte “Trash Talk” (Chris, 2015), zu Deutsch “verbale Provokation”, ist so alt wie die Bundesliga selbst. Und genauso ein Mittel wie die Abseitsfalle oder der Freistoßtrick. Wer hat eigentlich den Trash Talk erfunden? Vermutlich ist der Erfinder der verbalen Unterhaltung Herbert Finken. Der empfing in den 1960er Jahren als Bundesligaverteidiger von Tasmania Berlin seine Gegenspieler mit dem Gruß: “Mein Name ist Finken und Du wirst gleich hinken.” Wenig später war Reinhard (“Stan”) Libuda, der sagenhafte Dribbelkönig vom FC Schalke 04, durch nichts zu stoppen, nur durch die unterirdische Frage: “Sag mal, Stan, schläft Deine Frau immer noch mit dem Neger?”.
Als Klassiker gilt, wenn der Verteidiger den Stürmer mit Hinweisen auf vergebene Torchancen oder auf die Schlagzeilen der letzten Woche reizt. Ein Standardsatz nach dem Foul: “Beim nächsten Mal knallt es, Weichei!”. Gern genutzt sind auch Hinweise auf die Einkommenssituation, wie im Falle von Raphael Koczor. Aber Trash Talk ist durchaus auch was für die “Kleinen”. In Pokalspielen bekommt manch “Großer” nach einem Fehlpass vom Amateur zu hören: “Und du willst Bundesligaspieler sein?”.
Beispiele für Trash Talk aus der Praxis
Eine einfache Variante des Trash Talks ist die vorgespielte Sorge, etwa so: “Ist Dein Meniskusschaden geheilt, Kollege?” Der Gegenspieler denkt, er und seine Sorgen würden ernst genommen, dabei besteht die Absicht aber darin, an seine Verletzung zu erinnern. Das nennt sich Flashback (Bessel A. van der Kolk, Alexander C. McFarlane, Lars Weisaeth (2000). Sinngemäß übersetzt etwa „Wiedererleben“, “Erinnerungsblitz” oder “Rückerinnerungs-Blitz” – dahinter verbirgt sich ein psychologisches Phänomen, welches durch einen Schlüsselreiz hervorgerufen wird. Der “gespenstische”/”unwirkliche” Charakter solcher Erinnerungen ist rein subjektiv – in Wirklichkeit ist er ein Echtheitsmerkmal! Denn er belegt die Herkunft der Erinnerung. Der betroffene Sportler hat dann ein plötzliches, für gewöhnlich kraftvolles Wiedererleben eines vergangenen Erlebnisses oder früherer Gefühlszustände. Diese Erinnerungen können von jeder vorstellbaren Gefühlsart sein und somit die Leistungsfähigkeit verringern.
Sehr verbreitet ist auch die nicht ernst gemeinte Entschuldigung. Nach einem Foul geht der Abwehrspieler zu dem am Boden liegenden Stürmer, gibt ihm einen Klaps und flüstert ihm etwas ins Ohr. Für die Zuschauer wirkt das wie eine faire Geste. Was der vermeintlich Verursacher wirklich sagt, hört ja keiner. Außer dem gefoulten Spieler, der im Zweifel auf die Provokation hereinfällt, zornig aufspringt und wie jemand da steht, der eine Entschuldigung verweigert.
Sprachliche Angriffe wirksam ins Leere laufen lassen
Es lässt sich allerdings gegen Verbalattacken ein genauso einfaches wie wirkungsvolles System zur Selbstverteidigung entwickeln. Die hier beschriebene Grundannahme stellt aber unser wettbewerbsorientiertes Denken erst einmal auf den Kopf. Denn das Ziel einer guten Abwehr ist nicht auf das Gewinnen eines Kampfes ausgerichtet, sondern auf das Vermeiden einer Niederlage. Es geht also nicht darum, den Druck weiter aufbauen, sondern Druck herausnehmen – den Angreifer quasi ins Leere laufen lassen.
Halten wir fest: Versuchen sie nicht zu gewinnen! Angreifer haben immer die besseren Karten. Sie wählen die Waffen und die Taktik. Beispielsweise wehrt man eine Messerattacke nicht mit einem Messer ab, sondern besser mit etwas, dass Distanz schafft – etwa mit einem Stuhl. Genauso gilt: Verbalattacken wehrt man nicht ab, indem man mit scheinbarer “Schlagfertigkeit” kontert. Dadurch würde die Auseinandersetzung nur eskalieren. Stattdessen geht es auch bei Verbalattacken darum, Distanz zu schaffen. Verzichten Sie auf das Mitkämpfen. Das spart Kraft und lenkt Ihre Aufmerksamkeit auf das Wesentliche – „das Spiel“.
Schlüssel Selbstwirksamkeit
Der Schlüssel zur Abwehr von Attacken jeglicher Art ist die Selbstwirksamkeit. Diese ist im Sport die zentrale Größe, die dazu beiträgt, dass Trainer und Athleten ihre Leistung konzentriert zum geforderten Zeitpunkt abrufen können. Das Konzept der „Selbstwirksamkeit“ stammt aus der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura (1977, 1982, 1986). Selbstwirksamkeit bedeutet, dass jemand die Überzeugung besitzt, dass seine eigenen Fähigkeiten ausreichen, um eine Handlung zielgerichtet und erfolgreich durchführen zu können, ohne sich dabei aus der Ruhe bringen zulassen. Erst eine über Jahre hinweg aufgebaute Selbstwirksamkeit, lassen den Trainer und Sportler Souveränität ausstrahlen. Die kann sich jedoch auch in bestimmten Situationen (Trash Talk) oder Umständen (Zuschaueraggressionen) zeigen. Dies bezeichnet man als situative Selbstwirksamkeit. Wie kann ich nun die Selbstwirksamkeit trainieren? In den nun folgenden Link erfahren Sie mehr darüber:
http://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/25/dr-rene-paasch-selbstwirksamkeit-im-fussball/
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass man gegenüber verbalen Angriffen nicht hilflos gegenüberstehen muss. Im Alltag lässt sich gezielt an der Team- und Sportler-Sicherheit arbeiten – kurzum: In der Entwicklung und Festigung individueller und kollektiver Kompetenzen gegen verbale Attacken können Sportpsychologen in Verbindung mit dem Trainer, dem Funktionsteam und den Verantwortlichen effektiv unterstützen.
Literatur
Strauß, B: Sportzuschauer. Hogrefe Verlag; Auflage: 1. ISBN-10: 3801722627
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a Unifying Theory of Behavioral Change. Psychological Review, 84 (7), 191-215.
Bandura, A. (1980). Gauging the Relationship Between Self-Efficacy and Action. Cognitive
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Bandura, A. (1982). Self-efficacy mechanism in human agency. American Psychologist, 37(2), 122-147.
Bandura, A. (1983). Self-efficacy determinants of anticipated fears and calamities. Journal of Personality and Social Psychology, 45, 464-469.
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Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The Exercise of Control. New York: Freeman.
Bessel A. van der Kolk, Alexander C. McFarlane, Lars Weisaeth (2000): Traumatic Stress – Grundlagen und Behandlungsansätze. Theorie, Praxis und Forschung zu posttraumatischem Streß sowie Traumatherapie. Junfermann Verlag.
Bierhoff, H. & Wagner, U. (Hrsg.).(1998). Aggression und Gewalt. Stuttgart: Kohlhammer.
Brad Gilbert, B., Jamison, St.: Winning Ugly. Wie man bessere Gegner schlägt. Mentale Kriegsführung im Tennis. zu Klampen Verlag, Springe 1997, ISBN 3924245592.
Brewin, J. Gregory, M. Lipton, N. Burgess (2010): Intrusive Images in Psychological Disorders: Characteristics Neural Mechanisms, and Treatment Implications. In: Psychological Review. (2010); 117(1), S. 210–232.
Bründel, H., Hurrelmann, K. (1994): Gewalt macht Schule. Droemer Knaur; Auflage: 1. (1994)
Chris, H.: Win every trash talk (2015): How to manipulate noobs and make them shut up. Bullishflag Publications.
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